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Geschichte

So begann es 1978

„Dass ein bestimmtes Fußballspiel für viele das Spiel des Jahres sein kann, das wissen wir. Aber dass der Fußball dazu beigetragen hat, dass das Spiel des Jahres seit mehr als einem viertel Jahrhundert vergeben werden kann, das wissen nur Wenige“, sagt Jürgen Herz. Die Idee, ein Spiel des Jahres zu wählen, ging dem WDR-Journalisten Herz schon eine Weile im Kopf herum. Die Gelegenheit, diese Idee einem kompetenten Publikum vorzutragen, kam während der Nürnberger Spielwarenmesse im Februar 1978. „Wie immer luden Margot und Tom Werneck anlässlich der Messe einige Freunde, Verleger, Spieleautoren und Journalisten in ihre Privatwohnung in Erlangen ein, wo man sich in gemütlicher Runde am warmen Kamin traf, fachsimpelte, Kontakte knüpfte und sich vor allem nett unterhielt“, erinnert sich Herz.

Das Logo des ersten Preisträgers

An diesem Abend saßen unter anderem Bernward Thole, Alex Randolph, Margot und Tom Werneck, Gilbert Obermaier, Dieter Hasselblatt und noch einige andere damals bekannte Spieleautoren und Journalisten um den Kamin und hörten sich den Vorschlag von Jürgen Herz an, ein Spiel des Jahres zu wählen. „Die Begründung erschien einfach, denn mit diesem Preis unterstreicht man zweierlei: Erstens, dass es jedes Jahr neue Spiele gibt, und zweitens, dass es jedes Jahr herausragend neue gute Spiele gibt – eine wichtige Abgrenzung also zu dem damaligen Volksglauben, es gäbe als Brettspiele nur Mühle, Dame, Halma und Schach“, so Herz. Die Idee sei kontrovers diskutiert, der mögliche PR-Wert erkannt oder auch in Frage gestellt worden. „Auf die Idee, dass der vorgeschlagene Preis einmal Aktienkurse von Unternehmen beeinflussen könnte, kam damals natürlich noch niemand. Aber am Ende war man sich einig: Daraus könnte etwas werden.“

Bernward Thole, Gründungsvorsitzender der Jury Spiel des Jahres, und Antje Huber, Bundesministerin für Jugend, Familie und Gesundheit: „Hase und Igel“ gewinnt bei der ersten Preisverleihung 1979

Weiter berichtet Jürgen Herz von den Anfängen des Vereins Spiel des Jahres:

Nun ist eine Idee ja eine Sache, sie in die Realität umzusetzen eine andere. Und da kam König Fußball zu Hilfe. In diesem Jahr 1978 fand in Argentinien die Fußball-Weltmeisterschaft statt und die Firma Mieg hatte eine gute PR-Idee für das von ihr vertriebene Tipp-Kick-Tischfußballspiel. Vor der Fußball-WM lud die Firma Journalisten und „Profi“-Spieler der Tipp-Kick-Bundesliga – die es ja nach wie vor gibt – zu einer vorweggenommenen WM mit Tipp-Kick ein. Die eingeladenen Journalisten – jeder im Trikot eines der Länder, die tatsächlich an der WM in Argentinien teilnahmen – und ein Spieler der Tipp-Kick-Bundesliga spielten zusammen gegen die anderen Teams. Wie das Turnier damals ausging ist nicht mehr bekannt. Im richtigen WM-Turnier jedenfalls gewann Argentinien.

Dieser glückliche Zufall des Tipp-Kick-Turniers führte jedenfalls dazu, dass alle, die seit dem Abend bei Wernecks am Kamin genug Zeit hatten, die Sache mit dem Spiel des Jahres zu überdenken, sich nun nach relativ kurzer Zeit wieder in Erlangen treffen konnten. Und die Gelegenheit wurde genutzt, am Rande des Turniers die Idee und die mögliche Umsetzung weiter zu diskutieren. Und dies führte schließlich dazu, das man sich am Ende in Erlangen in einem Biergarten traf und die Gründung des Spiel des Jahres e.V. beschloss.

