Bericht über das Spieleautoren-Stipendium 1995
Von Jens-Peter Schliemann
Schon in meiner Vergangenheit hatte ich mich intensiv mit Spielen beschäftigt. In der Familie habe ich viel Karten gespielt, mit einem Freund über mehrere Jahre Spiele kreiert, mich gerne mit strategischen Spielen beschäftigt und Brettspielkreise besucht. Meine Fähigkeit für strategische Spiele sowie meine mathematische Begabung haben sich gegenseitig trainiert. Seit 1992 besuche ich regelmäßig die Spieletage in Essen, die Nürnberger Spielwarenmesse und die Spieleautorentage in Göttingen.
Der Weg, den man als Spieleautor im Hauptberuf einschlägt, ist ein intensiver, lebenslanger Lernprozess. Wegen der Komplexität dieses Berufs wird er je nach Neigungen und Fähigkeiten sehr unterschiedlich angegangen. Die SAZ (Spiele Autoren Zunft), der Friedhelm-Merz-Verlag und das Deutschen Spielearchiv haben 1995 das Spieleautoren-Stipendium ins Leben gerufen. Für mich als Jungautor war das Stipendium ein konkreter Beitrag zur meiner Ausbildung zum Spieleautor. Als erster Spieleautor erhielt ich 1995 das Stipendium. Damals hatte ich einige Erwartungen an diese einzigartige Ausbildungsmöglichkeit. Es finanzierte entstehende Kosten für die Zeit der folgenden einwöchigen Praktika:
28.08. – 04.09.95 Deutsches Spiele-Archiv in Marburg
04.09. – 11.09.95 Spielefest St. Gallen
18.09. – 22.09.95 Fachgeschäft „Das Spiel“ in Hamburg
19.11. – 26.11.95 Drei Magier Spiele-Verlag in Uehlfeld
Meine „spielerischen“ Erfahrungen während der Praktikumstationen haben mich darin bestärkt, mich weiter als professioneller Spieleautor zu entwickeln. Für die Ermöglichung des Stipendiums sowie der spannenden Auseinandersetzung bedanke ich mich herzlich bei Herrn Merz, Herrn Thole, Herrn Voigt, Herrn Rüttinger und den Vertretern der SAZ.
Erwartungen
Angesichts der Tatsache, dass wohl niemand „spielend“ sein Geld verdient, sind die Erwartungen ideeller sowie pragmatischer Natur. Die Neugierde, wie wohl das, womit man als Kind gespielt hat, entsteht, und welche Menschen dahinter stehen, mag vielleicht Illusionen zerstören und zu erkennen geben, dass dies „nur“ und „wirklich“ Menschen sind, die das tun. Aber es eröffnet dadurch vielleicht den Weg für neue Wünsche und Inspirationen, die einem Pragmatismus gerecht werden, gute Spielideen zu verwirklichen.
Der Besuch des Deutschen Spielearchivs mit Dr. Bernward Thole als langjährigem Kenner der Brettspielszene liegt mir als wissenschaftlich denkender Mensch sehr nah. Den Aufbau der Spieleentwicklung Deutschlands in geordneter Form mitzubekommen, um so ein besseres Verständnis für vergangene und moderne Entwicklungen zu bekommen, erscheint mir als eine interessante Auseinandersetzung. Gespannt bin ich auf Spielgenres, zu denen ich bisher noch keinen Zugang gefunden habe. Dem Phänomen „Spiel“ wird in verschiedensten wissenschaftlichen Disziplinen eine starke Bedeutung zugeordnet. In der Hoffnung, hierzu Literatur sichten zu können, zu schmökern und kompetente Menschen zu ihrer Einschätzung zu befragen, möchte ich die Bibliothek durchgehen. Als Fragen werden sich ergeben, wie das Spiel durch das Deutsche Spielearchiv im Konkreten, z.B. in der Zusammenarbeit mit Bibliotheken, gefördert wird und wie Abläufe bei der Vergabe des Kritikerpreises „Spiel des Jahres“ sind.
