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Kritikenrundschau: Challengers! – Party auf der Seitenlinie

Ein Turnier für zuhause? Mit Gummi-Enten, Vampiren, Visagisten und ein paar Aliens dazu? „Challengers!“ (Johannes Krenner und Markus Slawitscheck bei 1 More Time Games und Z-Man Games) verspricht zumindest Absurdität. Ob sich das auch in Stadionatmosphäre für zuhause oder eher in ein wegen Regen abgesagtes Regionalligaspiel übersetzt, haben unsere Jurymitglieder in ihren jeweiligen Medien und in zahlreichen Duellen herausgefunden.

„Wir spielen ein Turnier! Bei acht Personen tritt jede einmal gegen jede an! Bei weniger Personen treten manche (oder gar alle) mehrfach gegeneinander an! Jedenfalls spielt jede:r sieben Partien! Oder sogar acht, denn die beiden Punktbesten erreichen das Finale und spielen noch einmal gegeneinander! Wer das Finale gewinnt, gewinnt ‚Challengers!‘“, erklärt Udo Bartsch das Spiel mit großzügig verteilten Ausrufezeichen. „Die Partien tragen wir mit Karten aus. Parallel. Bei ‚Challengers!‘ laufen kleine Zwei-Personen-Spiele nebeneinander. Anfangs besitzen alle dieselben sechs Karten. Vor jedem Duell darf ich mein Deck um bis zu zwei Karten erweitern.“

Für Bartsch macht „Challengers!“ weder der Deckbau- noch der Strategieaspekt das Spiel aus. Besonders ist für ihn, dass es als Turnier angelegt ist. „Wir wechseln unsere Sitzplätze. Wir treffen auf Gegner:innen, deren Deck wir nicht kennen und deren Karteneffekte uns vielleicht überraschen“, schreibt er. „Es entsteht ein Partygefühl, ohne dass man Partyspiel-übliche Dinge tut; alle kommen mit allen in direkten Kontakt. Und es entsteht eine Turnier-Dramaturgie: Manche Decks beginnen stark, gewinnen die ersten Partien und kippen irgendwann.“ Trotz großem Glücksanteil fühlt Bartsch sich unterhalten. Das Spiel „erschafft etwas Neues, das sehr gut unterhält und viel Spaß macht.“ Das sähen allerdings nicht alle Spieler:innen so: „Dass man seine Karten einfach nur durchmischt und dann eine nach der anderen aufdeckt, lässt bei manchen das Gefühl von Belanglosigkeit entstehen. Manche sind auch gefrustet, wenn andere viel tollere Karten nachrüsten konnten, während sie selbst vermeintlichen Murks zur Auswahl bekamen“, schreibt Bartsch. „Aber ‚Challengers!‘ ist eben kein Deckbau-Spiel, das zwangsläufig gewinnt, wer tiefer einsteigt. Der Glücksfaktor passt sehr gut zum Charakter des Spiels. Der Erfolg und damit auch der eigene Anteil am Erfolg sind hier Nebensache, weil man gemeinsam etwas erlebt“, schreibt er. Je größer die Runde, desto besser sei das gemeinsame Erlebnis.¹

