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Kritikenrundschau: Zug um Zug Legacy – Schieneneinsatzverkehr

Immer weiter nach Westen: In der Geschichte der USA markiert der Bau der transkontinentalen Eisenbahn eine wichtige Zäsur. „Zug um Zug Legacy – Legenden des Westens“ (Rob Daviau, Matt Leacock und Alan R. Moon, erschienen bei Days of Wonder) lässt die Spieler:innen in diesem historisch sehr locker interpretierten Kontext als Eisenbahngesellschaften agieren. Also haben sich unsere Jurymitglieder in ihren jeweiligen Medien für das auf dem Spiel des Jahres 2004 basierenden Spiel die Planer:innenhüte aufgesetzt, die Trillerpeife betätigt und sich unter Volldampf auf die Schiene begeben.

„Grundsätzlich passiert, was immer bei ‚Zug um Zug‘ passiert: Ich versuche, zielgerichtet Karten anzuhäufen und rechtzeitig auszuspielen, bevor mir jemand eine wichtige Strecke vor der Nase wegschnappt“, erklärt Udo Bartsch das Spiel. „Ich muss umplanen, wenn es doch geschieht. Ich muss mich beeilen, denn die letzte Runde einer Partie beginnt, sobald jemand nur noch zwei oder weniger Waggons hat.
Ich entscheide, welche und wie viele meiner Startaufträge ich behalte und ob ich während der Partie weitere ziehe. Weil unerledigte Aufträge hart bestraft werden, ist das Finale sehr spannend: Schaffe ich noch alles, was ich mir vorgenommen habe, oder schaffe ich es nicht? Nun kommen noch Legacy-Elemente hinzu: Nach jeder Partie vergrößern wir den Spielplan um ein Segment, und abhängig davon, welchen Landstrich wir ranpuzzeln, kommen neben neuen Aufträgen auch neue Regeln ins Spiel. Man kann sagen: Jedes Spielplan-Segment bringt seine eigene Mini-Erweiterung mit“, fasst er zusammen.

„Es sind bald sehr viele Regeln und Kleinigkeiten, die wir kollektiv im Gedächtnis und im Blick behalten müssen“, schreibt Bartsch. „Schon nach wenigen Partien kommt ‚Zug um Zug Legacy‘ im Kennerspielbereich an.“ Er ist in seiner Meinung über das Spiel „zwiegespalten“. So erzeugen die vielen Mini-Spiele eine „Spannung, was als Nächstes kommt“. Die Mini-Spiele hält er für „unterschiedlich gut gelungen. Es ist einiges dabei, was ich nur im Rahmen einer solchen Kampagne akzeptabel finde, weil es mehr als den Spielreiz den Aufwand erhöht. Vieles ist dabei, was eine Redaktion aus Vereinfachungsgründen aus dem Spiel herauswerfen würde – wäre es nicht gerade ein Legacy-Spiel, das auf diesem Mini-Spiel-Prinzip beruht. Und es ist nichts dabei, das ‚Zug um Zug‘ substanziell verbessert und was ich nun immer in ‚Zug um Zug‘ haben wollte.“ Auch die Spielgeschichte gefällt Bartsch nicht so gut. Sie sei für das Spielgeschehen schlichtweg „egal“. Andere Elemente das Spiels gefallen ihm hingegen gut: „Für jede Partie wählt jede:r von uns einen Charakter, der bestimmte Sonderaktionen ermöglicht. Wer die vorherige Partie verloren hat, wählt zuerst; wer gewonnen hat, wählt zuletzt. Das hat merklich dazu beigetragen, das Feld beisammenzuhalten“, schreibt er. „Die Gesamtwertung am Ende der Kampagne ist sehr schlüssig.“
Am Ende ist Bartsch jedoch „fast sogar enttäuscht“. Am meisten Spaß mache ihm an „Zug um Zug Legacy“ das, was in „Zug um Zug“ sowieso schon enthalten sei. Dennoch: „Es ist schon interessanter, ‚Zug um Zug Legacy‘ zu spielen als zwölf Partien ‚Zug um Zug‘, deren Ergebnisse ich am Ende aufsummiere. Also trägt eindeutig auch die fortwährende Veränderung zum besonderen Spielerlebnis bei. Und würde ich ein zweites ‚Zug um Zug Legacy‘ spielen wollen, sofern es eines Tages erscheint? Ja. Ich wäre wieder neugierig.“¹

