Search
Search Menu

Das erste Jahr in der Jury

Ein gutes Jahr ist es jetzt her: Unmittelbar vor der Verleihung des Spiel des Jahrs 2018 fragt mich Harald Schrapers sinngemäß: „Julia, willst du gerne Jurymitglied werden?“ Für mich stand die Antwort sofort fest: Ja! Doch was bedeutet es eigentlich Jurymitglied zu sein? Welche Aufgaben und Pflichten kommen auf einen zu? Wie viel Arbeit steckt dahinter? Das alles sollte ich nun im Jahrgang 2018/19 erfahren.

(Ein)Blick hinter die Kulissen

Nach mehr als 365 Tagen in der Jury kann ich die Frage nach der Arbeit klar beantworten: Es ist fast ein zweiter Vollzeitjob. Ich habe mehr als 300 Spiele gespielt. Und diese nicht nur einmal. Das bedeutet fast jeden Tag mit Verlagen in Kontakt zu treten, fast jeden Tag Spiele auszupöppeln, fast jeden Tag Anleitungen zu lesen, fast jeden Tag zu spielen. Zugegeben, das letztere macht natürlich in der Regel am meisten Spaß. Und dann berichte ich natürlich noch über die Erfahrungen, die ich mit diesen Spielen gemacht habe. Nicht nur in Videoform, sondern auch intern mit den Jurykolleg*innen. Kommunikation innerhalb der Jury wird groß geschrieben, damit wir das ganze Jahr lang den Überblick behalten, welche Spiele auf den Markt gekommen sind, wie diese bei den verschiedensten Testrunden ankamen und welche Spiele gerade Favoriten sind. Ich halte meine Meinungen im internen Jury-Forum fest und pflege regelmäßig meine Topliste.

Spiele

Juryarbeit: Fast jeden Tag auspöppeln, Anleitungen lesen und spielen

Die Jury kommuniziert aber nicht nur online. Wir treffen uns mehrfach das ganze Jahr über. Auf der SPIEL in Essen startet der Jahrgang so richtig durch, dort treffen wir uns zur ersten Vollversammlung und veranstalten den „Spiel des Jahres“-Spieleabend. Jede Menge Neuheiten prasseln auf einen ein. Im Januar nutzen wir ein ganzes Wochenende zum Jurytreff, um gemeinsam die aktuellen Titel zu spielen. Dann kommt schon die Spielwarenmesse in Nürnberg – wieder mit Vollversammlung und einigen Abendveranstaltungen.

Zum Mai hin wird es dann richtig spannend. Ich muss die erste Entscheidung mittragen: Welche Spiele empfehlen und welche nominieren wir? Ein langes und anstrengendes Wochenende mit vielen Diskussionen steht an. Ein kompletter Tag wird genutzt, um die Spiele zu besprechen. Nachdem wir eine Nacht drüber geschlafen haben, geht es weiter. Die Entscheidung machen wir uns auf keinen Fall leicht. Nach vielen Stunden stehen unsere Listen. Noch am selben Wochenende gibt es eine weitere Vollversammlung und den Videodreh, bei dem die schönen Videos über die nominierten Spiele entstehen. Dann noch ein Fotoshooting für Gruppen- und Einzelfotos: Bitte lächeln! Ein erfolgreiches Wochenende ist geschafft.

Zum Durchatmen bleibt nicht viel Zeit, bereits im Juni wird das Kinderspiel des Jahres in Hamburg verliehen, in diesem Jahr verbunden mit dem Tag der Brettspielkritik.

Preisverleihung

Juli: Berlin ruft zum Höhepunkt des Jahres: Die Verleihung des Spiel des Jahres und Kennerspiel des Jahres. Gefühlt ist niemand aufgeregter als ich – wobei wohl ziemlich jeder Anwesende aufgeregt sein muss. Doch bevor das Tuch gelupft werden kann, sitzen wir wieder bei einer Vollversammlung zusammen. Denn wir wählen jetzt das Spiel des Jahres und das Kennerspiel des Jahres. Ich muss wählen! Und meine Stimme kann darüber entscheiden, ob ein Spiel gewinnt oder nicht. Ob ein Autor und ein Verlag ins Rampenlicht kommen, die Spiele national und international einen Boom erleben. Was für eine Verantwortung! Ich fange an, mich zu hinterfragen. Hab ich wirklich alles gut getestet? Hab ich irgendwas übersehen? Aber ich bin Gott sei Dank nicht alleine damit. Neun anderen Menschen am Tisch geht es genauso. Die Wahl ist geheim. Auch wir wissen bis zur Bekanntgabe auf der Bühne nicht, welche Titel es geschafft haben.

Preisverleihung

In der ersten Reihe: Preisverleihung in Berlin

In Berlin vergeht die Zeit rasend, und auf einmal fallen die Tücher: Applaus und Jubel, Freude und Luftsprünge – all das passiert in Sekunden und zeigt mir, dass sich die harte Arbeit das ganze Jahr über gelohnt hat. Es kann nie allen recht gemacht werden und jedes Jahr gibt es auch kritische Stimmen über die Gewinnerspiele. Aber es ist schön zu wissen, dass der Kritikerpreis „Spiel des Jahres“ in den letzten 40 Jahren nicht an Bedeutung verloren hat und die ganze Spieleszene über ihn diskutiert.

Just One

Julia Zerlik spielt mit dem Jury-Vorsitzenden Harald Schrapers, Spieleautor Bruno Sautter, Kulturstaatsministerin Monika Grütters und Jury-Geschäftsführer Guido Heinecke eine Partie Just One

Oft werde ich gefragt, warum ich mir diese ganze Arbeit freiwillig und ehrenamtlich antue. Die Antwort ist ganz klar: Spielen ist ein wundervolles und menschenverbindendes Hobby. Habe ich manchmal keine Lust mehr so viel zu spielen? Nein! Ich bin auch nach einem so intensiven Spielejahr immer noch Feuer und Flamme und bin auf die kommenden Neuheiten gespannt. Die Verlage sind 2019 früh dran, der Jahrgang hat bereits gestartet, die Regale sind schon wieder gut gefüllt: Lasst die Spiele beginnen!

Julia Zerlik