Als Architekten der sieben Weltwunder gehen wir im Geiste unsere Liste mit Besorgungen durch. Vorfreudig: Hm, mal überlegen, Stein wird gebraucht … jede Menge Stein … ja, richtig übertrieben viel Stein! Während wir dann die opulente Schachtel von „7 Wonders Architects“ (Antoine Bauza bei Repos Production) öffnen, wähnen wir uns schon an legendären Bauplätzen wie Babylon oder Halikarnassos … und werden jäh aus unseren Träumen gerissen. Die Schachtel enthält: Plastik. Jede Menge Plastik. Ja, richtig übertrieben viel Plastik!
Klar, wer spielt, kennt Plastik. Wer spielt, verursacht Plastik. Als Schutzfolie ummantelt es den Karton, es umhüllt Karten und Komponenten. „7 Wonders Architects“ aber packt noch was drauf: Uns erwarten acht große Kunststoffboxen mit Deckel, sieben davon mit extra Plastik-Kartenfach. Ohne all das könnte man die Schachtel locker um die Hälfte verkleinern. Allerdings: Ohne all das könnte man vor der Partie locker zehn Minuten sortieren. So genügt ein Griff: du nimmst die Babylon-Box, ich die Halikarnassos-Hülle.
Je länger man es durchdenkt: Das ist wirklich gut durchdacht. Sieben Personen könnten bei „7 Wonders Architects“ mitspielen, aber meistens spielen ja doch nicht sieben. So bleiben fast immer Komponenten außen vor. Welche? Die Verteilung der Boxen regelt das automatisch. Und wer noch mal schnell die Spezialregeln seines Weltwunders erfahren will: Die stehen auf dem jeweiligen Deckel.
Das Losspielen in „7 Wonders Architects“ muss auch deshalb sehr schnell gehen, weil das Spiel selbst sehr schnell geht. Und wieder bricht „7 Wonders Architects“ mit den Erwartungen. Atemberaubende Tempel, Pyramiden oder Leuchttürme errichten: Das muss doch lange dauern, denkt man. Aber denkste! Jeweils zwischen zwei Spielern, zwischenmenschlich sozusagen, liegen Stapel mit offenen Karten, dazu ein verdeckter in der Mitte. Bin ich am Zug, ziehe ich von einem der Stapel neben mir oder auf gut Glück vom Gemeinschaftsstoß. So sammle ich die nötigen Rohstoffe, um die nächste Stufe meines Weltwunders zu errichten. Mit jedem Baufortschritt gewinne ich Punkte, manchmal gewinne ich noch eine Bonusaktion.
Neben Ressourcen finden sich weitere Kartensorten in den Stapeln, auch hier lohnt sich das Sammeln: Mit Wissenschaftssymbolen erwerbe ich dauerhafte Spielfortschritte, um mich technologisch von meinen barbarischen Nachbarn abzuheben. Die ihren Neid wiederum mit Militärkarten ausleben könnten. Wiederholt kommt es zu Stärkevergleichen. Dabei die Nachbarn zu übertreffen, ist eine weitere Punktequelle.All das erinnert stark an „7 Wonders“, das Kennerspiel des Jahres 2011 und mittlerweile ein moderner Klassiker. Der „Architects“-Ableger hat dasselbe Thema, denselben Autor, denselben Verlag. Und natürlich soll es auch an „7 Wonders“ erinnern, deshalb ja fast derselbe Name. Nur: Es soll schneller und einfacher sein als das Original. Was auch bestens gelingt.
Nicht mal zu siebt zieht sich das Geschehen in die Länge: Karte links nehmen? Karte rechts nehmen? Weder noch? Das ist überschaubar, niemand muss das zergrübeln. Das Ziel ist jederzeit klar und ergibt sich aus dem Thema: Ich will bauen, schneller als die anderen. Glück hilft sehr, vor allem beim Griff vom verdeckten Stapel, der Erhofftes, aber auch Entnervendes ausspucken kann. Und doch: Trivial ist es nicht.
„7 Wonders Architects“ initiiert Interaktion. Ziehe ich vom zwischenmenschlichen Stapel, schaufle ich meinem Nachbarn damit womöglich eine attraktive Karte frei, die er nun nehmen könnte. Rühren wir aber beide den Stapel nie an, blockieren wir uns gegenseitig. Soll ich ordentlich aufrüsten, damit meine Nachbarn es wegen Aussichtslosigkeit gar nicht erst versuchen? Und welchem von beiden, wenn es denn schon sein muss, kann ich am ehesten mal was gönnen? „7 Wonders Architects“ erfordert Timing und Überblick: Nicht jede wissenschaftliche Errungenschaft lohnt sich und schon gar nicht zu jeder Zeit. Und erst recht nicht lohnt sich jeder Konflikt. Seien wir doch mal ein bisschen nett zu unseren Nachbarn. Seien wir zwischenmenschlich.
Udo Bartsch