Die Geisterwelt müssen wir nicht verstehen. Deswegen hinterfragen wir auch nicht, warum in diesen Sphären plötzlich ein Schnellrate-Wettbewerb ausgerufen wird: Zwei Teams treten gegeneinander an und wollen schneller als das andere einen gesuchten Begriff finden. Dabei besteht ein Team jeweils aus einem Geist und einer beliebigen Anzahl an Medien. Allerdings wäre es langweilig, wenn die jeweiligen Geister ihrem Team direkt mitteilen würden, was für ein Objekt gesucht wird. So eine Geist-Medium-Verbindung ist schließlich kompliziert und außerdem wollen wir doch etwas zusammen erleben.
Wie kompliziert der Kontakt mit den Geistwesen ist, das zeigt sich an der nachfolgenden Prozedur: Die einzelnen Teams können lediglich über Fragekarten mit dem Geist kommunizieren. Sieben Fragekarten stehen den Teams dabei immer zur Verfügung und zwei davon schieben sie an den Geist weiter. Er prüft diese Eingabe und sucht sich dann eine Frage aus, die er beantworten will. Der Auswahlprozess kann ein wenig dauern, denn die Fragen nach dem gesuchten Objekt sind genauso außergewöhnlich wie das thematische Umfeld von „Ghost Writer“ (von Mary Flanagan, Max Seidmann, erschienen bei Pegasus Spiele): Mit welchem Getränk verbindest du es am ehesten? Was macht man damit, wenn man nur die Hälfte davon hat? In welchem Behälter würdest du es aufbewahren? Da fällt die Antwort nicht immer leicht – insbesondere, wenn das gesuchte Objekt beispielsweise eine Laubsäge ist.
Nach diesem Auswahlprozess kommen nun wieder die Besonderheiten der Geisterwelt zum Vorschein. Dabei wird auf unsere esoterischen Grundkenntnisse zurückgegriffen. Haben wir nicht alle schon einmal in irgendwelchen Filmen Szenen einer Geisterbeschwörung gesehen, in denen Menschen vor einem Brett mit Buchstaben sitzen und dort auf übernatürliche Art und Weise auf einmal Worte gebildet werden? So in etwa müssen wir uns nun die folgende Geisterkommunikation vorstellen. Allerdings wird dazu kein Hexenbrett, Seelenschreiber oder Ouija genutzt, sondern der Geist schreibt Buchstabe für Buchstabe seine Antwort auf die Frage. Bleiben wir bei dem Beispiel der Laubsäge. Auf die Frage, aus welchem Material das gesuchte Objekt besteht, könnte nun folgende Antwort aus Geisterhand auf dem beiliegendem Rateblock erscheinen: „M – E – T – A…“ Spätestens jetzt würde ein „Silencio!“ aus dem Kreis der Medien erschallen. Warum? Weil gar nicht gewollt ist, dass die Antwort vollständig erscheint. Denn auch das gegnerische Team liest mit und kann sich darüber vielleicht nicht nur die Antwort, sondern vor allem auch die unbekannte Frage denken. Und beides führt vielleicht dazu, dass schneller das gesuchte Objekt gefunden wird. Vielleicht hätte deswegen auch schon nach dem „M – E…“ der Geist ein Buchstabierverbot bekommen, was das gegnerische Team vor deutlich mehr Probleme gestellt hätte.
Das ist der spielerische Grundgedanke von „Ghost Writer“. Dabei ist es faszinierend zu erleben, wie oft dabei erinnerungswürdige Situationen entstehen. Von dauernden Ein-Buchstaben-Antworten, die völlig falsch gedeutet werden, bis zu Völlig-auf-dem-Schlauch-stehen ist alles dabei. Meistens funkt das gegnerische Team mit nicht ernstgemeinten Vorschlägen dazwischen – und manchmal stellen diese sich sogar als richtig heraus. „Ghost Writer“ ist im besten Sinne verspielt. Die Fragen sind abwechslungsreich, die Ausstattung überzeugt und die Themeneinbettung kann zu einer besonderen Stimmung beitragen – oder aber auch völlig ignoriert werden. Denn der Spaß am Wortraten steht bei allem im Vordergrund und wird durch den Wettrenncharakter zusätzlich mit Spannung unterfüttert.
Tobias Franke