Meine eigenen als Idee und in der konkreten Planung und Entwicklung befindlichen Spielentwürfe kann ich vor Ort mit den Vorhandenen vergleichen. Eventuell bietet sich eine häufigere Recherche im Deutschen Spielearchiv an. Gemeinsam mit dem Team des Deutschen Spielearchivs werde ich zum St. Gallener Spielefest fahren. Dieses Spielefest kenne ich bisher noch nicht. Da ich schon einige Spieletage erlebt habe, möchte ich es in seiner Bedeutung und Intention zu anderen vergleichen.
Das Fachgeschäft „Das Spiel“ in Hamburg mit Claus Voigt als weiterem langjährigen Kenner der Brettspielszene zeigt mir die Wünsche derjenigen, die Spiele kaufen. Für mich ist die Entwicklung von Spielen immer noch ein „eigener“ Prozess. Deshalb will ich dort mit unterschiedlichen Kunden reden und versuchen, Kundenwünsche unvoreingenommen wahrzunehmen, um mich im Anschluss damit zu befassen.
Ich bin sehr neugierig auf den Einstieg in den Arbeitsalltag von Johann Rüttinger in seinem „Drei Magier Spiele“-Verlag. Seine Arbeit ist wohl am nächsten an der eines Spieleautoren dran. Da Johann Rüttinger ein ausgebildeter Graphiker ist, möchte ich zur graphischen Praxis einiges lernen. Ich werde konkrete Fragen stellen: Zur finanziellen Umsetzbarkeit von Ideen; wie aufwendig ein Spiel materiell sein darf; zum genaueren Verstehen von Produktionsabläufen und wie sich der typische Ablauf, ein Spiel zur Produktionsreife zu bringen, gestaltet. Speziellere Fragen habe ich z.B. zur Gestaltung von Spieleanleitungen und meinen eigenen Projekten.
Deutsches Spiele-Archiv Marburg
Die Vorbereitung dieser Zeit gestaltete sich relativ einfach, da ich von Herrn Thole zuvor die ersten zwei Jahrgänge des „Fachdienst Spiel“, einem Informationsdienst des Deutschen Spielearchivs, bekommen habe. Er beschreibt die dort stattfindende Arbeit und darüber Hinausgehendes. Interessant erscheinen mir hier Fragen zum Adressen- und Sacharchiv, zur Recherche zu speziellen Themen, zu internationalen Fachzeitschriften, zur Information und Beratung von Journalisten, zu Gutachten bei Rechtsstreitigkeiten, zur Betreuung von wissenschaftlichen Arbeiten, zur Kooperation mit anderen Institutionen, zur Geschäftsstellenfunktion „Spiel des Jahres“, zum Wert des Spiels, zum angebotenen Autoren-Spieleabend, zur Bedeutung der Spielekritik, zu Spieletests, zum öffentlichen Interesse am privaten Autor. Außerdem möchte ich ein eigenes Feedback zu der Systematik der Denkspiele geben.
Die Zeit in Marburg war sehr vertrauensvoll, da ich im Haus von Herrn Thole untergebracht war. Somit ergab sich auch im normalen Alltag die Möglichkeit zum einen oder anderen Gespräch. Das Archiv wird zur Zeit neben Herrn Thole von einer Bürokraft, den beiden Halbtagsmitarbeitern Rainer Scheer und Petra Groth und den aushilfsweise beschäftigten Mitarbeitern Martin Wehnert, Monika Scheer und Rene Aden getragen. Die Mitarbeiter sind über ihre Arbeitszeit hinaus persönlich am Spiel und der Archivarbeit interessiert.
