Lust auf Zoo? In „Arche Nova“ (Mathias Wigge bei Feuerland) geht das aber nicht so einfach. Denn so ein Zoo will ja erst einmal aufgebaut werden, und dazu gehören eben nicht nur interessante Tiere, sondern auch ein gehöriges Maß an Management und Umweltbewusstsein. Unsere Jurymitglieder haben sich die Arbeitsschuhe eifriger Zoodirektor:innen angezogen und machen sich an die Arbeit.
„Wir betreiben Zoos. Die sollen möglichst attraktiv sein (das erhöht das laufende Einkommen) und Artenschutzpunkte sammeln (das schaltet Vorteile frei). Unsere Marker für beide Kategorien laufen sich auf einer Skala entgegen, und sobald der eine den anderen erreicht, endet die Partie. Wer am weitesten an seinem eigenen Marker vorbeigelaufen ist, gewinnt“, erklärt Udo Bartsch das Spiel. „Schlüssel zum Erfolg sind erwartungsgemäß Tiere. Jedes Tier kostet Geld und benötigt ein Gehege bestimmter Größe, das möglicherweise auch noch neben Wasser oder Felsen gelegen sein soll. Unsere Zoos bestehen aus verschieden angeordneten Sechseckfeldern. Die zeigen außer Geländearten auch Boni, die man beim Überbauen bekommt. Als Gehege dienen bis zu fünf Sechseckfelder große Pappteile. Sie entsprechend der Legeregeln zu puzzeln, dass sowohl Tieranforderungen erfüllt als auch Boni rasch abgegriffen werden, klappt oft nicht perfekt. Man geht Kompromisse ein.“
„Der Grundmechanismus des Ganzen ist einfach“, beschreibt Bartsch: „Es gibt fünf Aktionen, repräsentiert durch Aktionskarten, die unterhalb meines Zooplans auf Plätzen mit Wertigkeiten von eins bis fünf liegen. Bin ich am Zug, nutze ich eine dieser Karten. Liegt sie beispielsweise an Position vier, hat meine Aktion die Stärke vier. Nach Ausführung rutscht die Karte dann wieder zurück auf den schwächsten Platz, die anderen rücken auf.“ Das Spiel sei „kartengetrieben“, schreibt er. „Dieses Aktions-Management macht Spaß.“
Kleinigkeiten müssten bei „Arche Nova“ stets mitbedacht werden. „Und so kommt es zu Optimierspiel-typischen Situationen wie: Ich will X machen, das als Belohnung die Bonusaktion Y mitbringt, welche ich jedoch nicht optimal ausschöpfen kann, außer ich würde vorher noch Zwischenschritt Z einfügen, dessen Voraussetzung aber Z1 ist, wozu ich noch … usw.“, so Bartsch. „In ,Arche Nova‘ tüftelt jede:r vor sich hin und würdigt die Zoos der anderen kaum eines Blickes. Dennoch machen die Mitspieler:innen einen Unterschied. Wir schnappen uns Karten und Errungenschaften weg, aber vor allem: Unsere Handlungen bestimmen, wann die nächste Verwaltungs- und Einkommens-Zwischenphase beginnt. Manche hätten dies gerne früher (weil schon pleite), andere später (weil noch Pläne).“
Bartsch mag es, hier auf „verschiedene Weise gefordert“ zu sein. Auch der Zufallsfaktor, der in Form der gezogenen Karten eine Rolle spielt, sei stimmig: „Die große Kartenvielfalt bewirkt, dass manche Aspekte des Spiels gar nicht in jeder Partie eine Rolle spielen. So entdeckt man auch später noch Neues.“
So ganz kann ihn das Spiel schließlich nicht überzeugen. Vieles an „Arche Nova“ sei „tadellos“. Dennoch: „,Arche Nova‘ erzeugt keine Dilemmata, die sich für mich neuartig anfühlen. Das Spiel ist sauber um das sympathische Thema herumkonstruiert. Was mir aber fehlt, ist ein einzigartiger Kern. Das Typische, das Unverwechselbare.“¹
Hype-Titel
Julia Zerlik geht sehr viel gnädiger mit „Arche Nova“ ins Gericht. Für sie ist es „einfach ein grandioses Expertenspiel. Es ist abwechslungsreich, es ist grandios gemacht. Es ist eines dieser Expertenspiele, bei denen man beim ersten Mal ein wenig erschlagen ist, aber es ist alles so gut abgebildet, dass man schon in der ersten Partie fast gar nicht in der Anleitung nachschauen muss“, sagt sie. Auch inhaltlich sei das Spiel so gestaltet, dass man leicht hineinkäme, trotz der Komplexität. Auch mechanisch flösse alles „toll ineinander über“. Positiv hebt sie auch die Spieler:innentableaus mit ihren unterschiedlichen Seiten und die vielen Karten hervor. „Für die Abwechslung ist wirklich alles getan.“
Einziger kleiner Kritikpunkt für Zerlik ist das Kartenglück: „Es kann passieren, dass man einen schlechten Start hat, weil man zum Beispiel am Anfang nur sehr teure Tiere hat.“ Diese könne man nicht sofort einziehen lassen, erhalte also auch kein Geld, um weiter am Zoo zu bauen, so dass es schwer sein könne, diesen schlechten Start wieder aufzuholen; allerdings sei es auch nicht unmöglich. „Der Start ist relativ wichtig“, resümiert sie.
