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Duisburg: 100-mal Toleranz

Dass die hundertste Veranstaltung der Initiative „Spielend für Toleranz“ in Duisburg-Marxloh stattfindet, ist selbstverständlich Zufall. Aber ein Zufall mit Symbolcharakter. Denn der Stadtteil ist in den letzten Jahren hauptsächlich durch negative Schlagzeilen aufgefallen. Er verwahrlose, er versinke im Chaos, er sei angeblich eine „No-Go-Area“, so trompetete es, vereinfachend und schlagzeilenwirksam, durch manche Medien.

Fest steht: Marxloh hat Probleme mit dem Strukturwandel, wie es ihn überall in der Region gibt. Das langsame Wegbrechen der Stahl- und Montanindustrie seit den 70er Jahren sorgte für eine hohe Arbeitslosigkeit in dem Viertel, die besser situierten Bewohner zogen weg, die Mieten und die Wohnungen verfielen, was die Gegend wiederum für sozial schwache Menschen attraktiver machte, darunter auch für Geflüchtete und Zuwanderer – in den letzten Jahren hauptsächlich aus Rumänien und Bulgarien. Viele Sprachen, wenig Geld, soziale Probleme, prekäre Lebensverhältnisse, Arbeitslosigkeit, Flucht: Das alles, sagt der Schulleiter der Herbert-Grillo-Gesamtschule, Thomas Zander, spiegele sich selbstverständlich auch im Schulalltag. Die Schule ist benannt nach dem Urenkel des Firmengründers des Metall- und Chemieunternehmens „Grillo Werke AG“, deren Gebäude nach wie vor den Stadtteil dominieren. Fast alle Schülerinnen und Schüler haben einen Migrationshintergrund.

Spielenachmittag in der Herbert-Grillo-Gesamtschule

Hilfreiche Spiele

Gut 20 Gäste sind an diesem Samstagnachmittag zur „Spielend für Toleranz“-Veranstaltung in den Pausen- und Betreuungsraum der Schule gekommen. Hier können die Schüler und Schülerinnen Frühstück bekommen, aber auch bleiben, wenn sie nach der Schule noch nicht nach Hause gehen können oder wollen. „Hier wird auch im Schulalltag viel gespielt“, erzählt Zander. 2019 hätten einige Klassen auch die Duisburger Spielemesse „Spiel doch!“ besucht. „Wir haben hier viele Schüler, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind. Da sind Spiele hilfreich.“
Hilfreich findet Spiele auch der örtliche Landtagsabgeordnete Frank Börner (SPD), der mit seinem Sohn zum Spielenachmittag vorbeischaut: „Beim Spielen lernt man zwanglos fremde Menschen und ihren Charakter kennen“, sagt er und setzt sich zu einer Partie „Icecool“ an einen der hellen Holztische.

„Krasse Kacke“ – ein rasantes Kartenspiel begeistert die Schülerinnen und Schüler

Beim Spielen lernen

Seit gut einem Jahr gibt es die von drei Spiel-des-Jahres-Jurymitgliedern angestoßene Initiative „Spielend für Toleranz“, deren Ziel es ist, Werte wie Fairness, Respekt und Gleichheit im Kleinen am Spieltisch zu zeigen – und damit im großen Ganzen in der Gesellschaft zu fördern. Hierfür können Spieletreffs und -kreise, Schulen, Journalisten und Blogger ein umfangreiches Servicepaket mit aktuellen Spielen beantragen, für die meist keine tieferen Deutschkenntnisse erforderlich sind – Spiele möglichst barrierefrei, sozusagen. „Ich bin hier“, sagt Börner, „weil ich die Initiative toll finde.“
Dass innerhalb eines Jahres 100 dieser selbst organisierten und dezentralen Veranstaltungen stattfinden konnten und sich gut 150 Supporter für die Initiative gefunden haben kann dabei sicherlich als Erfolg gewertet werden – aber auch als Zeichen, dass solche Initiativen nötig sind, dass es nötig und wichtig ist, Zeichen für Toleranz zu setzen. Und spielerisch daran zu arbeiten. „Die Schüler lernen sehr viel beim Spielen“, sagt Zander, „soziales Miteinander, Mathematik, logisches Denken oder Sprache.“
Sozialarbeiterin Sabine Jonberg freut sich, dass das vom Verein Spiel des Jahres gestiftete Spielepaket künftig im Ganztagsangebot der Schule verbleibt. Sie und einige der Schülerinnen und Schüler haben an dem Nachmittag die Spiele und deren Regeln kennenlernen können. „Damit ist sichergestellt, dass die Spiele ab Montag regelmäßig auf den Tisch kommen“, sagt Harald Schrapers, Vorsitzender der Spiel-des-Jahres-Jury, der Ragadi, Melinda und Ömer zeigt, wie „Memoarrr“ gespielt wird.

Frank Börner MdL (hinten links) bei „Looping Louie“

Ein kleines Stück bessere Welt

Und während Landtagsabgeordneter und Sozialarbeiterin über „Looping Louie“ ins Gespräch kommen, die älteren über „Qwirkle“ schwitzen und hin und wieder aus dem Hintergrund ein distinktes „Klask!“ zu hören ist, entpuppen sich bei den anwesenden Schülerinnen und Schülern vor allem „Krasse Kacke“ und „Concept Kids Tiere“ als Dauerbrenner. Kurz: Während der Spielenachmittag sich langsam seinem Ende zuneigt und es dunkel wird über Marxloh, ist viel warmes Licht und Gelächter in den Räumen der Herbert-Grillo-Gesamtschule, viel Spaß und selbstverständlich: Viel Spiel. Ein kleines Stück bessere Welt – zum einhundertsten Mal.

Jan Fischer