Das Archiv wurde 1985 gegründet und hat sich zur Aufgabe gestellt, „die Spieleproduktion nach 1945 bis heute zu dokumentieren und damit Grundlagen für eine intensive Analyse und wissenschaftliche Reflexion der Spiel-Entwicklung unserer Zeit zu schaffen“. Es befindet sich in einem Stadium, dass man gezielt darin arbeiten kann. Jedem Besucher ist es möglich, zu den normalen Öffnungszeiten dieses Arbeitsarchiv zu nutzen. Das Ausleihen ist nicht möglich. Es befinden sich dort ca. 10.000 Spiele, welche nach einer Klassifikation (nachzulesen im Fachdienst Spiel) geordnet sind. Da es unmöglich ist, innerhalb einer Woche alle Spiele wirklich kennen zu lernen, musste ich mich darauf beschränken, einen Teil dieser zu sichten und einen Eindruck von der Menge der Spiele zu jedem Genre zu bekommen. Interessant, welche Genres recht häufig und welche weniger vertreten sind. Beim Sichten der Spiele wurde vor allem die zeitliche Entwicklung der Spielegraphik deutlich.
Die Spiele sind per Computer mit ihren wichtigsten Daten erfasst und bestimmten Suchthemen zugeordnet. Damit ist eine spezielle oder thematische Suche sehr einfach möglich. Meine eigenen Spielideen konnte ich in ihrer Ähnlichkeit mit vorhandenen Spielen mit Hilfe der thematischen Suche am Computer und anschließender Sichtung der Spiele überprüfen. Außerdem befindet sich im Computer eine umfangreiche Adressendatei der Verlags-, Zeitschriften-, Autorenadressen usw., die immer wieder auf den aktuellen Stand gebracht wird.
Das Archiv besitzt auch eine Bibliothek. Hier finden sich Bücher allgemein zum Thema Spiel. Diese sind ebenfalls kategorisiert. In der Bibliothek zu schmökern, ermöglichte es mir, das Spiel in einem breiteren Kontext zu sehen. Ich habe einige Bücher gefunden, welche ich mir in nächster Zeit besorgen möchte.
Die Spielefachzeitschriften sind ebenfalls im Archiv gesammelt. Interessant war es, die Menge der deutschen Blätter zu sehen. Zudem gab es englische, französische und italienische Zeitschriften im Archiv. Mir fiel es schwer, darüber einen Eindruck von der dortigen Szene zu bekommen. Rezensionen zu einzelnen Spielen werden aus den Zeitschriften kopiert und geordnet in Ablagen gesammelt. Dies ermöglicht schnell und gezielt, eine spielerische Vorabinformation zum Spiel zu bekommen.
Im Verlagsarchiv sind die jährlichen Prospekte der Firmen gesammelt. Hier kann man noch einmal die zeitliche Entwicklung des Spiels in den einzelnen Verlagen nachvollziehen und so das aktuelle Verlagsprogramm einschätzen lernen. Es wird auch der unterschiedliche Charakter der Verlage deutlich.
Im Autorenarchiv sind Artikel über die ins öffentliche Interesse getretenen Spieleautoren gesammelt. Hier wird deutlich, welche Autoren die Szene schon seit längerem prägen, welche Autoren dauerhaft Spiele entwickeln und welche Autoren nur einmalig in Erscheinung getreten sind. Außerdem gewinnt man einen Eindruck, wie stark das persönliche Interesse am Autor im Bezug auf Güte und Menge der Spiele ist.
Weiterhin werden Artikel zu verschiedensten Spielemessen und Spieleveranstaltungen gesammelt. In ihrer Kontinuität stechen die Nürnberger Spielwarenmesse, die Essener Spieletage, die Göttinger Spieleautorentage, die Remscheider Spieleakademie und das Spielefest in Wien hervor. Andere dokumentierte Veranstaltungen sind entweder wieder verschwunden, waren auf Einmaligkeit angelegt, haben eher am Rande mit dem Brettspiel zu tun oder sind gerade im Aufbau begriffen.
