Man bräuchte gleich mehrere Monde um all das unterzubringen, was über den Mond gesagt und ihm zugeschrieben wurde. In „Nova Luna“ (Uwe Rosenberg und Corné van Moorsel, bei Edition Spielwiese und Pegasus Spiele) verwendet ein Plättchenlegespiel das beliebte Motiv als Thema. Unsere Jurymitglieder haben das Spiel in ihren jeweiligen Medien einige Mondphasen lang intensiv getestet. Die Meinungen? Gehen auseinander. Aber nur ein wenig.
Bei „Nova Luna“ heiratet die Spielerreihenfolge-Mechanik aus „Patchwork“ die Plättchenmechanik aus „Habitats“, beschreibt Stephan Kessler das Spiel. „Und die Plättchen kosten etwas. Wähle ich eines, bewege ich meinen Spielstein (den ich übrigens ein wenig zu klein finde) im Mondkreis so viele Felder weiter, wie das Plättchen kostet. Wer hinten ist, darf als nächstes wählen. Begehrt sind also Plättchen, die wenig kosten und einem gerade viel bringen. Nach der Plättchenwahl lege ich es bei mir an. Jedes Plättchen zeigt an, welche Farbe die angrenzenden Plättchen haben sollen, um einen Auftrag zu erfüllen. Angrenzend zählen dabei auch alle Plättchen der gleichen Farbe, die mit einem angrenzenden Plättchen verbunden sind. Dies stellt für Neulinge die größte Regelhürde dar. An einem Beispiel wird es meist besser erkannt. Erfüllte Aufträge werden durch eine Scheibe abgedeckt. Wer keine Scheiben mehr hat, gewinnt.“ ¹
„Der entscheidende Kniff: Eine Gruppe gleichfarbiger Plättchen zählt gemeinschaftlich“, ergänzt Udo Bartschs Text die Spielregel noch. „Hängen drei gelbe zusammen und nur einer davon grenzt an mein Plättchen, wird dies dennoch wie drei benachbarte Gelblinge gewertet. Auf diese Weise ist es dann doch möglich, vertrackte und scheinbar widersprüchliche Ziele zu erreichen. Wegen der Nachbarschaftsregel können an ein dunkelblaues Plättchen tatsächlich drei türkise, drei rote und zwei gelbe Teile gleichzeitig angrenzen – wenn man clever legt und Flächen bildet. Verflixterweise bringen die Neuankömmlinge aber ihrerseits Anforderungen mit, die man natürlich ebenfalls abarbeiten will. Verlangt mein rotes Teil einen gelben Nachbarn, wäre es perfekt, wollte das gelbe auch einen roten. Aber Plättchen sind – das lernen wir – kleine Diven.“ ²
Kessler gefällt dabei das Spiel grundsätzlich: „Dabei wird eine angenehme Spieltiefe erzeugt, die mich im gerade richtigen Maß grübeln lässt. Was passt wo am besten? Neben dem Plättchen selber, muss ich nämlich noch den Ort zum Anlegen wählen. Alles hängt mit allem zusammen, ohne mich zu überfordern.“ Nur, dass es bei vier Personen etwas länger dauern kann, bis man wieder dran ist, stört ihn, genau wie den etwas zu kleinen Spielstein und dass es nicht viele Möglichkeiten gibt voraus zu planen. Dennoch: „Auf diese Hochzeit lasse ich mich gerne ein“, schreibt Kessler.
