Das Glück, das ist ein flüchtiges Ding. Es lässt sich kaum fassen; zu schnell entgleitet es einem, wenn man danach giert. Das Glück bei „Hans im Glück“ ist, sagt die Tochter, „dass man es so schnell gewinnen kann“. Und sie meint das keinesfalls philosophisch, sondern ganz pragmatisch: Dieses kleine, feine Kinderspiel von Peter Wichmann (erschienen bei Haba) ist ein Ausbund an Prägnanz, an jener Kürze, in der bekanntlich die Würze liegt, an maximaler Reduktion – ganz so, wie es sich für den namensgebenden Meister des Minimalismus gehört.
Wir erinnern uns: an das Märchen von Hans, der nach sieben Jahren Dienst mit seinem Lohn, einem Goldklumpen, zu seiner Mutter aufbricht. Und der auf dem langen Weg durch einen Tauschhandel nach dem nächsten von allen Lasten erleichtert wird. Das schwere Gold tauscht er gegen ein Pferd, das gegen eine Kuh, die gegen eine Gans und diese schließlich gegen einen Wetzstein, der am Ende – so ein Glück aber auch – in einen Brunnen plumpst.
Kuh und Stein lässt Wichmann vermutlich aus dramaturgischen Gründen weg. Dem glücklichen Gewinner winkt als Zeichen ein vierblättriges Kleeblatt aus Holz. Gold, Pferd, Schwein und Gans aber gibt es, als Pappscheiben. Und der Tauschhandel wird über einen einfachen Würfelmechanismus abgewickelt. Ein roter Würfel besagt, wie viele Scheiben einer Sorte man hergeben muss, ein blauer, wie viele man dafür von der nächstbesseren Sorte bekommt. Nur sind die Augenzahlen höchst ungleich verteilt. Der beste Tauschkurs beträgt 2:3, der ungünstigste 5:1.
Nicht nur Glück im Spiel
Alle Spieler*innen starten mit sechs Goldklumpen-Plättchen. Wer dran ist, würfelt und tauscht. Oder aber verzichtet auf den Tausch und nimmt zwei Goldklumpen aus dem Vorrat; manchmal bleibt einem auch nichts Anderes übrig. Wer seine Gänse ins Kleeblatt tauschen kann, gewinnt und darf sich glücklich schätzen.
Denn hier ist wirklich ganz viel Glück im Spiel (nämlich auch im Sinne des Zufalls) – aber eben nicht nur. Wie gut oder schlecht so ein Tauschkurs ist, hängt von vielen Faktoren ab: dem bisherigen Spielgeschehen zum Beispiel, dem eigenen Vorrat an den verschiedenen Plättchen, der Auslage der Konkurrenz…
Kinder bekommen sehr schnell ein Gespür dafür, dass manches Wagnis im Zweifel doch nur Gier ist. Man kann sich schrecklich schnell verzocken, wenn man zu nassforsch tauscht. Die Grenzen zwischen „Hurra!!!“ und „Gemein!!!“ sind fließend. Dem Spaß macht das keinen Abbruch; in dieser Hinsicht ist „Hans im Glück“ ein wenig das „L.a.m.a.“ dieses Kinderspiel-Jahrgangs – welches sich, aber das nur nebenher, auch schon gut mit Sechsjährigen spielen lässt. Der Unterschied: Bei „L.a.m.a.“ kann (und muss) man sich mitunter heftig über die Mitspielenden ärgern. Bei „Hans im Glück“ kann man sich nur selber reinreiten. Oder es auf die Würfel schieben. Das macht es ein bisschen weniger frustrierend.
Es lässt sich übrigens auch gut mit mehr als den empfohlenen zwei bis vier Personen spielen. Ab sechs Spielenden werden allerdings manchmal die Plättchen knapp. Egal: Wo ein Wille ist, findet sich auch das Glück.
Denn Glück und Unglück, das ist eine Sache der Haltung, lehrt das Märchen, lehrt auch dieses Spiel. Es lässt sich auch wunderbar noch einmal kurz morgens vor dem Schulweg einschieben – und erfüllte diesen Zweck in diesem Spielerhaushalt die vergangenen Monate so oft wie kein anderes Spiel. Weil es sich eben so schnell gewinnen lässt. Und wenn man verliert? „Dann spielt man es einfach noch einmal“, sagt die Tochter, während der Vater noch einmal über das Märchen sinniert.
„So glücklich wie ich gibt es keinen Menschen unter der Sonne“, jubiliert dort gegen Ende Hans, aller materiellen Sorgen befreit. Und auch der Vater träumt sorglos, sieht vor dem geistigen Auge die Tochter, wie sie „mit leichtem Herzen und frei von aller Last“ Richtung Schule springt. Und wenn er nicht gestorben ist, träumt er das noch heute.
Stefan Gohlisch
Mehr über „Hans im Glück“ gibt es hier.