Maren Hoffmann gefällt die Anleitung von „Zug um Zug Legacy“: „Sie startet mit einfachen Regeln und wird sanft nach und nach komplexer; eine vorbildliche Anleitung führt durch alle Schritte.“ Für sie bleibe das Spiel immer „übersichtlich“: Zwar kämen Regeln hinzu, es fielen allerdings auch immer wieder welche weg. „Wer am Ende den Gesamtsieg einfährt, bleibt bis zum Schluss erfreulich offen“, schreibt sie. Geeignet sei das Spiel auch für zwei Personen. „Die Zusammensetzung der Mitspielenden lässt sich ändern, jedoch ist das nicht empfehlenswert. Es trägt sehr zum Spaß bei, die gesamte Geschichte gemeinsam zu erleben.“ Ihr Urteil: „Lohnt sich. Es ist allerdings teuer. An dieser Stelle deshalb der Hinweis auf den CCP-Wert, den ‚cost per play‘: Wenn man alle Kapitel durchspielt (und man wird das tun wollen), muss man pro Abend und Person zu viert weniger als 2,50 Euro investieren.“ Benötigt werde allerdings auch ein großer Tisch.²

Martina Fuchs findet: „Es ist faszinierend, es ist ‚Zug um Zug‘, es ist hart und es ist gemein.“ Für sie stehe das kompetitive Element von „Zug um Zug Legacy“ im Vordergrund: „Am Anfang haben wir das gar nicht gespürt, aber je länger wir spielen und je größere unsere Map wird, umso härter wird der Kampf um die Strecken“, urteilt sie. „Es ist ein gutes kompetitives Legacy-Spiel. Man muss ja sagen, dass die es schwierig haben, weil es oft einfacher ist, etwas kooperativ in der gleichen Runde ganz lange zu spielen.“ Zu zweit sei das Spiel etwas weniger konfrontativ als in einer Partie zu dritt oder zu fünft. „Ich glaube, dass es zu dritt einen Sweet Spot hat, wenn man gerne konfrontativ spielt.“ Sie auf die Mechanismen hin, die den Spielenden die Chance zum Aufholen geben. Für Fuchs ist es „das erste kompetitive Legacy-Spiel, von dem ich sage: Das macht mir richtig Spaß.“ Es sei kurzweilig und besitze Glücksmechaniken. Nicht, wer am besten plant, gewinnt.“ Es sei spannend, weil immer Neues dazu kommt und man Stück für Stück lernt. Es sei ein Spiel „für jeden, der ‚Zug um Zug‘ mag, der Legacy mag“. Sie habe in ihrer Runde „total Spaß“ gehabt, „und wir alle drei hatten eine gute Zeit“.³

Auch Michaela Poignée ist von „Zug um Zug Legacy“ „total begeistert. Es ist eine tolle Legacy-Umsetzung zu einem wirklich tollen Spiel“, das sie neugierig gemacht habe, es zu erkunden: „Was kommt jetzt als nächstes? Welche Elemente kommen neu rein?“ Das sei manchmal so viel, dass man aufpassen müsse „dass man nichts vergisst“. Besonders würdigt sie den Einfallsreichtum des Autorentrios: „Ich muss echt sagen: Hut ab, da hat man sich richtig tolle Sachen einfallen lassen“, sagt Poignée. Für sie ist das Spiel eine unbedingte Empfehlung. Ihr einziger Kritikpunkt: „Es ist jetzt vorbei.“

„Thematisch, stimmig und cool“ findet Julia Zerlik „Zug um Zug Legacy“. Gleich die erste zu öffnende Box habe sie überrascht. Für sie setze das Spiel vor allem seinen Legacy-Aspekt richtig um: „Was für mich ein Legacy-Spiel besonders macht, ist nicht, dass wir Kapitel für Kapitel spielen, sondern dass das nächste Kapitel vom vorherigen abhängt. Das gefällt mir hier richtig gut“, sagt sie. Der Spielplan werde am Ende „riesengroß“. Und: „Es kommen immer neue Ereignisse dazu, die sich teilweise auch auf die Teile beziehen, die wir neu gekriegt haben.“ Für Zerlik ist das Spiel „unglaublich abwechslungsreich“ und auf einem „familientauglichen Niveau“. Gut gefalle ihr die Endwertung, weil diese überraschend sei – die Punktekarten der einzelnen Runden werden in eine Pappschachtel gelegt, die erst am Ende geöffnet wird. Ihre Empfehlung zu „Zug um Zug Legacy“: „Wenn es machbar ist, würde ich empfehlen, es immer aufgebaut zu lassen.“ Es immer wieder neu aufzubauen, sei ein „Riesenakt“. Am Ende urteilt Zerlik: „Ich habe nichts zu meckern, ich hatte richtig Spaß, in jeder Partie. Es fühlte sich stimmig an, hat mich ganz überzeugt. Und das, obwohl ich nicht der allergrößte ‚Zug um Zug‘-Fan bin.“