Im Sacharchiv werden verschiedenste Themen aufgegriffen und Veröffentlichungen hierzu gesammelt. Hier kann man einige Themen finden, die für einen Autor interessant sein können, wie z.B. Grafik, Marktanalyse, SAZ, Spielregeln, Urheberrecht, Werbespiele, Zeitschriften…
Das Urheberarchiv ist nicht zu sichten. Dort werden als Dienstleistung des Archivs versiegelte Briefumschläge mit den Spielideen der Einsender für drei Jahre gegen eine geringe Gebühr aufbewahrt.
Das Spielearchiv ist Geschäftsstelle der Jury „Spiel des Jahres“. Noch vor der Nürnberger Messe werden die Neuerscheinungen bei den Firmen angefordert und in die Computerdatei eingegeben. Für die Wahl zur Auswahlliste werden die Spiele der letzten zwei Jahrgänge herangezogen. Diese findet man im vorderen Bereich des Archivs. Die Arbeit für den Preis finanziert sich mittlerweile über Lizenzzahlungen der Verlage für die Benutzung des Signets. Einige Gelder gehen auch an das Deutsche Spielearchiv.
Im Semester wird einmal wöchentlich ein Spieleabend organisiert, zu dem auch mal der eine oder andere Autor anwesend ist. Da das Archiv in der Regel ganztägig besetzt ist, kann man telefonisch Auskünfte bekommen. Dies wird aufgrund der Einmaligkeit der Institution reichlich genutzt. Die Auskünfte gehen von journalistischen Fragen zum Kritikerpreis bis zu wissenschaftlichen Fragen zu Diplom- oder Magisterarbeiten. Das Archiv hat aufgrund der Einmaligkeit der Institution eine starke überregionale Bedeutung gewonnen. Die regionale Bedeutung ist sicherlich noch entwicklungsfähig. Da ich innerhalb einer Woche den Aufbau des Archivs kennen gelernt habe, kann ich das Informationspotential in Zukunft optimal nutzen. So wird es mir möglich sein, aufkommende Fragen, die im Archiv beantwortet werden können, gezielt telefonisch zu klären.
Spielefest St. Gallen
Gemeinsam mit dem Team des Deutschen Spielearchivs war ich auf dem St. Gallener Spielefest. Diese Messe wurde zum zweiten Mal in Kooperation mit der Modellbaumesse, die schon eine längere Tradition hat, veranstaltet und dauerte von Mittwoch bis Sonntag. Sie spricht das regionale Umland an. Es sind noch wenige große Verlage vertreten. Das Deutsche Spielearchiv und der Kritikerpreis „Spiel des Jahres“ hatte eine große Standfläche, um ihre Arbeit zu präsentieren. So wurde vom Deutschen Spielearchiv eine Ausstellung „Märchen und Spiel“ aufgebaut. Mit dem Aufbau wurde am Montag begonnen. Die Aufbauarbeit gestaltete sich länger und wohlüberlegter, als ich es gedacht hätte. Hierzu wurden Vitrinen mit Spielen und Requisiten gestaltet und vorbereitete Bilderrahmen an Stellwänden aufgehängt. Ausgestellt wurden verschiedene Spiele mit märchenhaften Themen von den Gebrüdern Grimm bis zu Walt Disney. Dem Kritikerpreis „Spiel des Jahres“ stand die andere Hälfte der Standfläche zur Verfügung. Dort wurden Spiele des Jahres und der Auswahlliste vorgestellt. Zudem konnten sie an Spieltischen gespielt werden. Beim Erklären der Spiele konnte ich einige spielerische Erfahrungen mit verschiedensten Spielertypen machen. Dabei wurde deutlich, dass das auf der Messe befindliche Publikum sehr interessiert war und sich auch bei etwas aufwendigeren Spielen von der aktiven Atmosphäre auf der Messe mitreißen ließ. Am Informationsstand zeigte sich, dass die Präsenz des Archivs für einige wissenschaftlich mit dem Spiel Beschäftigte sowie an Sachinformationen Interessierte eine einmalige und wichtige Möglichkeit war, sich zu informieren. Mit Herrn Thole konnte ich gemeinsam über Teile der Messe gehen und so im Gespräch mit anderen weitere Eindrücke gewinnen. Für einige Jurymitglieder galt der Stand als Anlaufpunkt, so dass man sich persönlich kennen lernen konnte.