Für Harald Schrapers ist „Challengers!“ sogar ein „geniales Spiel“, dafür garantiert der Turniermodus: „Das sorgt für eine tolle und oft ausgelassene Stimmung, die fast an ein Partyspiel erinnert. Das gelingt, obwohl hier auf jegliche Rate-, Pantomime- und ähnlich kreative Momente verzichtet wird.“ Er weist aber darauf hin, dass Mitspielende, die keine spielerischen Vorkenntnisse besitzen, benachteiligt seien. Zwar seien die Regeln eher einfach. „Die größte Hürde, ins Spiel hineinzukommen, entsteht während des Turniers: Viele Spielkarten haben spannende Sonderfunktionen, die eine Veränderung der Grundregeln nach sich ziehen und deshalb interpretiert werden müssen. Selbst mit Vorerfahrung ist das oft nicht leicht“, schreibt er. Der Einstieg könne holprig sein. „‚Challengers!‘ macht sich eh keine große Mühe, das breite Publikum zu erreichen“, schreibt Schrapers. „Wer nicht weiß, dass ein Kartenstapel auf Neudeutsch ‚Deck‘ heißt, rätselt schon beim oberflächlichen Blick in die Spielanleitung.“ In Expert:innen- oder Vielspieler:innenrunden könne es aber auch zu Frust kommen: „Strategischen Tiefgang bietet das Spiel überhaupt nicht, sondern hier wird viel Spektakel um einen recht glücksbetonten Kern gemacht“, schreibt er. Die besonderen Qualitäten zeigten sich erst in einer größeren Gruppe. „Hier wird gejubelt, gestöhnt und gerufen, auch wenn wir merken, dass sich das Duell von der Seitenlinie nicht beeinflussen lässt“, schreibt Schrapers. „‚Challengers!‘“ sorgt für spielerische Events, an die man noch lange zurückdenkt.“²

Martina Fuchs bringt „Challengers!“ gerne am Anfang eines Spieleabends auf den Tisch. „Man steht dann mal auf, man hat danach jeden mal gesehen, hat sich vielleicht auch mit Namen vorgestellt, wenn man sich noch nicht kannte.“ Auch für sie zeigt das Spiel seine „große Finesse“ erst in einer größeren Gruppe. Dennoch sei es nicht einfach zu erklären, gerade der Auswahlmechanismus der Karten könne Probleme bereiten. „Ich habe immer wieder Wenigspielende am Tisch, die überfordert sind von der Masse an Karten und Interaktionen, die diese Karten miteinander haben.“ Dennoch gefällt ihr „Challengers!“ „ausgesprochen gut“.³

Für sich genommen findet Stefan Gohlisch die Duelle in „Challengers!“ eher „banal“. Seine Würze bekäme das Spiel durch die Kartenauswahl. „Man möchte möglichst mächtige Karten, also welche mit hohem Wert, haben“, schreibt er. „Man möchte möglichst gleiche Karten haben, weil man die übereinander auf der Bank ablegen kann und sie darum platzsparender sind. Man möchte Karten haben, die untereinander in Wechselwirkung treten. Mikroentscheidungen entfalten größtmögliche Wirkung.“ Eine Partie dauere etwa eine Stunde. Darin hätten die „Autoren alles komprimiert, was Deckbauspiele ausmacht, sonst aber mit einem deutlich höheren Regelaufwand. Im Nu kommt hier ein echtes Turniergefühl auf – je mehr Menschen mitspielen, umso stärker.“

Auch Manuel Fritsch zeigt sich begeistert von der Turnieratmosphäre, die „Challengers!“ erzeugt. „‚Challengers!‘ ist das ideale Spiel für alle, die die hohe Kunst des Trashtalks zelebrieren. Eine voll besetzte ‚Challengers!‘-Partie mit acht Personen verwandelt jeden Spieleabend in kürzester Zeit in ein Stadion mit Lokalderby-Atmosphäre“, schreibt er. „Schadenfreude, Ärger und Jubelstürme liegen dank einer großen Portion Kartenglück immer eng beieinander.“ Auch für ihn liegt das eigentliche Spiel in der Entscheidungsphase und der Deck-Zusammenstellung zwischen den Matches. „‚Challengers!‘ zieht seine Stärke aus dem einzigartigen Eventcharakter und dem Ausprobieren von neuen Strategien und Karten-Combos“, schreibt er. „Selten habe ich mich mehr wie ein Sportcoach gefühlt, der verzweifelt vom Seitenrand erleben muss, wie der perfekte Schlachtplan einfach nicht in die Tat umgesetzt wird.“ „Challengers!“ definiere damit Deckbau neu. „Trotz der grafischen Schlichtheit eine absolute Empfehlung für alle größeren Gruppen ab fünf Personen, die sich an dem ungewohnten Konzept, nur zwischen den Runden Einfluss zu haben, erfreuen können.“
Es sei, ergänzt Fritsch in seinem Podcast, kein Spiel für alle. Bei seinen Partien seien meist zwei Leute dabei, meinten, das Spiel sei gar nicht für sie. „Aber auch fünf, die unbedingt noch einmal spielen wollten“, sagt er. „Es ist ein sehr polarisierendes Spiel, was ich bei einem Brettspiel, das etwas Neues probiert, durchaus positiv sehen würde.“ Einzig die grafische Gestaltung gefällt ihm nicht so gut: „Hier hat man viel Whitespace und so eine Art Avatar, aber das ganze drumherum ist sehr nackt“, beschreibt er die Karten. „Da hätte ein bisschen mehr Wumms reingehört.“