Für Stephan Kessler bietet „Zug um Zug Legacy“ viel Spannung: „Mit jedem Öffnen einer der verschlossenen Boxen kommen neue, hochwertige Komponenten ins Spiel“, schreibt er. „Alles ist stimmig: die Karten, das Layout, die Zeichnungen. Dies hat auch seinen Preis, der am dreistelligen Eurobereich kratzt. Dafür bekommt man auch was geboten. Ich verneige mich vor dem Brettspiel für seinen Ideenreichtum.“ Das sei die größte Stärke des Spiels: „Ich will sehen, was noch kommt. Mir wird die Karotte an der Angel vor die Nase gehalten.“ Jedoch: „Leider“, schreibt Kessler auch, könne sich das Spiel „nicht rechtzeitig von seinen Ideen verabschieden. Es wurde durchaus daran gedacht, dass nach und nach wieder Elemente gestrichen werden, doch zu spät“, findet er. „Das starke Grundgerüst von ‚Zug um Zug‘ trägt das Spiel, die Neuheiten sind nur Schmuck.“ Gleichzeitig stifte für ihn das Spiel auch Verwirrung: „Karten referenzierten auf Sachen, die wir noch gar nicht freigeschaltet hatten. Und die Story war wirr, was aber eigentlich auch egal ist.“ Gleichzeitig entschuldige sich das Spiel dafür, „das Thema nicht historisch akkurat abgebildet zu haben – das verursachte Leid durch den Eisenbahnbau wird nicht aufgegriffen“, schreibt Kessler. „Nachvollziehbar, dass man diesen Aspekt in einem Unterhaltungsspiel ausklammern wollte, aber auch etwas selbstverschuldet, wenn man dann auf zahlreichen, authentischen Fotos das Leben in dieser Zeit zeigt.“
Dennoch sei für ihn das Spiel besonders: „Die überraschenden Einfälle des Autorentrios motivieren ungemein für weitere Partien. Man kann sich nach einer Kampagne problemlos stundenlang über die unterschiedlichen Erfahrungen austauschen“, schreibt er. Jedoch: „Zum Ende hin waren mir die Runden zu lang und die ganzen hinzugekommenen Elemente bremsten meine Konzentration aus. Was ist eigentlich noch im Spiel? Was ist wieder rausgenommen worden? Das ist dann wohl der Preis, den man für die Freiheit seiner Entscheidungen zahlen muss. Bereue ich deswegen meine etwas ruppige Zugfahrt? Auf keinen Fall! Es war ein Erlebnis wie eine Reise im Orientexpress in der 1. Klasse.“

