Man kann ein Spiel auch gewinnen, wenn man schlechte Karten auf der Hand hat. Denn es gilt, einfach das Beste daraus zu machen. So erkennen Spielende im Laufe der Partie vielleicht, wie viele Möglichkeiten sie trotzdem haben. Ähnlich fühlte sich für die Jury Kinderspiel des Jahres das Spielejahr 2020/21 an. Während wir im Vorjahr zumindest noch bis März aus dem Vollen schöpfen konnten was Kindergärten und Grundschulen anging, starteten wir kurz darauf aber in ein Spielejahr voller Einschränkungen. Doch Not macht erfinderisch – und muss es auch! Denn in Zeiten von Kontaktbeschränkungen und Home Schooling braucht es mehr denn je eine fundierte und qualifizierte Beurteilung, welche Spiele aus der großen Masse herausragen. Gefunden haben wir diese Spiele in einem erneut starken Jahrgang, der durch alle Altersgruppen hinweg faszinierende Spiele bereithielt.
Beurteilen konnten wir die Spiele, indem wir unsere Not pragmatisch angingen: Es wurden unzählige Familien rekrutiert, die sofort ihre Bereitschaft signalisierten, freudig mittesten zu wollten. Es wurden neue Wege gefunden, um Spiele zu spielen, indem wir uns etwa über Videotelefonie mit Familien verabredeten. Vor allem hat sich das Beiratssystem der Jury Kinderspiel des Jahres als äußerst effektiv erwiesen, denn unsere Beiräte konnten in ihren Einrichtungen uneingeschränkt weiter testen, sobald diese wieder geöffnet waren. Das war für alle Beteiligten viel mehr Arbeit als in den Jahren zuvor und deshalb bin ich froh und auch ein bisschen stolz auf unsere Leistung und was dabei rausgekommen ist: Eine tolle und abwechslungsreiche Liste aus 10 Spielen, die sich perfekt für alle Kinder eignen.
Auffallend an der Liste ist, dass sechs von zehn Spielen in diesem Jahrgang aus der Feder französischer Autorinnen und Autoren stammen. Auch die Optik überzeugt: Sei es die ungewöhnliche Retrografik von „Tapikekoi“ oder die fast schon ausschweifende Ausstattung von „Traumfänger“: Es zeigt einmal mehr, mit wie viel kindlicher Freude und Liebe zum Detail unsere westlichen Nachbarn an Kinderspiele herangehen. Aber auch die anderen Spiele unserer Liste warten mit starken Umsetzungen auf. Bei „Hipp Hopp Hippo“ tauchen Nilpferde auf dem Plan unter und wieder auf und Affen hüpfen auf ihnen herum. Bei den „Memo Friends“ versammeln sich niedliche Tiere in einem Wald. „Inspektor Nase“ lädt durch seine klare Note zu vielen Diskussionen ein und bei „Käpt’n Kuller“ gibt es sogar ein „echtes“ Kanonenrohr.
Drei Spiele haben nun die Chance auf den Preis „Kinderspiel des Jahres“ am 14. Juni 2021. Diese drei stachen aus der sehr guten Liste ein wenig mehr hervor, als der Rest, weil alle gut durchdachte und ungewöhnliche Ansätze hatten: „Dragomino“ verwandelt das Familienspiel „Kingdomino“ auf elegante Weise in ein Kinderspiel, „Fabelwelten“ besticht durch interaktive Märchen, viel Gelächter und Kommunikation und „Mia London“ bietet Merkarbeit oberster Güte, bei der sich Erwachsene anstrengen müssen, um mit den Kleinen mitzuhalten.
Aber auch, wenn es nur einen Gewinner geben kann: Gewonnen haben alle Spiele auf unserer Liste, weil sie den Kindern und Familien eine unglaubliche unterhaltsame Zeit bereitet haben. Deshalb lassen Sie sich gerne von unserer Liste inspirieren und probieren viel davon aus. Mit einer Alterspanne von drei bis sieben Jahren ist wirklich für jeden etwas dabei. Und mit einem starken Jahrgang für Spiele ab fünf Jahren können sowohl jüngere als auch ältere Kinder viele tolle Spielrunden erleben.
Christoph Schlewinski