Ein Ausflug in die Natur ist eine schöne Sache. Bäume, Blumen, Tiere und überhaupt: Die allgemeine Ruhe des örtlichen Naherholungsgebietes zu genießen lohnt sich als Gegenpol zum anstrengenden Alltag. Auch „Meadow“ (Klemens Kalicki bei Rebel Studio) möchte die Spieler:innen in die Natur entführen – ein wenig Wettkampf ist allerdings doch dabei. Ob das Spiel nur ein gewöhnliches Gewächs am Wegesrand oder den Spielspaß zum Aufblühen bringt, haben unsere Jurymitglieder in ihren jeweilen Medien erkundet.
„Wir sammeln Karten und legen sie aus, und sie sollen möglichst viele Punkte zählen“, erklärt Udo Bartsch das Spiel. „Bei den meisten Karten ist das Auslegen an Voraussetzungen geknüpft. Um die Amsel legen zu dürfen, muss ich ein Käfer-Symbol in meiner Auslage haben, und dummerweise wird das Käfersymbol nun von der Amsel überdeckt: Käfer futsch, anscheinend gefressen. Die Amsel wiederum bringt ein Vogelsymbol mit, das zum Beispiel die Voraussetzung für den Weißdorn ist, der wiederum ein Beerensymbol trägt.“
„Das ist thematisch ganz toll stimmig“, findet Bartsch. „Und meine Auslage ist in stetem Wandel. Die Symbole sind nicht nur wichtig, um Karten platzieren zu dürfen. Gleichzeitig liefern wir uns ein Wettrennen, wer bestimmte Symbole zuerst auf seiner Wiese vereint. Das bringt dann Extrapunkte.“
Während des Spielens allerdings erwachsen Bartsch einige Probleme bei „Meadow“: „Glück und Pech dürfen bei einem Spiel dazugehören“, schreibt er. „Dramaturgisch ungünstig aber ist hier, dass gerade in der zweiten Spielhälfte der Zufall am mächtigsten ist, wenn hochwertigere Karten mit komplizierteren Voraussetzungen ins Spiel kommen. Hinzu kommt ein Problem, das der Plättchenmechanismus mit sich bringt: Angenommen, ich benötige ein Waldsymbol, und es ist gerade keins da. Alle Bodensymbole gibt es immer in der ganz rechten Spalte (‚Osten‘). In meiner Not lege ich mein Plättchen so, dass ich irgendetwas anderes aus dem Osten bekomme, um dort einen freien Platz zu schaffen, auf dem nun hoffentlich ein Waldsymbol nachgelegt wird. Zugriff auf diesen Platz hat man von drei Randslots. Und einen davon habe ich mit meinem eigenen Plättchen soeben versperrt. Also: Jeder Versuch, ein erhofftes Symbol auf den Spielplan nachgelegt zu bekommen, verringert automatisch die Chance, dann auch Zugriff darauf zu erhalten.“
Bartsch findet, „Meadow“ sei „toll illustriert, das Material ist schön und durchdacht, ein Begleitheft liefert zu allen Tieren, Pflanzen und Objekten Hintergrundinformationen. ‚Meadow‘ macht also richtig Lust aufs Losspielen.“ Nur das Weiterspielen gestalte sich dann oft zäh. Er würde, sagt Bartsch, „Meadow“ zwar noch einige Male spielen. „Allerdings ohne Euphorie und mit der Erwartung, dass es kaum anders laufen wird als sonst auch.“¹
Unbefriedigendes Finale
Harald Schrapers beschreibt seine Spielerfahrung ähnlich. Lob hat er zwar auch für die Gestaltung übrig, allerdings biete „Meadow“ keine „wirklich beeindruckenden Herausforderungen. Im Vergleich zu ‚Flügelschlag‘, was sich aufgrund mancher Ähnlichkeiten aufdrängt, muss ‚Meadow‘ zurückstecken.“
