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Auf der Empfehlungsliste zum Kinderspiel des Jahres: Zombie Kidz Evolution

Der Typ mit der Stirnglatze zieht genauso zuverlässig seine Runden wie der Hausmeister mit seinem Wischmop, die Sportlehrerin mit der im Mund festgetackerten Trillerpfeife und der Matrone mit dem Bücherstapel und erhobenem Zeigefinger. Hirnlos in der Schule, wieder und wieder. Kein Wunder, dass sich ein paar Schüler dagegen auflehnen – gegen die Zombie-Invasion im Klassenzimmer. Denn die untoten Wiedergänger sind nun wirklich überall – dank und durch „Zombie Kidz Evolution“ (Annick Lobet bei Scorpion Masqué) nun auch im Kinderspiel.

Das ist nur folgerichtig. Denn Zombies sind genauso ins kindliche popkulturelle Bewusstsein vorgedrungen wie Marvels Superhelden oder die Stormtrooper aus „Star Wars“. Nicht ungewöhnlich, dass ein Kindergartenkind nachmittags berichtet, es habe mit Kumpels und Kumpelinnen Zombie gespielt. Die dazugehörigen Filme dürften (und sollten!) sie noch nicht gesehen haben; die Figuren aber sind so bekannt wie früher Gespenster, Hexen und schwarzer Mann, insbesondere bei Grundschülern, an die sich dieses Spiel in der Alterseinstufung ab sechs Jahren richtet.

Kooperative Zombiejagd

Die kooperative Zombiejagd holt sich auch richtig ab: Das beginnt mit der fröhlich-frechen Grafik, für die sich der frankokanadische Verlag Scorpion Masqué entschieden hat und die hierzulande selten ist, und hört bei den so zugänglichen wie ausbaufähigen Regeln nicht auf: Der Spielplan zeigt in Draufsicht ein Schulgebäude mit vier farblich codierten Räumen und vier Höfen. Wer dran ist, wirft erst einmal den Farbwürfel und platziert einen neuen Zombie in den entsprechenden Raum, bewegt sich oder lässt es bleiben, entfernt an Ort und Stelle zwei Zombies. Begegnen sich zwei Spielerfiguren im Hof, wird dessen Tor versperrt. Sind alle Tore verschlossen, ist die Partie gewonnen. Wird das Gebäude von zu vielen Zombies geflutet, hat das Team verloren.

So weit, so gut, so an das Kinderspiel des Jahres 2014, „Geister, Geister, Schatzsuchmeister“. Das ist im Prinzip taktisch flexibler. Die Stärken der „Zombie Kidz“ liegen woanders, und die liegen im Namenszusatz „Evolution“ verborgen: Autorin Annick Lobet flirtet mit dem Genre der „Legacy-Spiele“, ohne eines vorzulegen. Ähnlich wie bei zum Beispiel „Pandemic Legacy“ kommen immer wieder neue Regeln hinzu, ändern sich die Fähigkeiten von Helden und Gegnern. Aber: Es wird kein erzählerischer Bogen geschlagen. Die Entscheidungen der Spieler haben keinen Einfluss darauf, was wie geschieht, sondern nur darauf, wie schnell das geschieht.

Legacy-Fleißsternchen

Für jede gespielte Partie gibt es einen Sticker ins Regelheft, für jede gewonnene einen weiteren. Alle paar Kleberchen darf ein Umschlag geöffnet werden: für neue Aufgaben, für neue Regeln, für neue Belohnungen. Das genügt vollkommen, um auf die meisten Kinder einen ungeheuren Sog auszuüben: Sie freuen sich über jeden Sticker wie über ein Fleißsternchen ins Hausaufgabenheft. Manche sogar mehr.

Schwächen? Ja, gibt es auch. Nicht jedes Kind ist so lange vom grundsätzlichen Regelgerüst gefesselt, dass es alle Möglichkeiten sehen wird. Manche ärgern sich, wenn nicht ihre Lieblingsfigur als erstes eine schicke neue Sonderfähigkeit bekommt. Und: Umso mehr Regeln dazukommen, desto unübersichtlicher wird „Zombie Kidz Evolution“ auch, aber nicht unbedingt besser. Aber: Die meisten Kinder stehen drauf, wie der Zombie aufs Frischfleisch.

Zombies in der Popkultur werden im Feuilleton ja gerne mal zur Kritik an Konsum- und/oder Obrigkeitsgläubigkeit hochgejazzt. Ein solcher intellektueller Überbau fehlt den „Zombie Kidz“. Dennoch lässt sich etwas lernen, und zwar nicht nur, dass man hirnlos durch die Schulzeit wanken sollte. Denn Kinder brauchen Monster, damit sie sich ihren Ängsten stellen und sie verarbeiten können. Sie brauchen Abwechslung. Und sie brauchen Spiele, um mit Sieg und Niederlage umgehen zu lernen. Das alles bietet „Zombie Kidz Evolution“. Wozu lebende Tote doch gut sein können.

Stefan Gohlisch

Mehr zu „Zombie Kidz Evolution“ gibt es hier.