Zwar nennt Bartsch „Nova Luna“ eine „reizvolle Grübelei“, schlägt aber etwas weniger versöhnliche Töne an: „Wer beklagt, sich erst entscheiden zu können, wenn er an der Reihe ist, hat einerseits recht. Denn erst jetzt ist klar, welche drei Teile zur Auswahl stehen. Andererseits irrt er, denn mit etwas Disziplin spricht nichts dagegen, den Blick schon vorher in der Umlaufbahn schweifen zu lassen, um zu planen und zu träumen, was man denn gerne hätte, sobald man in dessen Reichweite käme. Und wenn alle so starren, planen und tüfteln, ist ,Nova Luna‘ eine sehr schweigsame Angelegenheit, außer wenn gelegentlich einer den Mond anheult, weil er sich so sehr gelb gewünscht hätte und kein einziges Teil dieser Farbe nachgelegt wurde.“
Am Ende jedoch überzeugt ihn das Spiel. Das Material allerdings nicht: „‚Nova Luna‘ beweist Rosenbergs Gespür, das Wesentliche und Reizvolle aus einer Idee herauszuschälen, damit genau das, was Spaß macht, enthalten bleibt: das Austüfteln, das Zusammenfügen von Elementen zu einem Bild, der verzweifelte Versuch, das Unvereinbare zu vereinen. Und damit das, was primär Mühe macht, einfach entfällt. Der Verlag ist bei der Reduktion jedoch über das Ziel hinausgeschossen. Den Zusammenbau von zwei gefalteten Pappstücken zu einer instabilen Sichel namens Mondfigur hätte man in der Anleitung durchaus erklären dürfen. Und so gut sich die Mikrochips, mit denen wir erfüllte Ziele markieren, zum störungsfreien Ablegen eignen: Zum störungsfreien Voranschreiten auf dem Mondkalender eignen sie sich nicht. In nahezu jeder Partie habe ich Zählfehler erlebt.“ 7 von 10 Punkten ist Bartsch’ Wertung.
Zum Problem der zu kleinen Spielsteine verlautet übrigens von Verlagsseite, als Reaktion auf Bartsch’ Kritik, dass es sich bei der Größe der Spielsteine um einen Produktionsfehler handele, der in nächster Zeit behoben werden würde.
Julia Zerlik bewertet in ihrem Video das Spiel positiver: „Ich mag diesen Mechanismus aus ‚Patchwork‘, der hier ziemlich genau so übernommen wurde“, sagt sie. „Es wirkt auf den ersten Blick wie ein ganz einfaches Spiel, es ist auch von den Regeln her einfach gehalten, aber das was man macht, welche Teile man auswählt, welche Entscheidungen man trifft und wo man die Teile dann hinlegt, das ist richtig cool. Und es macht so viel Spaß, wenn man es geschafft hat, ein Teil hinzulegen und dadurch zwei oder drei Aufträge auf einmal erfüllt.“ Auch die Downtime hielte sich in Grenzen, dadurch, dass man beim Spielen ständig überlegen müsse. Spannung sei auf jeden Fall gegeben: „Es ist ein Rennspiel, es ist auch oft sehr knapp.“ Als abstraktes Puzzlespiel findet Zerlik „Nova Luna“ sehr gelungen.³
Manuel Fritsch setzt auf das Lob noch einen drauf und bekennt sich in seinem Podcast als Süchtiger. „Ich habe dieses Jahr kein Spiel öfter gespielt als ‚Nova Luna‘“, sagt er. „Es ist schwer zu beschreiben, warum das so süchtig macht.“ Fritsch versucht es natürlich trotzdem: „Es ist ein tolles Zweispielerspiel von seiner Mechanik her, es gewinnt durch drei oder vier Spieler nicht allzu viel dazu.“ Rosenberg habe, selbstverständlich mit Einverständnis, eine Mechanik aus dem Spiel „Habitats“ von Corné van Moorsel übernommen. „Rosenberg vermischt diese Mechanik mit der von ‚Patchwork‘, aber es entsteht ein völlig neues Spiel. Dieser ‚Patchwork‘-Teil macht das Spiel noch einmal ein bisschen cleverer als ‚Habitat‘ selbst.“
Fritsch beschreibt „Nova Luna“ zwar als nicht komplex, aber als abstrakt und strategisch. „Mit Grüblern am Tisch dauert’s vielleicht ein bisschen länger.“ Dennoch gibt es euphorisches Lob für den Spielspaß: „Das ist so befriedigend, dieses Puzzle vor deinen Mitspielern hinzukriegen.“ Es sei als Zweierspiel sogar „deutlich besser als ‚Patchwork‘.“⁴