Der Wald brennt – und die Spieler:innen als gute Geister müssen ihn retten. Thematisch hat „Living Forest“ (Aske Christiansen bei Pegasus Spiele) ziemlich aktuelle Untertöne. Ob das Spiel darüber hinaus überzeugen kann, dazu haben sich unsere Jurymitglieder in ihren jeweiligen Medien geäußert. Unsere Kritikenrundschau fasst zusammen.
„Wir wollen den Wald und die vielen Tiere, die auf den Spielkarten abgebildet sind, vor den Flammen eines gewissen Onibi beschützen“, erklärt Harald Schrapers das Spiel. „Wir beginnen mit den 14 Karten unseres persönlichen Stapels, dem Startdeck. ‚Living Forest‘ ist ein Deckbuilder und wir möchten unseren Startstapel durch Hinzukauf von neuen Karten verbessern. Denn fünf der 14 Starttiere in meinem Deck sind Problemtiere. Sie sind Einzelgänger, zu erkennen an dem schwarzen Einzelgängersymbol. Zu Beginn jeder Runde darf ich von meinem Deck so viele Karten aufdecken, wie ich möchte. Aber maximal zwei Einzelgänger. Ich muss beim Nachziehen also rechtzeitig stoppen. Denn wenn ich doch mal einen dritten Einzelgänger aufdecke – was immer mal wieder vorkommt – werde ich mit der Halbierung meiner Aktionsmöglichkeiten bestraft. Statt zwei Aktionen nur noch eine.“ Es gewinnt, wer mit seinem Deck entweder zwölf heilige Blumen- oder Feuermarker gesammelt hat oder zwölf Baumplättchen auf das Tableau gelegt.
„Living Forest“ sei „taktisch-strategisch durchaus herausfordernd“, meint Schrapers, „denn die drei unterschiedlichen Siegespfade müssen durchdacht angegangen werden. Die Regeln sind nicht besonders kompliziert, aber immerhin 16 Seiten umfasst die Anleitung.“ „Living Forest“ sei eindeutig ein Titel für Kennerspieler. „Und zwar ein guter. Der Wettlauf, wer zuerst die Zwölf schafft, ist sehr spannend. Und trotz des eigenen Tableaus und der eigenen Karten: Es gibt reichlich Interaktion.“ Das läge auch am gemeinsamen Spielbrett, „auf dem unsere Figuren im Kreis gezogen werden und man beim Überholen der Gegnerin einen Siegpunkt klauen darf. Hier sind schon so manche Partien dieses herausragenden Spiels entschieden worden.“¹
Auch Udo Bartsch ist von „Living Forest“ überzeugt. Es sei „toll verzahnt, sehr spannend und erstaunlich variabel.“ Auch den Glücksfaktor findet er „gut abgestimmt“ und der Intensität des Spiels zuträglich. „Im Wesentlichen kommt es auf Taktik und Strategie an“, schreibt er. „Aber es passieren Dinge, die außerhalb meiner Kontrolle sind, ich kann mich verzocken, manchmal muss ich gar zocken. Weil das Spiel im Regelfall nur sieben bis zehn Runden dauert und recht aufbauintensiv ist, liegt es ohnehin nahe, gleich noch eine Revanche zu spielen.“ Bartsch stören allerdings doch zwei Dinge: „1. Auf dem Baumtableau wiederholt sich die gewählte Anordnung auf Dauer doch. Ich belege mittlerweile fast immer dieselben Felder in fast immer derselben Reihenfolge. 2. In der ersten Runde kann es schlecht sein, an Position vier zu sitzen. Oft sind dann gar keine zwei sinnvollen Aktionen mehr möglich, weil alle billigen Karten weggekauft sind und das Feuer auch schon gelöscht wurde.“ Zumindest aber der zweite Punkt gäbe sich mit zunehmender Spielerfahrung. Insgesamt urteilt Bartsch: „Sehr viele zusammengemixte Mechanismen lassen in ‚Living Forest‘ etwas Neuartiges entstehen, das sich auch nach vielen Partien immer noch frisch anfühlt und neugierig auf mehr macht.“ „Living Forest“ sei ein „außerordentliches“ Spiel.²
Für Martina Fuchs ist das Tolle an „Living Forest“: „Die erste Partie macht schon Spaß. Das ist aber für mich ein Spiel, bei jedem weiterem Spielen mehr Tiefe bekommt. Je mehr ich das spiele, desto mehr achte ich auf die anderen.“ Das Spiel könne jedes Mal anders gespielt werden. „Jede Konstellation hat ihre Vorteile. Ich spiele es gleich gern mit jeder Anzahl von Leuten.“ Je nach Spieler:innenanzahl könnten unterschiedliche Strategien zum Sieg führen. „Das ist so, dass man das nach und nach entdeckt“, sagt Fuchs.
