Kritikenrundschau: Faraway – weit weit fort und wieder zurück

Ein Palindrom als Spiel: „Faraway“ (Johannes Goupy und Corentin Lebrat bei Kosmos) wird von vorne ausgelegt – und von hinten gewertet. So wird aus der Reise auf den weit entfernten Kontinent Alua eine Kopfnuss. Wir haben die Kritiken unserer Jurymitglieder in ihren jeweiligen Medien vor- und rückwärts durchkämmt, um herauszufinden, ob ihnen die Reise in zwei Richtungen gefallen hat.

„Wir legen nacheinander acht Karten ab. Der Prozess ist immer gleich: Drei Karten haben wir auf der Hand, eine legen wir. Wer die niedrigste Zahl gelegt hat, wählt zuerst eine neue Karte aus einem kleinen Vorrat. Dann die anderen. So haben wir wieder drei Karten, legen wieder eine und so fort, erklärt Udo Bartsch das Spiel. „Am Ende des Spiels soll die Auslage viele Punkte zählen. Abgerechnet wird aber in einer vorgegebenen Reihenfolge, nämlich von hinten nach vorn: Wir verdecken die ersten sieben Karten wieder und werten zunächst die achte. Die ersten sieben Karten sind – obwohl sie bereits feststehen – für die Wertung der achten noch nicht existent.“

Für Bartsch ist „Faraway“ ein „Zockspiel“. „Jede Karte, die ich nur deshalb lege, damit sie andere Karten unterstützt, ist eine Karte, die nicht wertet. Ich will aber viele Karten, die werten. Wenn ich noch zwei Symbole ‚Stein‘ benötige, lege ich meistens trotzdem etwas anderes und hoffe darauf, die beiden Steine über Bonuskarten hereinzubekommen. Das kann klappen – oder auch nicht.“ Seinen Mitspieler:innen gefällt das Spiel, stellt Bartsch fest, und ihm ebenso. „Ich sehe es als schnell runtergespieltes Zwischendurchspiel, dessen Reiz darin besteht, aus wenigen Karten eine kleine Maschine aufzubauen, die einerseits Punkte abwirft und andererseits auch alle dafür nötigen Voraussetzungen mitbringt.“ Bartsch sieht einen hohen Glücksfaktor in dem Spiel – für ihn aufgrund der kurzen Dauer allerdings kein Problem. Allein: „Wer die Zielgruppe für ‚Faraway‘ sein könnte, kann ich jedoch nicht so klar definieren. Spieldauer und Zufallsanteil sprächen eher für ein Spiel für alle. Die Originalität von ‚Faraway‘ baut allerdings Hürden auf.“ Der Mechanismus müsse erst einmal verstanden werden. „Ich habe Mitspieler:innen beobachtet, denen selbst nach einer vollen Partie inklusive Wertung noch kein Licht aufgegangen war, was in ‚Faraway‘ sinnvollerweise zu tun wäre oder was daran auch nur annähernd Spaß machen könnte“, schreibt Bartsch. Auch die Originalität könne sich abnutzen. „Im Rahmen eines derart kurzen Spiels empfinde ich dieses gewohnheitsmäßige Runterdreschen aber nicht als Manko. Denn trotz allem bringt jede Partie Ungewissheit und deshalb immer wieder Spannung“, schreibt er.1

Auch Manuel Fritsch gefällt „Faraway“. Es sei „wunderschön illustriert“ und biete eine „ungewöhnliche Mechanik“. Man müsse „in die Denke reinkommen, es ist fast schon wie ein Logikrätsel“, findet er und lobt die „simple Idee“, auf der das Spiel basiere. Welche Karten wann ausgelegt werden sollen, welche Karten welche Punkte bringen, stelle ihn immer wieder vor spannende Dilemmata. Insgesamt findet er, „Faraway“ sei ein „richtig tolles Spiel“. Eine Zielgruppe für das Spiel zu finden, ist für Fritsch weniger ein Problem: „Für mich ist das klar ein Familienspiel, weil es nicht komplex ist, nur kompliziert zu denken“, sagt er. 2

„In der ersten Partie ist es tatsächlich noch eine Überraschung, dass die scheinbar gut zusammenpassenden Karten dann doch nicht funktionieren“, schreibt Harald Schrapers. „Bei routinierteren ‚Faraway‘-Spielenden mischt sich ein gewisser Fatalismus in die Betrachtung – weil sie schon vor dem Ende erkennen, dass der Plan nicht aufgeht.“ Wegen solcher Momente sei das Spiel sicherlich nicht „Jedermanns Liebling. Wenn man die ganze Zeit fiebert, dass endlich die eine Distel auftaucht, auf die man das ganze Siegpunktkonstrukt aufbaut … und es kommt keine Distel.“ Das seien „Frustmomente“, schreibt er. „Welche Konsequenzen man aus solchen Frustmomenten zieht, ist unabhängig davon, ob man nur gelegentlich mal spielt oder eine regelmäßige Kennerspielerin ist. Die meisten Leute reagieren damit, es noch einmal zu versuchen, und anschließend noch mal. Denn eine Partie dauert nur selten länger als 20 oder 25 Minuten. Eines ist unbestreitbar: Spannend ist so eine Partie immer.“3

