Hübsch anzusehen sind sie ja, die bunten Objekte aus venezianischem Millefioriglas. In Reiner Knizias „Mille Fiori“ (erschienen bei Schmidt) liegen allerdings keine bei – die Glassplitter sind hier farbige, transparente Plastiksteine. Überhaupt ist, da sind sich unsere Jurymitglieder in ihren jeweiligen Medien nahezu einig, die Hintergrundgeschichte des Spiels eher irrelevant. Aber ob es nun eine Reise nach Venedig ist oder in die abstrakten Sphären eines Legespiels, eine Frage muss natürlich geklärt werden: „A loro piace ‚Mille Fiori‘“?
„Wir draften Karten, um sie dann auszuspielen und transparente Plättchen abzulegen. Der Spielplan hat sechs verschiedene Ablege-Bereiche, in denen die Plättchen nach unterschiedlichen Regeln punkten. Die Karten zeigen, in welchen Bereich ich ein Plättchen legen muss, oft ist auch ein bestimmtes Feldsymbol vorgegeben, das ich zu überdecken habe“, erklärt Udo Bartsch das Spiel. „Generell ist es erstrebenswert, in einem Bereich alle vorkommenden Symbole abzudecken. Dafür gibt es hohe Punkteboni. Je schneller man ist, desto höher. Ebenso erstrebenswert sind Extrazüge, die sich – nach unterschiedlichen Regeln – in allen Bereichen verdienen lassen. Wer einen Extrazug gewinnt, wählt eine Karte aus der Auslage und spielt sie zusätzlich.“ Ziel sei, möglichst viele Punkte zu machen. „Im Flächenbereich bedeutet das, möglichst viele Plättchen zu legen, denn jedes bringt mindestens so viele Punkte, wie die Fläche groß ist. Anderswo zahlt es sich aus, sein Plättchen an die ideale Stelle zu legen, beispielsweise als Spitze der Pyramide, was aber erst geht, wenn die zweite Pyramidenebene vollständig gelegt ist. Man muss also im richtigen Moment an die Reihe kommen und die passende Karte besitzen.“
Eine „kleine Unausgewogenheit“ findet Bartsch, dass, wer die Runde beginnt, einen Vorteil hat. „Niemand wird in die Quere kommen oder ein Feld wegschnappen. Weiter hinten in der Sitzreihenfolge wird dann häufiger gestöhnt, dass man sich irgendetwas überlegt hatte, was nun nicht mehr klappt. Nicht alle beginnen in ‚Mille Fiori‘ gleich häufig“, schreibt Bartsch. Das sei aber nicht so schlimm: „Angesichts des Glücksfaktors, den das Spiel ohnehin hat, finde ich diese kleine Unausgewogenheit hinnehmbar.“
Für ihn hat das Spiel eine „starke Zockkomponente. Beispielsweise im lilafarbenen Häuser-Bereich „kann ich nicht genau wissen, ob mein Plättchen auf dem Feld mit der Eins oder der Zehn landen wird. Aber ich kann auf die Zehn spekulieren und mir deshalb eine entsprechende Karte sichern. Es kann aber auch passieren, dass mir genau dieses Feld vor der Nase weggeschnappt wird. Ähnliches gilt auch für andere Bereiche.“ Das sei spannend, das Spiele nähme dabei gut Tempo auf. „Zu einer Partie ‚Mille Fiori‘ sage ich nicht nein. Das Spiel macht Spaß und ist gut ausgewogen“, meint Bartsch. Einzig störend sei, dass „andauernd für irgendwen Punkte abgetragen“ werden müssen, außerdem fehlt ihm die „klare Unterscheidbarkeit zu anderen Spielen, ein Charakter.“¹
Das Thema des Spiels spiele keine Rolle, sagt Manuel Fritsch im Podcast mit Christoph Schlewinski. „Es ist halt ein abstraktes Spiel, wenn da jetzt kein Thema drauf wäre, würde ich mich nicht beschweren.“ Allerdings störe das Thema auch nicht. „Es ist sehr interaktiv und sehr emotional, weil man sich ständig etwas wegnimmt“, sagt Fritsch. Es lohne sich, auf unterschiedliche Wertungsbereiche zu setzen. „Das finde ich super reizvoll. Lohnt sich das noch? Habe ich noch die Zeit?“ Einige der Mechanismen seien „total clever und durchdacht“, sagt Fritsch, und findet „Mille Fiori“ „ein richtig tolles Spiel.“
Schlewinski kann sich dem anschließen. Gerade hier Kettenreaktionen hervorzurufen sei „wahnsinnig befriedigend“ und erinnere ihn an „Ganz schön clever“. Und: „Du kriegst Punkte, Punkte, Punkte. Überall kriegst du Punkte hinterhergeschmissen.“ Besonders gut gefällt Schlewinski, dass man jede Karte auch dazu nutzen könne, sein Schiff zu fahren. „Das Gemeine ist: Für jedes Spielfeld auf dem Plan gibt es nur eine Karte.“ Wenn man sie ausspielt, sei sie weg. „Da kann man manchen Spielern auch was kaputt machen.“ Außerdem sei die Übersichtlichkeit des Spieles hervorragend, das gelte sowohl für die Karten als auch der Spielplan. „Man hat immer was zu tun, und man partizipiert. Man wird von anderen mit Punkten beschenkt, die man mal irgendwann investiert hat. Man kann sich irgendwo reinsetzen und kriegt später ausgeschüttet, in einer ganz angenehmen Art und Weise.“²
Auch Johanna France mag „Mille Fiori“ prinzipiell. „Es gibt immer wieder so ein Glücksgefühl, ich kann noch eine Kettenreaktion machen und das fühlt sich ganz, ganz toll an“, sagt sie. Auch sie erinnert das Spiel an „Ganz schön clever“. Jedoch erschöpft sich für sie der Reiz an „Mille Fiori“ recht schnell. Nach dem ersten Mal hätte sie es gerne noch einmal spielen wollen – nach dem dritten Mal dann schon nicht mehr. Am Ende würde es ein wenig an Komplexität und „Verschnörkelungen“ mangeln. Ein wenig zu kurz ist ihr das Spiel auch – viele geplante Kettenreaktionen ließen sich nicht mehr ausführen. Das sei schade. ³
Auch Harald Schrapers empfindet in „Mille Fiori“ Glücksgefühle durch reichlich ausgeteilte Belohnungen. „Manchmal hört der Siegpunktmarker kaum auf, zu laufen“, schreibt er. „Wenn ich in den Werkstätten meine Raute so lege, dass ein Stern-Symbol eingeschlossen wird, bekomme ich einen zusätzlichen Zug, für den ich mir aus einer offenen Auslage eine weitere Spielkarte auswählen darf. Und mit der Extrakarte erspiele ich mir vielleicht noch einen weiteren Zug – ‚Mille Fiori‘ weiß, wie man einen ‚Ganz-schön-clever‘- Moment erschaffen kann.“ In den unterschiedlichen Ablagebereichen gäbe es „abwechslungsreiche Varianten des Grundprinzips des Rauten-Ablegens, die durch die Spielkarten meist gut erklärt werden“, schreibt Schrapers. Überall gäbe es Extra-Züge und Punkte zu holen: „Venedig lebte damals im Überfluss – genau wie die punktetrunkenen Spieler von Mille Fiori, das als Füllhorn viel Freude bereitet“, meint er.⁴
Da die in den ersten Spielen mitgelieferte Spielregel einen Fehler enthielt, gibt es beim Verlag mittlerweile eine korrigierte Spielregel ➜ zum Herunterladen (PDF).