Die Hallertau — für alle, die es nicht wissen sollten — ist eine Hopfen-Anbauregion in Bayern. Aber nicht nur irgendeine: 86 Prozent des in Deutschland verarbeiteten Hopfens werden hier produziert. So fließt ein wenig Hallertau durch die Kehle (fast) jedes Menschen, der gerne mal ein kühles Bier trinkt. Dass die Hallertau damit auch landwirtschaftlich geprägt ist, versteht sich von selbst. Und damit sind wir auch schon bei Uwe Rosenberg – das neueste Spiel des profilierten Autoren, „Hallertau“ (erschienen bei Lookout Spiele), ist in der Region angesiedelt. Unsere Jurymitglieder haben sich damit in ihren jeweiligen Medien als Hopfenbauern versucht – und das ist gar nicht so leicht, wie man so denkt.
„In seiner vorbildlichen Vortäuschung des ganz geheimen Brauvorgangs schubsen wir stallartige Gebäude durch unsere Gärten. Ansonsten: Irgendwas mit Arbeitern, irgendwas mit Ernten“, fasst Udo Bartsch das Spielgeschehen grob zusammen. „Wir haben Äcker, wir haben Saatgut. Neu ist: Bestellte Böden verlieren an Ergiebigkeit, Brache lässt sie wieder regenerieren. Wir haben auch mal wieder Schafe. Bei Schur geben sie Wolle und selbst bei Nichtstun spendieren sie jede Runde Milch. Neu ist: Sie vermehren sich nicht, sondern sterben, wenn man nichts dagegen unternimmt. Und wir haben natürlich Arbeiter, anfangs sechs, später bis zu zwölf. Besetzte Aktionsfelder sind nicht besetzt, sondern erfordern einfach einen Arbeiter mehr als beim Vornutzer. ‚Progressives Worker Placement‘ nennt dies der Verlag. Und neu daran ist: so viel nicht“, schreibt Bartsch in der Spielbox.
Udo Bartsch fühlt sich von „Hallertau“ an „Agricola“ erinnert. Viele Ressourcen und viele Karten, zusammen mit einem Mechanismus, bei dem Abgaben nicht sofort geleistet werden müssten, erlaubten allerding gewisse Freiheiten. Die „Schicksalhaftigkeit“ der Karten – bei denen man nie wisse, was komme – „steht im Widerspruch zur Strenge und Berechenbarkeit des restlichen Spiels. Fortschritte des Brauhauses kosten in der ersten Runde eine Gerste, in der zweiten Runde zwei, in der dritten wahlweise drei Gerste oder zwei plus Hopfen. Welche Waren ich in welcher Menge benötigen werde, ist vollständig vorhersehbar. Um halbwegs fehlerlos zu spielen, müsste ich in einer Tabelle bilanzieren, was ich bis zur kommenden Abgabephase zwingend erwirtschaften muss und welche Alternativen es gäbe. Oder noch besser lasse ich es von einem Computer ausrechnen.“
Aber auch Bauspieler kämen, so Bartsch, in „Hallertau“ auf ihre Kosten: „Und das verdankt das Spiel den Karten. Sie sind – und Uwe Rosenberg hat natürlich gleich mehrere Decks erstellt, damit sich niemand schon nach 30, 40 oder 50 Spielstunden zu langweilen beginnt – sie sind also sind in der Planwirtschaft die Verführung: Eigentlich müsste ich meine Wolle für den Fortschritt einsetzen, doch wenn ich sie aufbewahre und noch ein bisschen mehr anhäufe, spendiert mir meine Karte ein Schaf. Und eigentlich wären drei Schafe genug, sie sterben sowieso bald. Aber hätte ich ein viertes, wäre die Belohnung der nächsten Karte noch viel attraktiver. So hält uns ‚Hallertau‘ beständig im Zustand innerer Zerrissenheit.“ Bartsch gefällt das Spiel: „‚Hallertau‘ ist ein belohnendes, kein bestrafendes Spiel“, schreibt Bartsch. „Nicht der Spezialisierer gewinnt, sondern wer möglichst viel von allem unter einen Hut bringt. ‚Hallertau‘ selbst gelingt das auch, indem es sehr viel aus dem Werk von Uwe Rosenberg der vergangenen Jahre vereint. Das Spiel wirkt wie ein Deckel auf einer abgeschlossenen Dekade. Wie das letzte Kapitel einer langen Geschichte. Letzte Kapitel entfachen keine neuen Konflikte mehr. Sie fassen zusammen, sie runden ab. Vollendet wird ‚Hallertau‘ durch seine famose Ausstattung, die perfekte Anleitung, schöne Illustrationen und eine Grafik, die das Spielen sehr sinnvoll unterstützt.“ 7 von 10 Punkten erhält „Hallertau“ damit bei ihm.¹
„Das ist schon ein Schwergewicht“, meint Bernhard Löhlein zu „Hallertau“. „Denn wir müssen so vieles im Blick haben: Unsere Arbeiter sollen säen, ernten, bauen, Wolle und Fleisch produzieren – Halleluja. Das ist ein wirklich ein Spiel für Experten.“ Doch eigentlich gefällt Löhlein das Spiel sehr gut: „Ein typischer Rosenberg könnte man sagen. Denn der Spieleautor hat schon einige Aufbauspiele dieser Art veröffentlicht. Auch bei diesem hier ist alles wunderbar elegant miteinander verzahnt. Mit den vielen unterschiedlichen Aktionskarten kann ich in jeder Partie eine andere Strategie ausprobieren. Damit sind auch die Ziele der Spieler unterschiedlich, das gefällt mir.“ Einziger Negativpunkt in Löhleins Kritik im regionalen Ingolstädter Radio: „Mit der Hallertau hat das Spiel eigentlich nichts zu tun. Die Arbeiter könnten genauso gut den Hafen in Duisburg ausbauen. Schade.“²
Auch Julia Zerlik und Christoph Schlewinski haben sich in bierseliger Braurunde getroffen, um über „Hallertau“ zu sprechen. „Die Herausforderung ist, dass man alles plant“, meint Schlewinski. „Es ist alles wichtig: Du brauchst Arbeiter, die brauchen Werkzeuge, du brauchst Felder, Schafe. Da muss man gucken: Wo kriegt man was?“ Schlewinski findet „Hallertau“ dabei „elegant“. „Alles spielt ineinander“, sagt er. „Das ist kein Spiel wo man einfach sagt: Ach, gucken wir mal, sondern man muss das mögen, dieses Vorausplanen“, sagt er, findet es aber für die gehobene Komplexität „sehr eingängig“ und lobt in diesem Zusammenhang die beiliegende Rundenübersicht. Schlewinskis einziger Kritikpunkt ist die Größe des Tableaus, auf dem die Ressourcen auslegt werden. Das würde im Laufe des Spieles sehr voll.
Auch Julia Zerlik lobt das Spiel. Den Arbeitereinsetzmechanismus findet sie „interessant“, das Spiel böte, vor allem Dank der unterschiedlichen Kartendecks, „sehr viel Variabilität“. Das einzige, was Zerlik stört, ist der Glücksfaktor, der sich durch die Karten im Spiel ergibt. „Es kann manchmal passieren, dass die Karten einfach nicht mitspielen. Das ist ein bisschen schade“, sagt sie. Dennoch findet sie das Spiel insgesamt „gelungen“ und „elegant“, auch wenn es mit Bierbrauen nichts zu tun hätte. „Ich spiele das richtig gerne, mich stört es auch nicht, dass es mal länger dauern kann.“³