Auf der Messe war die „Ravensburger Spielewerkstatt“ vertreten, in der Kinder eigene Spiele fertigen konnten. Hierzu wurde ihnen Blankospielmaterial zur Verfügung gestellt. Besonders beeindruckend war, dass es den Kindern gelang, innerhalb von zwei Stunden ein eigenes, persönliches Spiel zu basteln. Dabei wurden oft bekannte Spielstrukturen übernommen, aber eigene Spielthemen ausgesucht. Die freie Herangehensweise und phantasievolle Möglichkeit hat mir sehr gut gefallen und zeigte einmal mehr, wie groß die Lust am Entwickeln von Spielen sein kann. Auf der Messe wurde mir das zur Zeit grassierende „Magic-Fieber“ offenbar. Dies ist ein Sammelkartenspiel mit interessanten strategischen Möglichkeiten und einer Fantasy-Grafik. Das vor allem bei Jugendlichen beliebte Spiel hat aber durch die entstehende Sammelleidenschaft einen starken Suchtcharakter, weil durch ständiges Hinzukaufen von neuen Karten der Preis für das Spiel in seiner Summe in Extremfällen bis in die Tausende Mark gehen kann.
Fachgeschäft „Das Spiel“ in Hamburg
In Hamburg habe ich eine Woche lang den Verkauf von Spielen erlebt. Ich habe mir dort verschiedene Formen des Spieleverkaufs angeschaut. Man kann die Geschäfte, welche Spiele verkaufen, in sechs verschiedene Gruppen einteilen, wie z.B.:
Toys R Us ist ein Spielwarensupermarkt, der mit offensiven, amerikanischen Marketingstrategien in den letzten Jahren in den europäischen Markt gedrängt ist und mit Billigangeboten versucht, Marktanteile zu sichern und zu erweitern. Diese Supermärkte finden sich meistens in Einkaufszentren von Gewerbegebieten in Verbindung mit Lebensmittelsupermärkten und Baumärkten. Die Brettspiele sind in den Regalen alphabetisch nach Titeln geordnet, so dass der Kunde griffbereit die Schachtel herausziehen kann. Eine Beratung gibt es nicht. Durch hohe Abnahmestückzahlen ist es Toys R Us möglich, Spiele kostengünstig anzubieten.
Kaufhof, Horten, Karstadt und ähnliche Geschäfte haben eine breite Produktpalette für den alltäglichen Bedarf. Sie finden sich in den Innenstädten im Fußgängerzonenber-eich. Aufgrund ihrer hervorragenden Lage bieten sie oftmals den Produktfirmen lediglich ihre Verkaufsfläche zum Verkauf an. Bringt der Quadratmeter nicht den erhofften Ertrag, so werden Konsequenzen gezogen. Die Brettspiele stehen nach Verlagen geordnet in den Regalen. Dabei werden die Displays oftmals von einer Spielfirma zur Verfügung gestellt. Manchmal befindet sich eine Verkaufskraft im Brettspielbereich, die im Allgemeinen nur spärlich Informationen zu den Spielen geben kann. Man muss damit rechnen, dass die Verkaufskraft von einem Spielverlag und nicht von dem Kaufhaus eingestellt und somit angehalten ist, Spiele des Verlags zu verkaufen.Die Vedes-Fachgeschäfte befinden sich in den Groß- und Kleinstädten im Innenstadtbereich. Ihre Produktpalette umfasst Spielwaren, worunter sich im Allgemeinen eine gute Auswahl an Brettspielen befindet. Die Brettspiele nehmen einen eigenen Bereich des Geschäfts ein. Dort kann man sich mehr oder weniger gut beraten lassen.
