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Kritikenrundschau: Schnitzeljagd – Fressen ist Glückssache

Wie das eben so ist: Mal ist man Jäger, mal wird man gejagt. Und mal beides gleichzeitig. In „Schnitzeljagd“ (Brett J. Gilbert und Matthew Dunstan bei Edition Spielwiese und Pegasus Spiele) geht es zu wie in einer besonders dramatischen Naturdokumentation. Unsere Jurymitglieder haben in ihren jeweiligen Medien Kontakt zu ihrem inneren Raubtier gesucht und versucht, in der leuchtend-bunten Neonnatur zu überleben.

„Bär, Wolf, Luchs, Eule und Maus – wir alle starten mit dem gleichen Set aus fünf Tieren“, erklärt Karsten Grosser das Spiel. „Beginnt die Jagd, entscheidet sich jeder geheim für eine Karte. Je kleiner das Tier, desto mehr Fressfeinde hat es. Der große Bär indes hat nichts zu befürchten. Nun decken wir alle unsere Karte auf und warten ab, was passiert. Nacheinander werden die Tiere entsprechend der Nahrungskette aufgerufen – und aufgedeckt. Haben mehrere von uns das gleiche Tier ausgewählt, geschieht nichts. Kommt jedoch ein Tier als einzelner Jäger daher, darf es fressen. Es hat freie Auswahl unter den Tieren, die unter ihm in der Nahrungskette stehen. Es entscheidet aber, ohne vorab die noch verdeckten Karten zu kennen. Wer gefressen wird, scheidet aus. Zumindest für diese Jagd.“

Grosser nennt „Schnitzeljagd“ ein „lineares ‚Stein, Schere, Papier‘“, in dem schnell der „Ich denke, dass du denkst, dass ich denke“-Effekt eintrete. „Bluffen gehört natürlich auch dazu“, schreibt er. Das Spiel zeichne sich durch „schnelle Entscheidungen, aufs Bauchgefühl hören, schnelles Abhandeln, Emotionen freisetzen“ aus. „Ich ärgere mich, weil mein Bär schon wieder nicht allein bleibt. Ich hoffe, dass der Wolf sich für die falsche Beute entscheidet. Ich jubele, weil der Luchs alle Eulen frisst, aber nicht meine Maus. Ich fluche, weil es mich schon wieder erwischt hat.“ „Schnitzeljagd“ ist für Grosser „Spaß im Schnelldurchlauf“. Allerdings, merkt er an, sollten mindestens drei Personen mitspielen. „Besser zu viert oder zu fünft. Zu zweit floppt das Spiel indes; dann ist es schlichtweg langweilig“, schreibt Karsten Grosser. Grundsätzlich gebe es bei „Schnitzeljagd“ einen sehr hohen Glücksfaktor. Mitunter sei die Wahl der Karte schlicht egal. „Aber ‚Schnitzeljagd‘ lebt von den Momenten, vor den Entscheidungen. Wenn ich in den Augen meiner Mitspieler lese. Wenn ich versuche, sie mit Sprüchen zu verunsichern.“ Insgesamt gefällt Grosser „Schnitzeljagd“ – in seiner Rezension hat er auch ein Lob für die ungewöhnliche Neongrafik des Spiels übrig.¹

Für Tim Koch ist „Schnitzeljagd“ „ein Hauch Pokern, ein wenig ‚Ich denke, dass du denkst‘, eine ordentliche Prise Glück und natürlich ganz viel Emotion.“ Es gebe eigentlich nicht viel zu Grübeln. „Und doch ertappt man sich selbst immer wieder dabei, zu versuchen, in die Gedankengänge des Gegenübers einzudringen. Und genau das macht den Reiz aus“, schreibt er. Das Spiel sorgt bei Koch „immer wieder und fast garantiert für Lacher“. Dennoch bleibe das Gefühl, alles schon mal gesehen zu haben. „Vergleichbare Spiele gibt es zur Genüge, ‚Schnitzeljagd‘ punktet allenfalls mit der wirklich sehr vereinfachten Herangehensweise“, meint er und findet auch einen großen Glücksanteil in der Spielmechanik. „Spätestens beim nächsten großen Lacher ist es aber eigentlich egal, ob das jetzt Zufall war. Und im Zweifel ist es immerhin eine gute Ausrede, wenn die eigene Jagd mal wieder vollkommen misslungen ist.“ Die Grafik allerdings findet Koch „fürchterlich“, erkennt aber auch an, dass sie das Spiel aus der Masse ähnlicher Spiele hervorhebt.²