Das Spielprinzip von „Challengers!“ könne zunächst „irritierend“ sein, räumt Johanna France ein. Gleichzeitig fühle es sich „irrsinnig frisch“ und innovativ an. Zwar gäbe es Personen, die sich damit schwer täten. Sie allerdings findet es spannend und habe „vielseitige Partien“ erlebt, gerade auch, weil Spiele für eine große Runde manchmal rar seien. Allerdings seien einige Karteneffekte sehr ähnlich und sie fälle dort immer dieselben Entscheidungen. „Ich bin gespannt, ob es da lange Spielspaß gibt“, sagt sie.

Für Tim Koch heben zwei Dinge „Challengers!“ aus der breiten Masse der Spiele hervor. Einmal sei das der automatisierte Spielablauf. „Die zweite (und entscheidende) Besonderheit ist der Turnier-Charakter“, schreibt er. „Hier werden zwischen den Partien Erfahrungen ausgetauscht, gefachsimpelt, das eigene Pech beklagt oder die Siege bejubelt. Gerade dieses ‚Meta-Spiel‘, der ‚Trash-Talk‘, zwischen den Runden ist eine besondere Erfahrung.“ Koch sieht allerdings auch Schwachstellen. „Denn auch wenn das Spiel bereits ab 2 Spielerinnen funktioniert, entfaltet es seinen besonderen Sog erst in größeren Gruppen.“ Der Bot, der in Runden mit ungerader Spielendenzahl dabei ist, funktioniere, „aber Partien gegen menschliche Gegner sind einfach um Längen spaßiger“, schreibt er. „Nicht zu empfehlen ist das Spiel für alle jene, die alles unter Kontrolle haben wollen. Denn ‚Challengers!‘ soll in erster Linie Spaß machen und Emotionen wecken. Der Glücksanteil ist entsprechend hoch, was gerade bei der Auswahl neuer Karten auch mal zu Frust führen kann.“ Entgehen lasse solle man sich „Challengers!“ trotzdem nicht.

Stephan Kessler und Nico Wagner liefern sich ein Duell zu „Challengers!“, sind sich aber am Ende recht einig über das Spiel. Das Spiel spalte die Gemüter, sagt Kessler, „es gibt Leute im Vielspielerbereich, die wenig damit anfangen können, weil zu wenig Entscheidungen dabei sind.“ Er jedoch liebe es. „Ich fluche und ich juble und ich möchte wissen, was die anderen haben“, beschreibt er seine Spielerfahrung. Der Kern des Spiels ist für ihn das Miteinander. Auch hinterher rede er noch gerne mit den Mitspieler:innen über die unterschiedlichen Decks und den Turnierablauf. Wenn man das Spiel zu dritt spiele, müsse man sehr oft gegen den Bot antreten, deshalb würde Kessler es nicht empfehlen. Zu fünft oder zu siebt ginge es, „da spielt man einmal auch gegen den Bot, das ist nicht so wild.“ Allerdings könnten Material und Grafik besser sein – seine Karten seien „schnell hinüber“ gewesen und die Grafik habe ihn nicht angesprochen. Es sei ein „großer Minuspunkt, dass man sich kein besseres Thema hat einfallen lassen“, so Kessler
„Es gibt Leute, die sagen: Wo ist denn das Spiel in diesem Spiel?“, meint Nico Wagner in dem Gespräch. Denn mit den wenigen Karten, die hinzukommen, würde gar kein richtiges Deckbuilding entstehen. Das Spiel habe ihn deshalb nicht über die Mechanik abgeholt. Denn das Spiel sei wie eine Murmelbahn. „Ich baue die, setzte die Murmel darauf und schaue, was passiert.“ Mittlerweile sei er „schockverliebt“ in „Challengers!“, auch wenn in den ersten Partien die Regeln eine „kleine Einstiegshürde“ darstellten.

