Christoph Schlewinski steht in einem durch Fackeln spärlich erhellten, mittelalterlichen Kellerraum mit einer geschlossenen und einer offenen Tür. Neben ihm steht eine pummelige Frau mit einem schwarzen Kessel an ihrer Seite. Schlewinski wendet sich dem Leser zu.
Christoph Schlewinski (CS): Hallo und herzlich Willkommen hier, live aus dem Spiel „Magic School“ von Jonathan Favre-Godal, erschienen bei Djeco, für 1 bis 6 Spieler ab fünf Jahren und eines der Spiele auf der Empfehlungsliste der Jury Kinderspiel des Jahres. Neben mir begrüße ich eine Figur aus diesem Spiel: Die dicke Frau mit dem Kessel. Hallo!
CS wendet sich enthusiastisch an die Frau. Sie ist pikiert.
Frau: Kleinschmitz-Hackenbrücher.
CS: …was?
Frau: Mein Name ist nicht „Die dicke Frau mit dem Kessel“. Ich bin Frau Kleinschmitz-Hackenbrücher.
CS: (leicht stotternd) Muss-muss ich das jetzt immer zu Ihnen sagen?
KS-HB: (streng) Ich bitte darum.
CS: (eingeschüchtert) Gut, dann, also nochmal: Neben mir begrüße ich eine Figur aus diesem Spiel….
Er hat den Namen vergessen und sieht sie hilflos an.
KS-HB: (leicht gereizt) Kleinschmitz-Hackenbrücher
CS: (schnell, nervös) Frau Kleinschmitz-Hackenbrücher. Danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben. Können Sie uns einen kurzen Überblick geben, worum es in „Magic School“ geht?
KS-HB: (kühl) Gerne. Jeder deckt nacheinander eine Karte auf und legt sie aus. Jede Karte zeigt entweder einen Gegenstand oder eine Person, die diesen Gegenstand benutzt. Normalerweise zeigt man jedem die Karte und legt sie dann verdeckt hin, immer vier Karten in einer Reihe. Aber sollte beispielsweise mein Kessel dort schon verdeckt liegen und dann werde ich mit meinem Kessel aufgedeckt, müssen sich alle daran erinnern, wo der Kessel liegt. Und die Karte offen darüberlegen. Aber nicht nachgucken. Das kommt erst, wenn wir 4 mal 4 Pärchen liegen haben. Pro richtigem Pärchen gibt’s einen Punkt.
CS: Das Spiel ist also kooperativ?
KS-HB: Haben Sie das etwa nicht gespielt?
CS: Doch, doch, habe ich.
KS-HB: Wieso fragen Sie dann so etwas Schwachsinniges?
CS: Ich frage das ja nicht für mich, ich frage das für die Leser, die das Spiel noch nicht kennen.
CS zeigt in Richtung des Lesers. Kleinschmitz-Hackenbrücher folgt seinem Blick, sieht den Leser lesen und lächelt ertappt.
KS-HB: Ach ja, natürlich.
Kurze Stille.
CS: Und?
KS-HB: Und was?
CS: Ist das Spiel kooperativ?
KS-HB: Ach so… ja. Kooperativ.
CS: Es gibt ja eine Vielzahl sehr schön illustrierter Figurenkarten in diesem Spiel. Die Fee mit dem Zauberstab…
KS-HB: (leise) Frau Gerling…
CS: (unbeirrt) … der kleine Junge mit der Spinne im Glas…
KS-HB (leise) Bertram…
CS: (unbeirrt) … und der Zauberer mit dem Totenkopfbuch…
KS-HB: (leise) Professor Wollebrink.
CS: (leicht genervt) Können Sie mal aufhören damit?
KS-HB: (ebenso zurück) Wenn SIE Ihren Job nicht richtig machen…
CS: Mir hat NIEMAND gesagt, dass Sie alle Namen haben.
KS-HB: Natürlich haben wir alle Namen. Wir sind ja nicht im Mittelalter.
