Der Weltraum. Unendliche Weiten. Wenn da nicht überall diese Drachen wären. Und um genau die geht es bei „Space Dragons“ (Richi Haarhoff bei Edition Spielwiese / Pegasus Spiele). Sie müssen eingefangen werden. Die Konkurrenz allerdings schläft nicht und stellt auch schon eifrig ihre Crew zusammen. In ihren jeweiligen Medien haben sich unsere Jurymitglieder in ihre Raumschiffe begeben um herauszufinden, ob sich diese intergalaktische Drachenhatz lohnt.
„Als Captain des neusten Sternenflitzers stelle ich eine schlagkräftige Crew in Kartenform zusammen, um diese Drachen für den interstellaren Zoo zu sammeln“, fasst Stephan Kessler den Spielverlauf zusammen. „Die Crew ergibt sich aus einem Draft, also dem Auswählen einer Karte und dem Weitergeben der restlichen. Nachdem alle neun Karten haben, zünden wir die Raketen unseres Raumschiffs. Reihum schickt jeder Captain ein Crewmitglied in den Ring – spielt also eine Karte aus. Diese sind mit Nummern versehen und wer am Ende die höchste Karte hat, gewinnt den Drachen. Nach sieben Runden sind alle Drachen verteilt und die letzten beiden Karten nutzlos – zwei reine Redshirts also. Dann werden Punkte gezählt und der beste Nachwuchs-Captain gekürt.“
Im Herzen sei „Space Dragons“ ein Stichspiel, schreibt Kessler. Allerdings mit einem Kniff: „Hier bekommen wir nämlich nicht die Karten der anderen Mitspielenden, sondern unsere ausgespielten Karten bleiben vor uns liegen und zählen für den eigenen Aufbau. Dadurch ist das Spiel auch viel planbarer als herkömmliche Stichspiele.“ Dadurch – und durch das Draften zu Anfang – sei „Space Dragons“ nicht so glücksabhängig.
Allerdings: „Schönheitsfehler finden sich bei der Umsetzung und Gestaltung“, schreibt Kessler. „Das Anzeigen der Schilde und der Beschädigungen des Schiffs durch Karten hätte besser gelöst sein können, denn diese verrutschen sehr leicht. Ein Wertungsblock am Ende hätte dem Spiel sicher auch gutgetan, wenngleich die Punktezahlen noch überschaubare Dimensionen annehmen. Wirklich unübersichtlich wird es bei den Symbolen, die jeder Captain sammelt. Denn diese übersieht man leicht. Ein Symbolplan, bei dem jede Person seine aktuelle Symbolanzahl festhält, wäre notwendig gewesen.“
Dem Spiel gelinge dennoch „der Spagat zwischen Glück und Selbstbestimmung“, schließt Kessler. Die Lernkurve und die Kurzweiligkeit des Spieles gefallen ihm. „Bis auf kleine Schönheitsfehler ein überzeugendes Gesamtprodukt“, lautet sein Fazit.¹
Attraktive Feinheiten
Auch Harald Schrapers gefällt die Lernkurve von „Space Dragons“: „Ab der zweiten Partie schafft man es, die Feinheiten zu entdecken“, schreibt er. „Man möchte Karten mit möglichst wenig Symbolen für Kriminalität, viel für Unterhaltung und besonders viel oder wenig für Wissenschaft. Da nicht alles gleichzeitig geht, versucht man, sich eine Strategie zurechtzulegen.“ Auch Schrapers vermisst einen Wertungsblock wünscht sich eine etwas klarere Gestaltung: „Für Raumschiffe, Feuerbälle und Schilde werden Kartenrückseiten verwendet, was zunächst verwirrt. Eigene Karten oder gar Plättchen wären angemessener.“ Dennoch sei „Space Dragons“ ein „attraktives Spiel.“²
Als Zweimanncrew haben sich Manuel Fritsch und Christoph Schlewinski dem Drachenfangen gewidmet. Fritsch findet dabei die minimalistische Spielgestaltung vielmehr „elegant: Man braucht keinen Steinchen, keinen Zähler, keinen Counter.“ Für ihn ist „Space Dragons“ ein „schnelles, flottes Draftingspiel mit einer kleinen Stich-Mechanik.“ Ein Vergleich mit „Die Crew“ dränge sich zwar auf; allerdings: „Es ist noch weniger Stichspiel, als es ‚Die Crew‘ war“, sagt Fritsch. „Man muss nicht so arg viel Mitdenken, es ist keine Knobelaufgabe wie ‚Die Crew‘“.