Ein zweites Duell liefern sich Julia Zerlik und Christoph Schlewinski. Julia Zerlik lobt hier das Material und bemerkt, dass „Challengers!“ ein Spiel sei, „dass es so noch nicht gab“. Die Karten und ihre Fähigkeiten findet sie zwar abwechslungsreich, das Spiel als solches bezeichnet sie allerdings als „schrecklich“. „Alle haben irgendwie Spaß, aber ich hatte keinen Spaß. Und das passiert mir selten“, sagt sie. „Ab den ersten Karten weiß ich schon: Ich werde gewinnen oder verlieren.“ Sie könne „damit wirklich gar nichts anfangen“ und bemängelt, viel zu wenig Einfluss auf das Spiel zu haben. In einigen Runden habe es zwar funktioniert – in anderen nicht. „Hier gehen die Meinungen extrem weit auseinander.“
Schlewinski findet „Challengers!“ in „seiner Simplizität speziell“. Es sei ein „Loslassen-Spiel, wo man zwar was machen kann, aber nichts beeinflussen“, sagt er. „Die Leute, denen es gefällt genießen es, keinen typischen Deckbuilder zu haben.“ Man müsse sich auf das Spiel und die Spannung des Aufdeckens einlassen. Er selbst fände es „superlustig“ und habe erlebt, dass es „viele Emotionen“ auslöse. „Es gibt wahnsinnig viel Gestöhne und Gejubel.“¹⁰

Ungewöhnlich, aber „erfrischend anders“ findet auch Bernhard Löhlein „Challengers!“. Er fiebere in jeder Runde mit: „Hoffentlich kommt jetzt die richtige Karte. Manche erscheinen zu früh, manche zu spät. Gut, dass es den Transfer-Markt gibt. So kann ich als Trainer meine Truppe ein wenig auffrischen“, sagt er.¹¹
Auch in unserem spielerischen Quartett war „Challengers!“ Thema. Hier ergänzte Bernhard Löhlein seine Kurzkritik noch: „Ich liebe ‚Challengers!‘“. Gerade, dass man nicht mehr eingreifen könne, macht für ihn den Reiz des Spiels aus. „Ich kann alles hervorragend vorbereiten, ich kann denken, ich habe es im Griff, aber nein: Ich hab’s nicht im Griff. Es kommt halt doch, wie es kommt. Und das macht für mich Spielen aus.“¹²

¹ Rezensionen für Millionen: Challengers!
² games we play: Challengers
³ Fux&Bär: Challengers – Ist das gut oder kann das weg?
⁴ Neue Presse vom 16.12.22
⁵ Spielbox 1/23: Über sieben Runden müsst ihr gehen
Insert Moin: Le Brett vom 7.11.22
Spümaschin 34
Spielfreu(n)de: Challengers!
Brettagogen #207
¹⁰ Spiel doch mal…: Frisch vom Tisch Vol. 58
¹¹ Radio IN: Spiel der Woche vom 29.4.23
¹² Das spielerische Quartett #17