Insgesamt sei das Spiel aber eine gute Kombination aus leichten Zügen, die dennoch Tiefgang erzeugen könnten. „Man hat so viele knifflige Entscheidungen zu treffen, die sowas von weitreichend sind, das macht einfach wahnsinnig viel Spaß. Weil es auch so schön fluffig sich spielt, obwohl es ein Expertenspiel ist“, lautet ihr Fazit.²
„Arche Nova“, sagt Manuel Fritsch, sei der „Hype-Titel“ der Spielemesse in Essen gewesen. „Da war eine Schlange, die ging dreimal um den Feuerland-Stand.“ Für ihn ist „Arche Nova“ eine Wirtschaftssimulation. „Gleichzeitig wird dieses Thema nicht vergessen, dass man die Tiere auch artgerecht halten muss.“ Man müsse – in Gestalt der gegenläufigen Punkteleisten – „beides zusammenführen.“ Das sei „eine sehr, sehr clevere Mechanik.“
„Arche Nova“ würde laut Fritsch oft mit „Terraforming Mars“ verglichen. Allerdings seien es in „Arche Nova“ nicht die „Konzerne, die dein Spiel vorgeben, sondern die Handkarten.“ Es gäbe zwar unterschiedliche Zoo-Tableaus mit unterschiedlichen Startbedingungen, diese fielen aber nicht so sehr ins Gewicht. „Da hätte man sicherlich noch einen Schritt in diese Richtung gehen können.“ Dennoch gäbe es viele unterschiedliche Wege, die man gehen, und Entscheidungen, die man treffen könne. „Man kann sich nicht im Vorfeld eine Strategie festlegen“, sagt Fritsch, „sondern muss immer sehr flexibel auf das reagieren, was passiert.“ Freude bereiten ihm auch die Easter Eggs auf den Karten – hier könne neben dem Feuerland-Team auch Elizabeth Hargrave, die Autorin von „Flügelschlag“, entdeckt werden. Ebenso sei die Anleitung sehr gut und übersichtlich gestaltet.
Zwar kritisiert auch Fritsch das mitunter launische Kartenglück, das sich manchmal im Spielverlauf nicht auffangen lasse, dennoch findet er: „Das ist so ein rundes Spiel geworden, das ist echt bemerkenswert.“ Und fügt hinzu: „Ich habe es so oft gespielt wie kein anderes Spiel. Und ich werde auch nicht satt, ‚Arche Nova‘ zu spielen.“³
Lust, zu entdecken
In einem sehr ausführlichen Podcast-Beitrag – dem auch ein Interview mit dem Autor Mathias Wigge angeschlossen ist – widmen sich Stephan Kessler und Nico Wagner „Arche Nova“.
Wagner zeigt sich darin von „Arche Nova“ begeistert. Seine erste Partie, sagt er, hätte ihm so gut gefallen, „dass ich am gleichen Abend, nachts um zwei, noch eine Partie angefangen habe.“ Für ihn ist das Spiel keine Wirtschaftssimulation: „Es ist tatsächlich ein Aufbau, und da kannst du dich in verschiedene Richtungen entwickeln.“ Man dürfe allerdings den strategischen Teil des Spieles nicht überschätzen. „Ein großer Reiz für mich ist“, sagt Wagner, „dass man es gut timen muss, weil man schauen muss: Welche Aktion in welcher Stärke möchte ich ausführen?“ Es ginge hier um sorgfältiges „Austarieren“, sagt er. „Man muss immer im Blick haben: Was möchte ich wann machen? Das ist das, was mir am meisten Spaß macht. Den perfekten nächsten Zug zu finden.“
Wagner findet dennoch einiges zu kritisieren. Einerseits zöge sich das Spiel – gerade gegen Ende – manchmal ein wenig in die Länge. Vor allem, wenn man es mit Menschen spiele, die es noch nicht gespielt hätten. „Die einzelnen Aktionen sind sehr easy“, sagt Wagner, „was das Spiel in die Länge zieht, ist zu gucken: Wie kann ich die Karten kombinieren und was für Effekte haben die? Und da gibt es Karten, die dauern mir zu lang.“ Andererseits sind ihm die Interaktionseffekte zwischen den Spieler:innen – Karten stehlen, beispielsweise – nicht stark genug. „Ich hätte auch gut ohne diese Interaktionseffekte spielen können. Das konnte ich bis jetzt immer ignorieren“, sagt er.
Wie findet er das Spiel nun? „Supercool. Weil es auch nicht strategisch angelegt ist, habe ich jedes Mal Lust zu gucken: Wo läuft die Partie heute hin? Wie wird mein Zoo heute aussehen? Das ist das, was mich immer wieder ran zieht. Ich habe immer wieder Lust zu entdecken.“
Auch Stephan Kessler hebt die große Abwechslung in „Arche Nova“ positiv hervor. „Die Wiederspielbarkeit kommt bei mir daher, dass es immer unterschiedliche Karten sind“, sagt er. „Ich mag das Thema, ich mag, was ich da tue, es ist abwechslungsreich“, sagt er. „Es geht immer so vorwärts. Ich habe, selbst wenn ich eine Partie verloren habe, das Gefühl gehabt: Ich habe doch einiges geschafft in meinem Zoo. Und das finde ich toll.“
Auch für Kessler hätte allerdings die Interaktion zwischen den Spieler:innen anders gestaltet werden können: „Es hätte eine Regel-Entschlackung gutgetan“, sagt er. Die vielen Effekte verursachten „ganz viele zusätzliche, kleine Regelchen.“
Dennoch bewertet Kessler „Arche Nova“ insgesamt positiv: „Es ist einer der Titel, wo ich sage: Ich weiß, ich habe ein Spiel gefunden, das überdauert. Das Spiel werde ich auch in 10 Jahren noch spielen.“⁴