Nur in den letzten zwei oder drei Runden könne es chaotisch werden: „Da geht es dann so, dass die Leute sich über den Tisch beugen, und dann geht das Gerechne los“, sagt Fritsch. Insgesamt findet Fritsch „Space Dragons“ aber „sehr schön, sehr gut gelungen.“ Es sei „ein wunderbarer Absacker.“
Dem Lob schließt sich Schlewinski an. Auch er hebt noch einmal die minimalistische Gestaltung hervor: „Ich finde gut, dass alles verwertet wird: Alle Karten, die nicht im Spiel sind, habe auch einen Nutzen.“ Für ihn ist „Space Dragons“ „ein sauber gemachtes Ding, das ist schnell, das ist lustig, das wird bestimmt noch öfter auf den Tisch kommen.“³
Gut gefiele ihr, sagt Julia Zerlik im Video, dass „Space Dragons“ ein simples und gut erklärbares Stichspiel sei, in dem sich allerdings viele Feinheiten versteckten. „Das ist einfach und intuitiv erklärt, es ist eine klare Symbolik, es funktioniert super gut“, sagt sie. „Das finde ich toll, dass man hier wirklich überlegen muss: Will ich den Stich oder nicht? Oder sich zu fragen: Wie hoch steige ich ein? Diese Abwägung finde ich toll.“ Auch, dass die dieselben Karten für verschiedene Zwecke verwendet werden könnten, gefällt ihr.
Zerlik kritisiert ebenfalls, dass die Karten, die Schadens- und Schildpunkte anzeigen und unter die Raumschiffkarte gelegt werden müssen, leicht verrutschen könnten. Das sei aber nach mehreren Partien kein Problem mehr. Und mehrere Partien würden auf jeden Fall gespielt: Zerlik bemerkt, dass nach der ersten Partie „Space Dragons“ in ihren Spielerunden immer noch eine Partie gefordert wurde. „Und wir haben da auch schon sieben, acht Partien am Stück gespielt, und es wurde nicht langweilig“, sagt sie. Für noch mehr Abwechslung sorge eine alternative Spielvariante auf den Kartenrückseiten.
Für einige Spieler:innen, sagt Zerlik, sei allerdings die Drafting-Phase am Anfang des Spiels zu lang gewesen, tatsächlich dauere sie manchmal fast genauso lang wie das Spiel selbst. Für sie allerdings sei das Teil des Spiels, und nicht Teil der Vorbereitung und dürfe deshalb auch etwas länger dauern.
„Ich habe eigentlich gar nichts erwartet“, so lautet Zerliks Fazit, „und dachte dann schon bei der ersten Partie: Toll.“ „Space Dragons“ mache süchtig und sei „ein tolles Familienspiel.“⁴
Star-Trek-Gefühl
Zusammen mit Nico Wagner wagt sich Stephan Kessler zum zweiten Mal in den von Drachen bevölkerten Weltraum. Ob „Space Dragons“ nun eher den Schwerpunkt auf die Draft- oder auf die Stichmechanik setzt, ist ein Punkt, bei dem die beiden sich nicht so ganz einigen können. Beides sei jedenfalls wichtig.
Wagner findet das Spiel mechanisch „clever gemacht“. „Finde ich ein cooles Konzept. Wir schmeißen alles, was ein Stichspiel macht über Bord, es gibt keine Farben, es gibt keine Trümpfe, und dafür lassen wir uns ein ganz neues System einfallen“, sagt er. „Ich nehme vielleicht sogar bewusst kleine Karten, um den anderen was reinbuttern zu können.“ Besonders hebt Wagner hervor, dass es verschiedene Wege zum Sieg gäbe – man könne auch viele Punkte machen, ohne viele Drachen zu gewinnen. Zwar sei es manchmal etwas „fummelig“, die Karten unter die Raumschiffkarten zu schieben, aber dennoch: „Ich bin absolut begeistert von dem Spiel“, so Wagners Fazit, „Ich mag Stichspiele, und ich finde es echt cool, dass dem ganzen hier so ein neuer Spin gegeben wird.“
Kessler ergänzt noch einmal seine Kritik. Besonders gut gefällt ihm an dem Spiel das „Überraschungsmoment“ – vor dem Draften wisse man nie, wie die Runde laufen würde. Außerdem sagt er: „Ich mag die thematische Einbettung, dieses Star-Trek-Gefühl.“ Nur warum jetzt ausgerechnet Drachen im Weltraum gejagt würden, wüsste er auch nicht so genau. „Das finde ich schade“, sagt Kessler, „denn die Symbole auf den Karten unterstützten das Thema ansonsten sehr gut. „Ich mag das Spiel, ich mag diese Idee“, so sein Fazit. „Dieses Konzept, das ist etwas Schönes, Neues, was da erfunden wurde.“⁵
Auch in unserem Podcast ➜ war „Space Dragons“ Thema.