Gerade die eigene Entwicklung sei spannend: „Am Anfang ist es so, dass man ein bisschen seine eigene Strategie spielt und versucht, damit zu gewinnen, was einem gerade liegt. Später muss ich aber immer mehr kucken: Wo sind denn die anderen jetzt?. Ab dann wird dieses Spiel taktisch.“³
Auch Bernhard Löhlein ist in einer kurzen Radiorezension angetan von „Living Forest“: „Genial, wie hier relativ einfache Spielelemente elegant miteinander verwoben sind. So entsteht etwas ganz Neues“, sagt er und urteilt: „Dieser Wettstreit fordert, aber er überfordert mich nicht. Dafür sorgt auch das schöne Spielmaterial mit seiner geheimnisvollen Grafik. Da stimmt einfach alles.“⁴
Bei Stephan Kessler haben sich – wie schon für das Legespiel „Cascadia“ – die Tiere aus dem Spiel zum Stelldichein getroffen. „Man muss genau darauf achten, was man tut“, sagt da beispielsweise der Bär zum Spiel. „Sonst spielt man den anderen in die Karten. Das ist hochgradig interaktiv und kann richtig fies sein.“ Der Fuchs lobt das „Zockerelement“ und die Interaktion des Spiels, der Hirsch ergänzt: „Die Partien laufen spannend und keine gleicht einer anderen. Allerdings setzt man mitunter seine Mitspielenden sehr unter Zugzwang. Wenn eine Person ihre Rolle nicht richtig einnimmt, kann die ganze Runde kippen.“⁵
Ebenso überzeugt ist Manuel Fritsch im Podcast mit Christoph Schlewinski. Die zentrale Spielmechanik – wie Karten aufdeckt werden – sei „wirklich cool gemacht. Du baust dir neue Karten ins Deck, du versuchst bestimmte Aktionen möglichst stark zu machen, musst rechtzeitig aufhören.“ Reizvoll sei, dass die Siegbedingungen sich einander beeinflussten. „Man muss immer im Auge behalten: Auf was gehen denn die anderen Mitspielenden?“ „Living Forest“ erzeuge „ein sehr dynamisches Hin und Her, und das ist auch, was mir so gut gefällt an ‚Living Forest‘“, meint Fritsch. „Jeder puzzelt sein Deck hin, und dann öffnet sich der Blick aber, weil du dieses Spiel nicht spielen kannst, ohne die Mitspielenden im Blick zu haben. Das ist elementar spielentscheidend.“ Außerdem attestiert Fritsch dem Spiel „ein gutes Balancing“, je mehr Partien man spiele, desto mehr Siegstrategien sähe man. Dadurch entstehe „so eine irre Dynamik.“ Es sei eine „große Stärke“ des Spiels, dass es sich immer anders entwickele und man oft intuitiv handeln müsse.
Im Großen und Ganzen stimmt Schlewinski dieser Einschätzung zu. Ihn irritiert allerdings die Verlagsstrategie von Pegasus, das als Familienspiel zu kennzeichnen. „Völlig absurd. Das ist es überhaupt nicht. Es ist ein astreines Kennerspiel.“ Denn trotz einfacher Regeln gäbe es komplexe strategische Entscheidungen. Dennoch sei das Spiel, sagt er, „sehr eingängig, weil es gut gestaltet ist.“⁶
Julia Zerlik findet „Living Forest“ „auf ganz vielen Ebenen total spannend.“ Vor allem das Ende mit den drei „komplett unterschiedlichen“ Siegbedingungen hat es ihr angetan. Unterschiedliche Spezialisierungen, jeweils mit ihren eigenen Vor- und Nachteilen, seien möglich, alle davon könnten zum Sieg führen. „Und das gefällt mir richtig gut an dem Spiel“, sagt sie. Je nach Spieleranzahl ergäben sich hier auch ganz unterschiedliche Dynamiken. „Wir haben oft mehrere Partien gespielt, um noch einmal eine andere Strategie auszuprobieren“, sagt Zerlik. Und auch nach all diesen Partien mache ihr das Spiel „noch eine Menge Spaß. Ich finde es total rund. Ich finde, es sieht auch schön aus“, sagt sie, und urteilt: „Für mich ein ganz, ganz tolles Spiel“, das Mechanismen auf eine elegante Art und Weisen vereine.⁷