„Res Arcana“ (Tom Lehmann bei Sand Castle Games) ist ein kleines Spiel – jedenfalls was die Anzahl der Karten angeht, die man zu Anfang bekommt. Was natürlich nicht heißt, dass das Spiel um Magier, Druiden, Rohstoffe, Orte und Monumente nicht zauberisch spannend und interessant sein könnte. Aber kann es auch die Kritiker unserer Jury bezaubern? Die Kritikenrundschau zu „Res Arcana“ hat die Antwort.
„Zehn Magier gibt es; nur einen davon spielt man“, stellt Stefan Gohlisch das Spiel vor. „40 Artefaktkarten gibt es; nur acht davon hat man in seinem Satz und anfangs nur drei zur Auswahl auf der Hand. Alle aber treten in unterschiedliche Wechselwirkung zueinander. ,Res Arcana‘ bietet viele Möglichkeiten und schränkt sie sofort wieder ein. Das passt zu dem eher prosaischen Spielziel: Wer zuerst zehn Siegpunkte gesammelt hat, gewinnt. Und das geht schnell, erschreckend schnell. Denn hier zeigt sich, wer das meiste aus seinen Möglichkeiten macht. Die Aktionen sind einfach: Man spielt Karten aus und bezahlt sie mit Rohstoffen. Man nutzt Karten, meist um neue Rohstoffe zu bekommen. Man sammelt Rohstoffe, um Orte der Macht und Monumente zu kaufen; die nämlich verschaffen einem erst die ersehnten Rohstoffe. Fünf unterschiedliche gibt es. Am seltensten, aber auch wichtigsten, sind die gelben, die für Gold stehen. Ohne Gold ist auch ein Zauberer nichts“, fasst Gohlisch den Spielverlauf zusammen.
Das Spiel gefällt ihm aufgrund der taktischen Möglichkeiten: „Interessant wird ‚Res Arcana‘ durch die Synergieeffekte, die sich durch die unterschiedlichen Karten und Kartenarten ergeben. Die muss man meistern, um bei diesem Punktewettlauf erfolgreich zu sein.“ Es sei vor allen Dingen ein Spiel, bei dem die Technik glänzt: „‚Res Arcana‘ ist kein thematisches Spiel. Seinen erheblichen Reiz entfaltet es ausschließlich über die Mechanik, die bei allem Minimalismus eine große Varianz der einzelnen Partien ermöglicht und immer wieder neue strategische Herangehensweisen erfordert. Die auszuloten, lohnt sich.“ Vier von fünf Sternen vergibt Gohlisch für das Spiel. ¹
Auch Tim Koch fällt der Minimalismus von „Res Arcana“ auf. Das persönliche Deck sei auf gerade mal acht Karten begrenzt. „Weil das Spiel nur über 4 bis 6 Runden läuft, ist die Dichte an Entscheidungen immens. Jede gespielte Karte will wohl überlegt sein, jeder verschwendete Rohstoff kann später fehlen. Zudem sorgt die hohe Zahl an verschiedenen Karten und Charakteren für eine enorme Abwechslung, keine Partie gleicht der anderen.“ Prinzipiell gefällt ihm das Spiel – mit kleinen Einschränkungen: „Dennoch ist das Spiel nicht ganz ohne Schwächen. Ich empfehle die Drafting-Variante um dem Pech bei der Kartenverteilung entgegenzuwirken. Außerdem bevorzuge ich das Spiel zu zweit. Interaktion gibt es sowieso kaum, zu zweit kann man die Wartezeiten auf ein Minimum reduzieren.“ ²
„Viel Interaktion entsteht hier nicht“, meint auch Udo Bartsch. „Man schnappt sich gegenseitig die Orte weg und gelegentlich aktiviert mal wer eine Karte mit einem kleinen aggressiven Effekt. Vorrangig ist jeder mit seiner eigenen Maschine beschäftigt und tüftelt für sich: Was tue ich in welcher Reihenfolge? Welchen Rohstoff nehme ich, wenn ich die Wahl habe? Kann ich mir aus meinen aktuellen Handkarten was aufbauen oder muss ich an bestimmte Schlüsselkarten aus meinem Nachziehstapel gelangen? Beim Draften kommt noch die strategische Ebene hinzu: Welche Karten könnten zusammenpassen? Auf welche(n) Ort(e) ziele ich ab? Was die anderen Spieler machen, verfolgt man nur so am Rande.“
Auch Bartsch gefällt das Spiel prinzipiell: „‚Res Arcana‘ ist wie ein Baukasten. Die Experimente damit machen den Spielspaß aus. Der Baukasten enthält zwar nur bekannte Elemente, originell ist aber neben der geringen Kartenanzahl auch deren relativ hohe Varianz.“ Am Ende bleibt ihm der magische Experimentierkasten aber zu abstrakt: „‚Res Arcana’ bleibt in der Mechanik. Für mein Empfinden sind die Spielhandlungen als solche nicht interessant genug, um mich zu fesseln. ‚Res Arcana‘ erlebe ich während der Partie nicht als spannend.“ Das Spiel sei „anregend“. „Dennoch brenne ich nicht auf ein nächstes Mal. Denn für mein Spielerlebnis zählt nicht nur der Kopf.“ Vier von sieben Sternen erhält das Spiel – und damit die Wertung „solide“.³
Julia Zerliks Urteil ist dagegen etwas gespalten. Einerseits meint sie: „Res Arcana bringt alles mit, was ein gutes Kartenspiel mit ein wenig Holzmaterial ausmacht.“ Sie lobt außerdem Illustrationen und die Darstellungen auf den Karten: „Die Karten sind eigentlich recht kompliziert, aber es ist sehr gut dargestellt.“ Auch die Spieltiefe gefällt ihr: „Man kann sehr, sehr viel ausprobieren“, sagt Zerlik. Der Wermutstropfen sei jedoch eine Regel im Grundspiel: „In meinen Augen ist das Grundspiel einfach nicht gelungen“, sagt sie. Die Verteilung der acht Artefakte, die man am Anfang bekommt, sei zu zufällig. „Es kann passieren, dass man acht Karten hat, die einem erst mal gar nichts bringen. Es kann passieren, dass man keine einzige Karte bekommt, die einem Einkommen bringt. Dann hat man ein Problem, an Ressourcen zu kommen.“ Oder man stünde eben umgekehrt sehr gut da. So oder so: „Es gibt in dem ganzen Grundspiel keine Möglichkeit, auch nur eine einzige Karte zu seinem Deck hinzu zu bekommen oder auszutauschen. Diese acht Karten, die man bekommt, mit denen muss man klar kommen.“ Das ging sogar soweit, sagt Zerlik, dass es schon zu Beginn möglich gewesen sei, zu prognostizieren, wer das Spiel am Ende gewinnen würde. „Das finde ich“, sagt Zerlik, „fast schon dramatisch. Es darf nicht sein, dass das so auf Zufall basiert“. Schließlich sei „Res Arcana“ Kennerspiel, bei dem es darum geht, das Beste herauszuholen.