CS schaut sich irritiert im mittelalterlichen Kellerraum um.
CS: Aber…
KS-HB: Das hier ist mittelalter-LICH. Wegen der Atmosphäre. Oder hätten Sie das Interview gerne in einer dieser Coffee-to-Go-Ketten geführt?
CS: Nein, nein…
KS-HB: Sehen Sie.
Kurze Stille.
CS: Jetzt hab ich die Frage vergessen…
KS-HB: Vielleicht sollten wir das hier dann auch gut sein lassen…
CS: Nein, sie fällt mir noch ein…
Kurze Stille. Kleinschmitz-Hackenbrücher mustert Schlewinski von oben bis unten. Der gerät sichtlich ins Schwitzen.
KS-HB: Sie sollten mehr Sport machen.
Schlewinski wischt sich schnell den verräterischen Schweiß von der Stirn.
CS: Würde ich ja, aber seit dem Lockdown bin ich im Home-Office und da komme ich manchmal tagelang nicht aus meiner…
Der Kellerraum vibriert leicht.
CS: Was war das denn?
KS-HB: Die Tür vom Spieleschrank wurde soeben geöffnet. Es besteht also die Chance, dass dieses Spiel gleich gespielt wird.
CS: Und dann?
KS-HB: Dann sollten Sie besser verschwunden sein. Weil Sie sonst ebenfalls im Spiel sind. Und mit einer Karte mehr geht das nicht auf. 4 mal 4 Pärchen macht 32 Karten… und nicht 33.
CS: Also bräuchte ich noch einen Gegenstand. Wie wäre es mit meinem Mikro?
KS-HB: Welches Mikro? Das ist ein TEXT-Interview. Das wird GELESEN…
Sie schaut zum Leser und Schlewinski folgt ertappt ihrem Blick. Der Kellerraum wird jetzt von einem starken Ruck erschüttert.
KS-HB: Na bitte, da haben wir es. Jetzt wurde dieses Spiel ausgesucht. Können Sie sich endlich an Ihre Frage erinnern?
Schlewinski denkt angestrengt nach, während der Kellerraum weiter erdbebenartig erschüttert wird.
CS: Ist das immer so heftig, wenn das Spiel gespielt wird?
KS-HB: Man gewöhnt sich dran. Also, Ihre Frage!
CS: Ähm… ÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄHM…. Moment… gleich hab ichs… ja! Genau! Wie wurde die Nachricht im Spiel aufgenommen, dass „Magic School“ auf der Empfehlungsliste vom Kinderspiel des Jahres erschienen ist?
KS-HB: Wir haben uns natürlich alle riesig gefreut. Es landen ja nur wenige Spiele auf der Empfehlungsliste. Und dann eines davon zu sein, bei den ganzen Neuheiten jedes Jahr… da waren wir schon stolz.
Es gibt einen derben Ruckler, dann ist der Raum wieder ruhig.
CS: Was war das jetzt?
KS-HB: Jetzt liegt die Packung auf dem Tisch und gleich werden die Karten gemischt. Ich muss nun zu meinen Kollegen. Da ist der Ausgang (sie zeigt auf die geschlossene Tür), schönen Tag noch.
Schlewinski will zu etwas ansetzen, aber Kleinschmitz-Hackenbrücher ignoriert ihn, schnappt sich ihren Kessel und geht damit in Richtung der offenstehenden Tür. Schlewinski wendet sich wieder bemüht professionell an den Leser.
CS: Damit verabschiede ich mich aus dem Spiel „Magic School“, bedanke mich bei meiner Interviewpartnerin…
Kleinschmitz-Hackenbrücher Stimme ist aus der offenen Tür zu hören.
KS-HB: He, Wollebrink! WOLLEBRINK! Das MUSS ich Ihnen erzählen. Die haben da so einen Vollidioten für das Interview geschickt…. So etwas habe ich noch nicht erlebt.
Schlewinskis Lächeln gefriert.
CS: … und gebe zurück zum nächsten Artikel.
Christoph Schlewinski
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