„Es ist ‚Zug um Zug‘, und dementsprechend haben sich die Regeln auch kaum verändert. Maximal verändert hat sich das Spielgefühl“, sagt Tobias Franke in seinem Podcast. Die Ziele, nicht der Streckenbau selbst, stünden mehr im Fokus. „Dadurch, finde ich, gewinnt das Spiel.“ Der Kern des Spiels sei damit besser herausgearbeitet worden. Die einzelnen Module „funktionieren super. Sie sind logischerweise draufgeploppt. Sie machen ‚Zug um Zug‘ nicht zu einem besseren Spiel.“ Allerdings zu einem mit mehr Abwechslung. Gleichzeitig käme das Legacy-Prinzip „gut durch, es macht Spaß, die Karte zu erweitern“. Der große „Erfahrungsschatz“ des Autorentrios sei spürbar. Dennoch gelte es, bei den Regeln genau aufzupassen, vor allem bei denen, die neu hinzukommen. „Es bleibt immer noch auf einer vernünftigen Ebene, diese Regeln lassen sich überblicken“, findet er. Für Franke beginne das Spiel auf dem Niveau eines Familienspiels, lande „aber recht schnell im Kennerspielbereich“. Für Franke ist der größte Kritikpunkt die Story. „Für mich wurde die Chance verpasst, da wirklich eine mitreißende Geschichte zu erzählen“, sagt er. Das Thema sei „dünn wie ein Blatt Papier“. Weil es sowieso keine Story gebe, hätte es für ihn auch nicht die Anmerkung der Autoren nicht gebraucht, die sich im Regelheft entschuldigen, weder die Verdrängung indigener Völker noch die Ausbeutung der Arbeitskräfte während der Westerweiterung der USA mit in das Spiel eingebaut zu haben. „Das hat mich etwas anderes erwarten lassen, als es dann am Schluss war.“ Am Ende des Spiels war für Franke „ein bisschen die Luft raus“, gesteht er. „Die hohe Anfangseuphorie ist ab dem Mittelteil ein bisschen abgeflacht“, auch, weil in seiner 2er-Runde klar war, wer vorne lag. „Das war so ein bisschen ein Motivationskiller.“ In dem Zusammenhang sei auch der Aufholmechanismus nicht stark genug gewesen. Dennoch attestiert Franke dem Spiel eine „Sogwirkung“. Insgesamt findet er: „Tolles Legacy-Spiel“, auch für Menschen, die nicht Fans von „Zug um Zug“ seien. „Mir hat das richtig Spaß gemacht, die kleinen Veränderungen im Vergleich zum Original fand ich alle gut.“

Für Harald Schrapers bietet „Zug um Zug Legacy“ ein „grandioses Spielgefühl“, und er empfiehlt es für drei, besser noch mit vier Mitspielende. Doch „auch wenn einige teils brillante Gimmicks dazukommen, die Spielfläche immer größer gepuzzelt wird und nach und nach mit sehr vielen Aufklebern versehen wird: es ist ‚Zug um Zug‘. Das kann man enttäuschend finden – oder konsequent.“ Bei all den Elementen, die dazu kommen, könne allerdings mancher Spielzug „überladen“ wirken. „Ich setze die Waggons, um eine Strecke zu besetzen, und muss zwei, drei oder mehr Zusatzeffekte beachten: unterschiedliche Punkteboni, Extrakarten, und dann noch den Räuber versetzten. In solchen Situationen dominiert die bloße Quantität der Spielelemente“, schreibt Schrapers. Für ihn ist „Zug um Zug Legacy“ deshalb kein Spiel für „Leute ohne tiefere Spielerfahrung“.
Zu kritisieren gibt es für Schrapers, dass der Aufholmechanismus „viel zu schwach“ sei. „Wer eine Partie verliert, bekommt in der Folgepartie einen Extrazug nach dem eigentlichen Ende. Und er darf aus einem zunehmend dicken Stapel an Karten als erster einen weiteren Bonus rausziehen. Beides ist nett, aber gleicht die vorangegangene Niederlage – insbesondere in einer Konstellation mit vielen Mitspielenden – nicht aus.“ Außerdem sei „die Anleitung, wie man an die vielen Postkarten kommt, in einer der kleinen Schachteln stecken“ geblieben. „Das Fehlen dieses Regelelements fällt zunächst nicht auf, denn sie könnte ja mit Absicht erst spät hinzukommen. Wir haben das erst am Ende der fünften Partie bemerkt und konnten das Problem dann nur noch unvollständig reparieren.“ Er kenne auch andere Runden, in denen das passiert sei. Und als letztes findet Schrapers – wie auch Stephan Kessler – die thematische Einbettung „ziemlich schwach“. „Die entschuldigende Aussage der Autoren, dass es ihnen schlechterdings nicht gelungen sei, die Existenz indigener Menschen zu berücksichtigen, ist angesichts der nur losen Verbindung von Thematik und Spielmechanik nur bedingt nachvollziehbar.“ Dennoch sei es für Schrapers ein überragendes Spiel – „wenn auch nur so gerade eben“.

¹ Rezensionen für Millionen: Zug um Zug Legacy: Legenden des Westens
² Spiegel: Die besten Brettspiele für Sammler, große Freundeskreise und Stilvolle
³ Fux&Bär: Zug um Zug Legacy: Legenden des Westens – ist das gut oder dann das weg?
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