Holzspielwarengeschäfte findet man in Städten zum Teil abseits der allgemeinen Einkaufsgebiete. Ihre Kundschaft ist meist ökologisch motiviert und möchte der gedankenlosen Vermarktung der Natur etwas entgegensetzen. Der Kreis derjenigen, die diese Produktform unterstützen wollen, ist so groß, dass Firmen wie Haba und Naef auf dieses Image setzen und damit auf die Verkaufsschienen von Toys R Us und den Innenstadtkaufhäusern verzichten. Vielfach ist aber in diesen Geschäften die Brettspielecke nur sehr klein oder nicht vorhanden. Eine Beratung findet ebenfalls nur mehr oder weniger gut statt.
Die Fantasy- und Rollenspielgeschäfte bedienen nur einen Teil der Brettspieler. Zudem gibt es dort Bücher aus dem Fantasy-Bereich, sowie Verkleidungsmaterialien. Die Existenz dieser Art Geschäfte erklärt sich aus dem eigenen, abgeschotteten Dasein, welches diese Spieler führen. Oftmals sind die Inhaber ebenfalls Freaks.
Fachgeschäfte für Brettspiele finden sich meist nur in den größeren Städten. Der Inhaber ist oftmals stark am Spiel interessiert und kennt fast alle Spiele, die sich auf dem Markt befinden. Über Spielkreise und Ladenbesuche finden sich Mitarbeiter, die auch über die Arbeitszeit hinaus am Spiel interessiert sind und die Spiele gut erklären können. So ist es dem Fachgeschäft möglich, fachlich gut ausgebildete Mitarbeiter zu bekommen.
„Das Spiel“ ist ein Fachgeschäft für Brettspiele. Es wurde 1977 von dem Inhaber Claus Voigt eröffnet. Das Spielefachgeschäft befindet sich in Hamburg-Harvestehude, einem zentralen Stadtteil, in der Nähe der Universität. Es ist darauf ausgerichtet, dem interessierten Kunden eine gute und ehrliche Beratung zu geben, damit dieser nach dem Kauf ein Spiel nach seinen Vorstellungen und Erwartungen mitnimmt. So gewinnt das Geschäft ein Profil, welches ich innerhalb der Woche im Vergleich zu anderen Geschäftsphilosophien und in seinem inneren Aufbau kennen gelernt habe. Der Geschäftsbereich sortiert sich in Regale mit Zwei-Personen-Spielen, Mehr-Personen-Spielen, Solitärspielen, Kinderspielen, Fantasy- und Rollenspielen und Spielebüchern. An der Kasse stehen die Fantasy-Sammelkartenspiele. Im Geschäft steht ein Tisch, auf dem Spiele ausgebreitet, erklärt und gespielt werden können. Hinter dem Geschäftsbereich befinden sich zwei Lagerräume und das Büro. Die Kundschaft war stark durch die Sammelkarten-Freaks bestimmt. Besonders nach Schulschluss gab es viele Schüler, die Karten kauften und das Geschäft zum Tauschen nutzten. Andere Kunden interessierten sich für edel aufgemachte, klassische Spiele. Sie hatten oftmals ein bestimmtes Spiel vor Augen und suchten nun eine ansprechende Version. Ein anderer Typ Kunde suchte nach neuen Spielen und ließ sich hier gerne beraten. Darunter gab es die „strategischen“ Spieler, die gerne regelintensive Spiele wie z.B. die 18 Hunderter Spiele spielen, und diejenigen, die nicht gerne strategisch spielen, sich aber bewusst für ein Spiel entscheiden wollten. Die Fantasy- und Rollenspieler beschränkten sich meist auf das für sie interessante Regal. Diejenigen Kunden, die nicht gerne spielen, aber ein Spiel als Geschenk brauchten, bildeten einen weiteren Kundentyp. Über Versand wurden nicht im Einzugsbereich wohnende Brettspielinteressierte versorgt.
