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Auf der Empfehlungsliste zum Kennerspiel des Jahres: Underwater Cities

Den Wunsch, sich aus dem Alltag auszuklinken und mal abzutauchen, hat gerade in der aktuellen Situation wahrscheinlich jeder schon einmal gehabt. Im Brettspiel „Underwater Cities“ des Autoren Vladimír Suchý, erschienen in seinem Eigenverlag Delicious Games, wird dieser Wunsch quasi zur Pflicht. Denn: Unser Planet ist in naher Zukunft überbevölkert, die Felder sind verdorrt. So bleibt der Menschheit lediglich der Weg in die Ozeane, um weiteren Lebensraum zu erschließen. In Kuppelstädten auf dem Meeresboden liegt vermeintlich die Lösung für die Probleme der Welt. In „Underwater Cities“ ist dies ist zwar ein Zukunftsszenario – es könnte aber mittelfristig gesehen tatsächlich mehr Science als Fiction werden.

Über zehn Runden versuchen 1 bis 4 SpielerInnen ihre Unterwassermetropolen so aufzubauen, dass die hart erwirtschafteten spärlichen Ressourcen ausreichen, um die in den Kuppeln lebenden Menschen zu versorgen oder sogar symbiotische Städte zu errichten — also solche, die sich schadlos in das Ökosystem der Meere integrieren. Gar nicht so einfach, wenn in lediglich drei Produktionsphasen während des gesamten Spiels die Lager wieder aufgefüllt werden. Will man erfolgreich sein, müssen die knappen Rohstoffe daher sinnvoll und effizient eingesetzt werden. Entsalzungsanlagen sorgen für Frischwasser, Labore für das nötige technische Knowhow, Algenfarmen für das tägliche Brot der submarinen Bewohner und Verbindungstunnel ermöglichen überhaupt erst die Produktion in den angeschlossenen Siedlungen. Gewisse Baukombinationen dieser Strukturen erhöhen dann die Ausschüttung ihrer Waren. Auf den persönlichen SpielerInnenplänen aufgedruckte Boni, die beim Bebauen ausgeschüttet werden, geben zusätzlich eine gewisse Strategie vor.

Ständiges Wanken zwischen Taktik und Strategie

Als wäre das Haushalten mit den uns zur Verfügung stehenden Materialien nicht schon Aufgabe genug, ist es der Kartenmechanismus in „Underwater Cities“, der den Großteil des Spielreizes ausmacht. Je vier der zwölf Aktionen, die wir in einem Zug wählen können – insofern noch nicht von MitspielerInnen gewählt und damit vorerst bis zur nächsten Runde blockiert – sind an die gleiche Farbe gekoppelt. Grün sind schwache Aktionen, rot mittelstarke und die orangenen Aktionen bringen einen mächtigen Schub für unsere Bauvorhaben. Sie werden durch das Ausspielen einer unserer Handkarten aktiviert, die dieselben Farben haben. Lege ich nun eine Karte farblich passend an eine Aktion, darf ich ihren Effekt zusätzlich nutzen. Die Stärke dieser Karteneffekte richtet sich nach der Stärke der Aktion, an die wir sie legen.

Wir ziehen zwar nach jeder gelegten Karte wieder eine nach. Da wir aber stets nur drei Handkarten haben dürfen, stehen wir andauernd vor der Entscheidung, entweder unsere langfristige Strategie zu verfolgen oder taktisch das Beste aus den gegebenen Karten rauszuholen und auch mal eine Aktion alleine deshalb zu machen, um den Karteneffekt noch mitzunehmen. Denn zu verschenken hat man eigentlich nichts. Dass wir zusätzlich die Pläne der MitspielerInnen ständig im Blick haben müssen, damit sie uns nicht überraschend eine wichtige Aktion vor der Nase wegschnappen, tut sein Übriges für eine positive Grundanspannung während einer Partie „Underwater Cities“. Bis zum Schluss bangt und zittert man um die Umsetzung seiner geschmiedeten Pläne und kommt kaum zum Luftholen (wie auch – unter Wasser).

Fernweh zu den Gründen der Ozeane

„Underwater Cities“ ist eines dieser Spiele, das einiger Eingewöhnungsrunden bedarf, bis man den Dreh raus hat und weiß, wie das Seepferdchen so schwimmt. Und ja, man braucht mit Grüblern am Tisch durchaus einen langen Atem für seine Tauchgänge. Aber es gehört eben auch zur Wahrheit über das Spiel, dass es fesselt und in seinen Bann zieht. Alle meine MitspielerInnen verlangten nach weiteren Tauchgängen, denn: das nächste Mal macht man es ja mit Sicherheit besser.
Zu sehen und mitzuerleben, wie ein langfristig gestecktes Ziel kurz vor knapp doch noch erreicht wird, wie man das Letzte aus seinen Möglichkeiten herausgepresst hat, wie die eigene Kolonie wächst und gedeiht, all das war selten befriedigender als hier. Seine Materialien sowie die futuristisch angehauchten Kartenillustrationen unterstützen die thematische Immersion von „Underwater Cities“. Ein Gütesiegel, das man nicht vielen Spielen dieser Art verleihen kann. Umso mehr ist das Spiel ein ganz besonders hervorzuhebendes Positivbeispiel aus der Sparte der sogenannten Eurogames. Und ein wenig Training für unsere eigene, hoffentlich noch vermeidbare Zukunft, kann ja schließlich auch nicht schaden.

Nico Wagner

Mehr über „Underwater Cities“ gibt es hier.