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Barbarossa und die Rätselmeister

Barbarossa und die Rätselmeister

Wieder einmal ist es die Grafik, diesmal eine etwas arg hölzerne, die den spontanen Griff zu einem ganz hervorragenden Spiel verhindert. Und vielleicht auch das bei Brettspielen etwas ungewöhnliche Spielmaterial. Denn wird dennoch in den Karton hineinschaut, macht man ihn wahrscheinlich gleich wieder zu. Da liegen doch tatsächlich – neben anderem Spielzubehör – simple Knetstangen drin. Es scheint ganz klar: Hier hat sich der Verlag sehr wahrscheinlich mit der Altersangabe „ab zwölf Jahren“ vertan, das ist offensichtlich ein Spiel für die Kleinsten im Kindergarten. Ein Blick in die Spielregel, zu dem es oft gar nicht mehr kommt, zeigt, dass das gar nicht stimmt. BARBAROSSA ist vielmehr ein echtes Familienspiel, das Jung und Alt in durchaus gleicher Weise fordert, mit gleichen Spielchancen für alle.

Autor Klaus Teuber setzte sein Spiel in den Rahmen einer Legende, die dem Spiel auch den Namen gegeben hat. Barbarossa, der sagenumwobene Kaiser, hat sich, enttäuscht von dieser Welt, mitsamt seinem Gefolge in den Kyffhäuser Berg gezaubert. Dort hockt er nun schon seit Jahrhunderten und langweilt sich mächtig. Ab und zu hat er sich schon Menschen in sein unterirdisches Reich kommen lassen, die ihn mit Musik und Tanz aufheitern sollen. Nun aber, vielleicht im Zuge der allgemeinen Quizwelle, sucht er Zerstreuung auf den Höhen klug ersonnener Rätselkunst. Er lädt alle Spielerinnen und Spieler in sein Reich ein zu einem großen Rätselwettbewerb: „Wer die schönsten Rätsel erschafft, sie nicht zu schwierig und nicht zu einfach gestaltet, wer zudem die Rätsel der anderen zu lösen vermag, den werde ich Meister nennen.“

Jeder Spieler erhält zu Beginn neben der Knetmasse in seiner Farbe so einiges. Zunächst stellt er den Zauberer auf den inneren „Weg der Höhlen“, den Zauberhut auf die „Treppe der Rätsel“, den Zählstein auf das Feld zwölf der „Skala der Elfensteine“ und legt die „Fluch-Steine“ griffbereit neben sich. Und nun ist die Knetmasse dran. Sie spielt eine zentrale Rolle in diesem Spiel. Am Ende der Spielregel befindet sich eine Tabelle mit einer Vielzahl von Begriffen: Gegenstände, Lebewesen, Tiere und Pflanzen und natürlich auch Teile derselben. Jeder Spieler sucht sich hier zwei (bei drei Spielern: drei) Begriffe heraus, notiert sie auf einem Zettel und macht sich an die Arbeit. Nun gilt es nämlich, diese Begriffe kunstvoll zu modellieren. Nicht zu leicht erkennbar, aber auch nicht zu schwierig, denn beides wirft den Spieler nachher auf der „Treppe der Rätsel“ zurück. Die so entstandenen Kompositionen werden schließlich allesamt in der Spielfeldmitte deponiert.

Wer an der Reihe ist, bewegt nun seinen Zauberer auf dem inneren „Weg der Höhlen“. Er kann dazu würfeln, er kann aber auch, um kein Risikio einzugehen, „Elfensteine“ verbrauchen. Die sind allerdings nur begrenzt verfügbar, und es ist zeitraubend, in den „Elfenhöhlen“ neue zu gewinnen. Wehe aber dem, der auf ein „Drachenfeld“ oder gar auf ein „Geisterfeld“ gerät. Es kostet in viel Zeit, die Bewohner dort wieder zu besänftigen. Derweil rücken alle Mitspieler auf der „Rätseltreppe“ ein Feld bzw. zwei Felder vor. Besser ist es da schon, das „Zwergenfeld“ aufzusuchen. Wer dort ankommt, darf auf eines der obskuren Gebilde in der Spielfeldmitte deuten und dessen Schöpfer nach einem Buchstaben des dargestellten Begriffs fragen. Noch günstiger sind die beiden „Rätselfelder“. Wer hier ankommt, darf nun in zwei Fragerunden wichtige Informationen zu den einzelnen Gebilden sammeln. In der ersten Runde können nur Fragen gestellt werden. Sie ist zu Ende, wenn auf eine Frage mit „Nein“ geantwortet wurde. In der zweiten Runde kann der Frager sowohl Fragen als auch Lösungsversuche machen. Ein „Nein“ oder ein Lösungsversuch, ob gelungen oder nicht, beendet auch diese Runde.

Übrigens wird hier laut gefragt und geantwortet. Alle hören also mit und bekommen die gleichen Informationen. Es macht einen großen Teil des Reizes dieses Spieles aus, dass man eigentlich immer in das Geschehen miteinbezogen ist. Man hört zu, man grübelt über die Rätsel nach, man überlegt seine weitere Taktik. Und man kann sich sogar mit einem seiner „Fluch-Steine“ unmittelbar ins Rategeschehen einschalten, auch wenn man gar nicht an der Reihe ist. Ein „Fluch-Stein“ unterbricht das Spiel. Wer ihn einsetzt, darf wie beim „Zwergenfeld“ nach einem beliebigen Buchstaben eines beliebigen Rätsels fragen oder sogar einen Lösungsversuch starten. Allerdings sollte man mit seinen „Fluch-Steinen“ sorgsam umgehen, man hat nur drei davon und kann während des Spieles auch keine neuen mehr erwerben.

Wer also glaubt, eines der kunstvoll in Knete gearbeiteten Rätsel gelöst zu haben, schreibt den Begriff verdeckt nieder und hält ihn dem Modelleur unter die Nase. Bei einem „Nein“ geht das Spiel an den nächsten Spieler weiter, bei einem „Ja“ rückt der erfolgreiche Rätsellöser mit seinem Zauberhut auf der „Rätseltreppe“ vor. Und zwar um fünf Felder, wenn er das Rätsel als Erster gelöst hat. Hat er das Rätsel als Zweiter gelöst, sind es lediglich drei Stufen. Jedes Rätsel darf nur zweimal gelöst werden. Zur Kontrolle wird nach jeder Lösung ein kleiner Spieß hineingesteckt. Gewinner des Spiels und damit großer Rätselmeister ist, wer als Erster auf der äußeren „Treppe der Rätsel“ das Ziel erreicht oder nach der Lösung des 13. Rätsels vorne liegt.

Über der Spielidee schweben natürlich uralte Ratespiel-Traditionen. Aber Klaus Teuber gibt dem allen mit den aus Knete zu modellierenden Rateaufgaben und mit der durchaus gelungenen Verknüpfung mit einem Brettspiel einen ganz neuen, ganz eigenen Reiz. Kaum ein anderes Spiel bringt soviel Freude am gemeinsamen Rätselspaß, soviel Miteinander-Reden, Miteinander-Knobeln und Rätseln, soviel gemeinsames Spiel. BARBAROSSA UND DIE RÄTSELMEISTER war die Spielüberraschung des Jahres 1988.