Drei Magier Spiele-Verlag in Uehlfeld
Uehlfeld ist ein idyllisches Dorf irgendwo zwischen Nürnberg und Würzburg. Johann Rüttinger und seine Familie leben dort in einer alten Mühle. Der Drei Magier Verlag ist ein Familienunternehmen, dessen Hauptsitz die Mühle ist. In diesem traditionellen und ökologischen Sinne findet das Wirken der „Magier“ dort statt. Gleich am ersten Abend erzählte mir Hans (Johann) von seinem Vorhaben, ein Kartenspiel mit giftigen und ungiftigen Schlangen für seinen Verlag zu entwickeln. Über Nacht im Gasthof des Ortes habe ich mir dann ein Konzept überlegt.
Als ich am nächsten Morgen in den Verlag kam, kündigte ich an, dass ich gerne einen von mir erdachten Prototypen zum Giftschlangenspiel basteln würde. Ich hatte den Ehrgeiz, diesen bis zum Abend fertig zu stellen, damit wir ihn dann ausprobieren konnten. Am Abend spielten wir – Hans, Kathi und ich – das neu entstandene Spiel. Hans war gleich begeistert und wollte es sofort machen. Ich war noch etwas skeptisch und wollte erstmal alle möglichen Spieleranzahlen sowie Parameterverschiebungen ausprobieren. Konzentriert auf das Spiel verging die Woche wie im Fluge und jeden Abend hielten wir den Daumen auf die giftigen oder ungiftigen Schlangen. 1996 im Herbst haben Johann Rüttinger und ich das Spiel „Daumen drauf“ im Drei Magier Verlag veröffentlicht. Interessant war auch der Blick auf die grafische Arbeit im Verlag. Kathi arbeitete an einem Quizspiel, zu dem Grafiken und Texte gesetzt werden mussten.
Zudem war an mehreren Tagen der eng befreundeter Grafikerkollege Rolf Voigt im Verlag. Ich habe mich dort erstmalig mit dem Grafikprogramm Freehand vertraut gemacht und dessen Möglichkeiten – auch für Spielprototypen – schätzen gelernt.
Resümee
Das Spieleautorenstipendium ist eine tolle Möglichkeit, den Wunsch vom Spieleerfinden mit ganz verschiedenem Alltag zu versehen und somit der Realität des Spieleerfindens näher zu kommen. Die Entwicklung von Spielen ist immer noch sehr stark vom eigenen individuellen Engagement abhängig, bei dem der Autor am besten zum Alleskönner wird. Ich kann jedem Spieleautor dieses Stipendium empfehlen und ihn nur dazu auffordern, die damit verbundenen Möglichkeiten intensiv für sich zu nutzen. Mir haben die Praktikumsstationen sehr viel Spaß gemacht und die damit verbundene Erfahrung hat mich ein gutes Stück voran gebracht.
Jens-Peter Schliemann hat sich nach seinem Stipendium als Spieleautor professionalisiert. Seit 1998 kooperiert er dauerhaft in Spieleautorenteams mit Kirsten Becker , Michail Antonow und dem Team Annaberg. In den Jahren 2001-2003 war er im Team Annaberg redaktionell für den Verlag Winning Moves Deutschland tätig. Zu seinen bislang veröffentlichten Spielen gehören „Daumen drauf“ (Drei Magier Spiele), „Yu“ (Gamin), „Fire and Ice“ (Pin Toy/Weible), „Auf Zack“ (Drei Magier Spiele), „Pyramidos“ (Haba), „Karibik“ (Winning Moves) und „Piranha Pedro“ (Goldsieber).