Nun sagt man Deutschen ja nach, dass sobald drei davon zusammensitzen, sie einen Verein gründen – stimmt übrigens nicht, nach dem Gesetz müssen es schon sieben sein. Aber man fragt sich doch, wieso kommt ausgerechnet solch ein Trupp von Individualisten, wie es Journalisten meistens sind, dazu einen Verein zu gründen. Und das nur um aus einem Spielejahrgang das ihrer Meinung nach beste Spiel zu wählen.

Die Antwort darauf ist auch einer der Erfolgsgründe für den Preis überhaupt. Mit einem Verein konnte man regeln, dass nur Personen, die nicht von Herstellung und Vertrieb von Spielen abhängig sind, Mitglied und damit wahlberechtigt werden konnten. Und zweitens konnte man über die jedermann zugängliche, bei Gericht hinterlegte Satzung des Vereins das Wahlverfahren transparent machen. Die über den Verein mögliche Kontrolle der Unabhängigkeit und die Tatsache, dass dieses Prinzip von Beginn an bis heute strikt beibehalten wurde, sind zwar wesentliche Gründe für die erstaunliche Wirkung, die der Preis mittlerweile national und international hat. Aber das allein reichte noch nicht.

Idee, Fußballturnier, Verein, das alles hätte nichts genutzt ohne das enorme zeitliche und in den ersten zehn Jahren auch finanzielle Engagement der Mitglieder. Alles musste ja neu organisiert werden, Vereinssatzung, Eintragung bei Gericht, Organisation der Preisverleihung, Bemühung um Sponsoren, und, und, und. Neben den anderen Gründungsmitgliedern der Jury und den im Laufe des Jahre hinzugekommenen hat sich vor allem Bernward Thole sehr engagiert, der das Spiel des Jahres zusammen mit seinem Deutschen Spiele-Archiv zu seiner Lebensaufgabe gemacht hat.

Die finanzielle Unterstützung kam in den Anfangsjahren vom damaligen Bundesministerium für Familie, Jugend und Gesundheit, und dessen Ministerin Antje Huber war auch verantwortlich dafür, dass die Preisverleihung zehn Jahre lang in Essen im Forum der Volkshochschule stattfand.

Antje Huber hatte ihren Wahlkreis in Essen und sah in der Preisverleihung eine gute Gelegenheit, nebenbei ein bisschen PR-Arbeit für ihre Stadt zu machen. Damals hatte die Preisverleihung noch nicht diesen, der mittlerweile immens gestiegenen Bedeutung des Preises für die Spieleszene angemessenen, offiziellen Charakter. Die Preise wurden im Rahmen eines – im Rückblick gemütlichen – Spieleabends verliehen, zu dem Familien aus dem Ruhrgebiet eingeladen waren. Bei dieser Gelegenheit konnte man auch beobachten, dass die Bundesministerin die Sache des Spiels nicht nur engagiert förderte, sondern selbst auch eine begeisterte und äußerst gewitzte Mitspielerin war. Noch einige Jahre lang ließ sie es sich nicht nehmen, bei Veranstaltungen der Spiel-des-Jahres-Jury während der Spieltage in Essen zu erscheinen und mitzuspielen.

Nur wenige wissen, dass das erste Spiel des Jahres sozusagen zweimal gewählt wurde. Bis zum Herbst 1978 hatte es die Jury nicht geschafft, all die organisatorischen Voraussetzungen für eine Preisverleihung zu bewältigen, so dass zwar eine Wahl stattfand, aber keine offizielle Preisverleihung. Die erste „richtige“ Wahl mit anschließender offizieller Preisverleihung fand 1979 statt – und genau wie im Jahr zuvor wurde wieder „Hase und Igel“ von David Parlett, erschienen bei Ravensburger, gewählt. Mit der Wahl dieses herausragenden Spiels hatte die Jury einen Qualitätsmaßstab gesetzt und eine Erfolgsstory hatte begonnen.