Der Spannungsbogen des Spiels, so Schrapers, sei nicht gut gelungen. „Meadow ist trotz der recht großen Regelfülle ein zufallsbetontes Spiel. Das möchte ich gar nicht kritisieren. Aber dass sich das Glückselement im letzten Spielviertel deutlich größer anfühlt, gefällt mir nicht. Am Anfang kann man noch taktische Planungen versuchen“, schreibt er. „Am Ende bange ich trotzdem bei jedem Kartenaufdecken, dass das Schicksal dafür sorgt, dass irgendetwas für mich Passendes mit drei oder gar vier Siegpunkten vor meine Füße fällt. Diese Hilflosigkeit kann eine gut gestartete Partie in ein etwas unbefriedigendes Finale treiben.“²
Bernhard Löhlein lässt in seiner Kurzkritik ein wenig mehr Gnade walten: „Nicht jede Karte steht mir zur Verfügung“, sagt er. „Alles sollte in mein Ökosystem passen: Der böse Wolf benötigt ein Tatzensymbol. Das befindet sich auf meinem Igel. Tja, den wird der Wolf wohl verspeisen. Was tut man nicht alles für Siegpunkte.“
„Durchaus anspruchsvoll“, findet Löhlein das Spiel. „Aber Dank der liebevollen Illustrationen von Karolina Kijak wirkt es richtig fluffig. Mit der Zeit bekomme ich ein Gefühl, was passt wohin. Welche Strategie wende ich an. So werden auch Gelegenheitsspieler elegant hineingeführt in die große weite Welt der Brettspiele.“³
Zwei Spiele aneinandergeklebt
Julia Zerlik und Nico Wagner haben sich im Video zu zweit auf die naturnahe Wanderung begeben. Auch Zerlik lobt die „Kartenvielfalt“ und das aufwändig gestaltete Kartenverzeichnis, in dem noch einige interessante Fakten zu den abgebildeten Tieren aufgelistet sind. „Das hat überhaupt nichts mit dem Spiel zu tun“, sagt sie, „aber das finde ich richtig klasse. Wir haben da öfter mal nachgeguckt, nachgelesen. Und wieder was gelernt.“
Am Anfang, sagt Zerlik, schaffe es „Meadow“ ein „schönes Naturspiel“ zu sein. „Nach hinten raus verliert es.“ Nicht genutzte Karten blieben oft lange liegen, so dass sich hier frustrierender Leerlauf ergäbe. Außerdem dauere das Spiel zu lange. „In Vier-Spieler-Partien waren die letzten zweieinhalb, drei Runden witzlos, weil auch annähernd klar war, wer gewinnen wird.“ „Meadow“ mache „viel richtig, aber es macht auch einiges falsch“, lautet ihr Fazit.
Auch Nico Wagner findet das Spiel thematisch „richtig gut durchdacht.“ Allerdings sieht auch er Längen und eine gewisse Eintönigkeit. Es gäbe „immer den gleichen Spielverlauf, was ich ein bisschen schade finde.“ Auch den Auswahlmechanismus für die Karten findet er zu kompliziert. „Das dauert bei vier Spielern zu lange. Dieses Element setzt oben noch einmal eine Ebene drauf, die das Spiel unnötig in die Länge zieht.“ Deswegen möchte er „Meadow“ auch nicht mit mehr als zwei Personen spielen.
Vor allem gegen Ende einer Partie vermisst Wagner das beruhigende Gefühl, durch die Natur zu spazieren – die Suche nach fehlenden Siegpunkten sei oft „sehr verkrampft“. Insgesamt meint er, in „Meadow“ gäbe es „auf jeden Fall viel zu entdecken, aber dann ist es auch gut.“ Es liefe einfach nicht richtig rund: „Es fühlt sich an, als seien zwei Spiele aneinander geklebt worden, die nicht so gut zueinander passen.“⁴