Die Spielvariante allerdings, nach der man sich zu Beginn das Deck aussuchen dürfe, mache es „um Welten besser. Sie sei sogar „richtig genial“. „Da gibt es viel zu entdecken“, sagt Zerlik.⁴
Harald Schrapers schließt sich ihr an: „In der Standardregel ist es leider so, dass alle acht Karten dem Zufall unterworfen sind. Und mit Pech passen diese Karten gar nicht zusammen, was einem die Freude an der Partie rauben kann. Erst im Abschnitt ‚Spielvarianten‘ findet sich der entscheidende Hinweis, wie diese konzeptionelle Schwäche zu beheben ist: Man soll die Karten draften“, schreibt er. Eine zweite Schwäche des Spiels sieht er darin, „dass ‚Res Arcana‘ nicht konsequent als Zwei-Personen-Spiel entwickelt wurde. Um es in größerer Runde erträglich zu machen, wird hier viel zu krampfhaft Interaktion simuliert. Eine Reihe von Karten erlauben es, dem Gegner grüne Ressourcen – Leben – wegzunehmen. Andere Karten ermöglichen es, sich genau dagegen zu wehren. In der Praxis spielt das aber keine Rolle, in vielen Partien wird die Aktion nicht einmal verwendet. Und für ein Duell reicht die eh schon vorhandene Interaktion – die Konkurrenz um Gegenstände, Monumente und Orte in der Tischmitte sowie den Startspielermarker – völlig aus.“ Hier hätte er sich gewünscht, dass das Spiel mehr auf den Punkt gebracht worden wäre. Letztendlich fällt das Urteil aber positiv aus: „Denn der Ablauf ist pointiert und schnell, die Aktionsmöglichkeiten und die Symbolik sind klar wie präzise, wenngleich es eine große Vielfalt an Optionen gibt. Obwohl ‚Res Arcana‘ an andere Spiele erinnert, wirkt das, was hier neu ist, zudem originell. Das macht Freude, und für eine der halbstündigen Partien sollte immer Zeit sein.“ Acht von zehn Punkten vergibt er für das Spiel.⁵
Ähnlich, nur noch ganz so kritisch sehen das Manuel Fritsch und Stephan Kessler in Fritsch’ Podcast. „Es ist eigentlich ein Wettrennen“, so Manuel Fritsch. „Wir versuchen das alles gleichzeitig zu machen. Jeder spielt seine Runde und versucht möglichst schnell an diese Siegpunktkarten zu kommen. Das Reiz ist, dass ich es schneller hinbekomme als die anderen meinen Weg zu finden.“ Er findet das Spiel „gut ausbalanciert“. Man hat sehr viele Möglichkeiten, Siegpunkte zu machen. Es gibt nicht diesen einen Weg. Es kann schon sein, dass man mathematisch schlechtere Chancen hat als der Mitspieler. Aber ob man das merkt und sich das im Spiel so anfühlt, weiß ich nicht.“
Für Stephan Kessler liegt der Reiz darin, dass er sich immer fragen muss: „Wie kriege ich das Optimale aus meinen Karten raus?“ Es sei nicht das Thema, das ihn fasziniere, „sondern die Mechanik, dieses Optimieren, das mich so anspricht“. Allerdings bemerkt er: „Mit dem Deck, das ich bekommen habe, hatte ich gar nicht so die Möglichkeiten das zu machen, was die anderen machen konnten.“
Beide sind sich einig, das das Spiel zwar komplex sei, aber eine niedrige Einstiegshürde hätte. „Ich finde es außergewöhnlich, was hier mit nur acht Karten geschaffen wurde“, sagt Kessler. „Es ist weit davon entfernt, ein Expertenspiel zu sein“, findet Fritsch. Um es gut zu spielen, bräuchte es allerdings Zeit. Dennoch räumt er ein, dass das Spiel in der Variante mit gezielt gezogenen Karten „richtig gut“ wird. „Da hat es mich erst richtig überzeugt.“ Allerdings: „Das funktioniert erst, wenn das Spiel schon einigermaßen kennt.“ Fritsch hat jedenfalls „Lust darauf, mehr auszuprobieren, mehr zu spielen.“⁶