Das Spiel sorge bereits „bei der ersten Wertung für viel Jubel und Stöhnerei am Tisch, Frust und Freude wechseln sich permanent ab“, beobachtet Christoph Schlewinski. „Und selbst wenn man glaubt, das Spiel ‚eigentlich‘ verstanden zu haben, merkt man hin und wieder: Ach, nee … doch wieder falsch gedacht.“ Für ihn steckt viel Zufall in dem Spiel – je mehr Mitspieler:innen es gebe, desto eher käme man aber an die benötigten Punktesymbole. Und: „Zufall muss nicht immer etwas Negatives sein, sondern kann auch für tolle Spannungsmomente sorgen“, schreibt er. „Wie eben bei ‚Faraway‘, das elegante und eingängige Regeln mit einem sehr innovativen Wertungsmechanismus kombiniert. Ich kann das Spiel jedem ans Herz legen.“ 4

Es sei für Gelegenheitsspieler:innen nicht einfach, in das Spiel reinzukommen, konstatiert Johanna France. „Obwohl sie anfangs unintuitiv wirkt, ist die Wertung ein mechanisch großartiger Kniff. Ein einfaches Spielkonzept wird dadurch elegant auf den Kopf gestellt“, schreibt sie. „Wofür wir Punkte erhalten, ist eigentlich simpel: für Ressourcen, für Orte in bestimmten Farben oder Sets. Die umgedrehte Wertung fügt der Punkteoptimierung aber eine zusätzliche Ebene hinzu.“ Das Spiel biete schwierige Entscheidungen – die allerdings fühlten sich „bald genau richtig an: knifflig, ohne mühsam zu sein. So spielt sich ‚Faraway‘ locker von der Hand.“5
Im Video ergänzt France noch: „Die erste Partie ist eine Kennenlernpartie, weil man erst einmal verstehen muss, wie diese Wertung überhaupt funktioniert.“ Sie lobt, dass in der Kartenwahl viel Taktik stecke, „weil ich im Nachhinein optimieren muss“, sagt sie. „Die Wertungsoptionen sind extrem reduziert, trotzdem hat es einen großen Reiz.“ Für France steckt in „Faraway“ „sehr viel Faszination“.6

Michaela Poignée findet: „Der Teufel steckt in der Wertung.“ Es könne gut ein, zwei Partien dauern, das Spiel zu verstehen. Dann aber stecke darin ein „toller Spielmechanismus, der auch Spaß macht“. Sie findet in „Faraway“ „schöne Entscheidungen“, allerdings stecke auch „ganz viel Glück drin“. Es sei ein Spiel, in dem „man hofft und wartet“, sagt sie. „Das hat auch Frustpotential, aber das ist eben der Glücksfaktor.“ Aber mit dem Glücksfaktor kann sie aufgrund der kurzen Dauer leben – und findet „Faraway“ ein „ganz tolles, kurzweiliges Spiel“.7

Julia Zerlik entdeckt in „Faraway“ ein Spiel, „das man einfach erklären kann und das eingängig ist, das aber schwer zu meistern ist“. Für sie sei die Mischung aus der ständigen Suche nach der perfekten Kartenkombination und „ein bisschen Glück“ sehr gelungen. „Es lädt ein, das immer wieder und wieder zu spielen“, findet sie, auch in großen Runden. Ihr gefallen die Entscheidungen, die permanent getroffen müssen. „Da stecken so viele kleine Feinheiten drin“, beobachtet sie und findet: „Das ist für mich ein wahnsinnig rundes Gesamtpaket“, das ihr auch nach vielen Partien nicht das Gefühl gebe, alles gesehen zu haben.“. Zerliks Fazit: „Ich habe gar nichts zu meckern.“8

Auch in unserem ➜Podcast wurde „Faraway“ besprochen.

  1. Rezensionen für Millionen: Faraway ↩︎
  2. Insert Moin: Le Brett vom 22.10.24 ↩︎
  3. gamesweplay.de: Faraway ↩︎
  4. Spiel doch Ausgabe 1/25 ↩︎
  5. Spielbox Ausgabe 6/24 ↩︎
  6. Wienxtra Spümaschin 53 ↩︎
  7. Die Brettspieltester: Faraway ↩︎
  8. Spiel doch mal…: Faraway ↩︎