Die herausragenden Spiele in diesem Jahr bieten eine ungeheure Vielfalt. Vom zweieinhalb Minuten dauernden Hektikspiel „Magic Rabbit“ bis zum stundenlangen Tierparkerlebnis „Arche Nova“ findet sich für jede Gelegenheit und jeden Geschmack ein spannendes Spiel auf den drei Listen zum Spiel, zum Kinderspiel und zum Kennerspiel des Jahres.
Die empfohlenen und nominierten Spiele ➜
Aus nahezu 400 deutschsprachigen Neuheiten haben die beiden Jurys – eine ist für das Kinderspiel, die andere für das Spiel und Kennerspiel zuständig – 22 bemerkenswerte Titel in ungezählten Spielerunden herausgefiltert, die nun auf den Empfehlungs- und Nominierungslisten einen prominenten Platz gefunden haben.
Beim roten Spiel und dem anthrazitfarbenen Kennerspiel fällt die große Internationalität bei den Autoren und den wenigen Autorinnen auf. Von Japan über Dänemark bis in die USA sind Brettspiele – die manchmal immer noch als „German Games“ bezeichnet werden – längst ein weltumspannendes Ereignis. Dass kein deutschsprachiger Autor nominiert ist, ist bemerkenswert, gleichzeitig aber auch nur eine Momentaufnahme – denn im nächsten Jahr kann es wieder völlig anders aussehen. Bei den Kinderspielen waren 2020 drei Spiele mit französischen Autorinnen und Autoren nominiert, während in diesem Jahr ausschließlich deutschsprachige Spieleerfinder auf der Nominierungsliste stehen. Klar ist eins: Die Vielfalt der Themen und Mechanismen und die Qualität der Spiele profitiert in großem Maße von der Internationalität.
In den letzten beiden Jahren gab es im Zuge der Pandemie erhebliche Veränderungen: Während die Nachfrage nach Spielen je nach Segment um bis zu ein Drittel gestiegen ist, ist die Zahl der Neuerscheinungen aus verschiedenen Gründen zurückgegangen. Im Bereich Spiel und Kennerspiel ist diese Phase jetzt überwunden und wir verzeichnen ein Plus bei den Neuerscheinungen um mehr als zehn Prozent.
Bei den Kinderspielen ist das anders. Hier ist die Liste der empfohlenen und nominierten Titel nur sieben Spiele lang. Während in der Vergangenheit eine kürzere Liste immer ein Zeichen für einen durchwachsenen Jahrgang war, gab es diesmal einen anderen Grund: Erwartungsgemäß hat die Pandemie den Kinderspielsektor „eingeholt“ und die Neuheitenzahl ist erheblich zurückgegangen. Denn die Arbeitsmöglichkeiten von Kinderspielredaktionen waren wegen der zeitweisen Schließung von Kitas und Schulen und dem Fehlen anderer Kontaktmöglichkeiten mit Kindern massiv eingeschränkt. Die Entwicklung von Spielen dauert viele Monate und manchmal Jahre. In dieser Zeit ist es unabdingbar, potenzielle Neuerscheinungen in unzähligen Testrunden mit vielen Kinder bis zum fertigen Spiel zu optimieren. Doch trotz dieser Einschränkungen war der Jahrgang 2022 für die Kinder und Jurymitglieder spannend und abwechslungsreich, denn weniger Auswahl bedeutete nicht gleichzeitig weniger Qualität.
Besonders auffällig sind in diesem Jahr zwei Spiele, die einen bereits als Kennerspiel erfolgreichen „großen Bruder“ haben, der jetzt auf vorbildliche Weise auf ein Kinderspiel heruntergebrochen wurde. „Mit Quacks & Co. nach Quedlinburg“ schließt erfolgreich an „Die Quacksalber von Quedlinburg“ an, während „Auch schon clever“ die Juniorversion von „Ganz schön clever“ ist.
Die für die roten und anthraziten Spiele zuständige Jury hat insgesamt 15 Spiele ausgewählt. Das sind genauso viele wie im Vorjahr.
Vom Kinder- bis zum Expertenspiel sind „Tiere“ das beliebteste Thema des Jahrgangs. Besonders überrascht hat dabei „Arche Nova“, das aufgrund seiner Komplexität eigentlich mehr als ein Kennerspiel ist und gleichzeitig mit seiner brillanten thematischen Einbettung eine besondere Zugänglichkeit eröffnet. Während es gerade im Kennerspielbereich eine Tendenz dazu gibt, Spiele in fantastischen Welten anzusiedeln und damit realen und manchmal auch kritischen Themen aus dem Weg zu gehen, macht „Arche Nova“ es anders. Ein Spiel derart eng an der Realität eines wissenschaftlichen Zoos anzulehnen und auch den Widerspruch auszuhalten, auf den diese Form der Tierhaltung regelmäßig stößt, ist bemerkenswert.
Harald Schrapers · Christoph Schlewinski