Maren Hoffmann findet: „Selten kam ein Ich-denke-was-du-denkst-was-ich-denke-Spiel in so prägnantem Design daher.“ Für sie ist das Spiel „ein Fest in grellen Neonfarben und macht auf dem Tisch ordentlich was her.“ Sie erlebt es als „ein dauerndes Schätzen, Bluffen und Schadenfreuen, ein schönes, bildstarkes Spiel für eine kleine Pausen- oder Abendrunde.“ Auch sie empfiehlt das Spiel erst ab drei Spieler:innen. „Sonst wird das Bluff-Feuerwerk zum Rohrkrepierer.“³

„Es ist alles so schreiend“, beschreibt Martina Fuchs die Farbgebung von „Schnitzeljagd“. Sie wird damit nicht warm: „Eigentlich fühlt sich das Spiel so an, dass ich mir ganz viel merken muss“, sagt sie. Aber: Zweimal sei es passiert, dass jemand gewonnen hat, der zufällig Karten gezogen hat. „Einfach weil er keine Lust auf dieses Spiel hatte.“ Für Fuchs ist ein weiterer Kritikpunkt, dass schon in der ersten Runde Spieler:innen rausfliegen, „und dann sitze ich fünf Minuten da und warte, bis die anderen fertig sind. Und wenn ich Pech habe, passiert mir das nochmal“, sagt Fuchs. „Ich fühle mich bei dem Spiel nicht gut, egal ob ich verliere oder gewinne.“ Das Spiel habe zwar seine Liebhaber, sie ist sich aber nicht sicher, für wen das Spiel eigentlich gemacht sei.

Auch Julia Zerlik fällt an „Schnitzeljagd“ zunächst das Design auf. „Am Anfang habe ich gedacht: Herrjemine, was ist das? Mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt und sogar ein wenig Freude daran gefunden.“ Man könne sofort losspielen, denn das Kartenspiel habe sehr „reduzierte“ Regeln. „Ich habe in jeder Runde Leute gefunden, die das richtig toll finden, ich habe aber auch Leute gefunden, die das überhaupt nicht mögen.“ Um Spaß zu haben, müsse man affin für Bluffspiele sein. Dass Spieler:innen vorzeitig ausscheiden, findet sie nicht so schlimm, das dies immer nur für einen kurzen Moment ist. Für Zerlik funktioniert „Schnitzeljagd“ am besten als „Absacker“ am Ende des Spieleabends oder zu Beginn zum Einspielen. Sie empfielt es für vier oder fünf Spieler:innen, „dann sind mehr verschiedene Tiere im Pott“. Mit den richtigen Leuten sei es „eine runde Sache“.

Tobias Franke findet zum Design: „Dabei habe auch ich feststellen müssen, dass sich die besonderen Neon-Farben nicht in Fotos einfangen lassen – man muss schon die Schachtel oder noch besser die dicken Karten in die Hand nehmen, um das besonderes Aussehen auf sich wirken zu lassen.“  Für ihn ist „Schnitzeljagd“ „ein ständiges Belauern mit ganz viel Table Talk.“ Am besten spiele es sich in größeren Gruppen, schreibt er. „Dann passiert dauernd was am Tisch und die Durchgänge bleiben interessant, auch wenn vielleicht schon die ein oder andere Person rausgeflogen ist – was übrigens aufgrund der Schnelligkeit des Spiels kein Problem darstellt.“ Für zwei Personen findet er es ungeeignet und kritisiert die entsprechende Angabe auf der Box. Generell gefällt Franke das Spiel – vor allem wegen der Emotionen am Tisch.

¹ Spielfreu(n)de: Schnitzeljagd
² Spielekenner: Schnitzeljagd
³ Spiegel: Schnell aufgetischt – neue Kartenspiele im Test
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