Bericht über das Spieleautoren-Stipendium 2002
Von Frank Czarnetzki
Deutsches Spiele-Archiv Marburg; Oktober 2002
Schon bevor ich nach Marburg startete, schickte mir die Seele des Archivs, René Aden, vorab ein paar Informationen per Email über das Spiele-Archiv und seinen Aufgaben. Obwohl es zuerst so aussah, als ob die Festplatte meines Computers nicht dafür ausreichen würde, ist es mir dann doch noch gelungen über die Hälfte der Texte zu lesen.
Ziemlich gut informiert kam ich an einem sonnigen Tag in Marburg an. Trotz des leichten Trubels, der bei meiner Ankunft herrschte, wurde ich herzlich empfangen. Der Trubel war aber nicht meinetwegen, sondern wegen der Alex Randolph-Ausstellung. Diese war nämlich gerade in Essen abgebaut worden und die nächste Ausstellung der „Jury Spiel des Jahres“ war in Vorbereitung.
Raimund Jahn führte mich als erster durch das Spiele-Archiv. Was die Größe des Archivs angeht, möchte ich zwecks eines Vergleichs allen Sammlern mitteilen : „Egal wie viele Spiele ihr zu Hause haben mögt,…es ist absolut lächerlich“. Als zweiter führte mich dann Dr. Bernward Thole höchstpersönlich durch das Archiv, weil ich ihm absichtlich nichts von der ersten Führung mit Raimund gesagt hatte. Ich dachte mir nur, wenn eine Führung gut ist, dann sind zwei noch besser.
Nach der dritten Führung mit René merkte ich dann irgendwann, dass jeder auf seinem Gebiet kompetent ist und auf andere Dinge wert legt, was Spiele und Archiv angehen.
So ist das Archivieren von so vielen Spielen keine leichte Sache, wenn man sie anschließend auch wieder finden möchte. Ein einfaches Beispiel dafür ist Back-Gammon. Fällt es in die Kategorie „Start-Ziele-Spiele“ kommt es in Regal B.12. Ist es jedoch ein „taktisches Würfelspiel“ liegt es irgendwo zwischen C.01 und C.37. Wenn ihr nun wissen wollt, wo es tatsächlich liegt, habt ihr einen Grund mehr, das Spiele-Archiv selbst zu besuchen. Es lohnt sich!
Besonders positiv ist mir aufgefallen, dass ich kein Plagiat meiner zukünftigen Spielideen finden konnte. Nach denen hatte ich besonders Ausschau gehalten. Äußerst erwähnenswert ist auch die Bibliothek, in der ich mehr als nur einen Tag schmökerte. Von Büchern wie „Spielen mit Rudi Carrell“ bis zu „Surrealistische Spiele“ (die gibt es wirklich!) ist dort alles zu finden. Das kürzlich sortierte „Zettelarchiv“, in dem man alle Berichte aus Zeitungen, Zeitschriften und vieles mehr über Autoren, Redakteure, Grafiker etc. finden kann, dürfte wohl auch einzigartig sein.
Während eines gemütlichen Abends in einer Gaststube nach einem guten Essen und einem Glas Wein spielte ich mit Dr. Bernward Thole einen meiner Prototypen. Nach einer Partie dachte ich, dass der große Kritiker das Spiel vom Tisch fegt, mir den Kopf abreißt und mich beide Rechnungen bezahlen lässt. Aber….nichts! Nachdem er nichts auszusetzen hatte und mich sogar lobte, war ich dann schließlich genauso entspannt wie er.
Ich drohte natürlich sofort damit, dass ich „gerne“ noch einmal wieder kommen werde…..
Ich möchte mich hier nochmals herzlich für die Betreuung im Archiv bedanken.
(Bild: Frank Czarnetzki (Mitte), Preisträger 2002, auf dem Göttinger Spieleautoren-Treffen 2004)
Spieleburg Lübeck; März 2003
Im Spieleladen bei Florian Herold ging es vom ersten Tag an sehr turbulent zu. Viele kleine Halblinge kamen nach der Schule, bereits vor der Schule und ich glaube auch während der Schulstunden in den Laden gestürmt, um sich ständig Booster-Packs zu kaufen. Ein großer Tisch, der meist vormittags für die Table-Top-Kids und nachmittags eher für die Gesellschaftsspiele reserviert werden musste, dient dazu, Spiele sofort ausprobieren zu können. Nachdem mir die Mitarbeiter Karni und Hanno den Laden einschließlich EDV zeigten, standen auch schon die ersten Kunden im Rahmen:
„Guten Tag, wir möchten einem Freund ein Spiel schenken. Der ist fünf Wochen auf einem Dampfer unterwegs in die USA und braucht nun ein Spiel, welches er mit sich alleine spielen kann.“
„Hmmmhh, wie wäre es mit dem „Rubiks-Cube“ oder „Sherlock Holmes?“
„Hat er schon!“
„1001 Nacht?“
„Zu groß für die Reise!“
„Ebbe und Flut?“
„Waaas, das soll er 5 Wochen lang spielen?“
„Na ja, dann tschüß!“
Nächster Kunde: „Ihr hattet irgendwann ´mal so eine große, bunte Schachtel, genau da stehen (mit dem Finger zeigend)!“
„Wie lautet der Titel?“
„Das weiß ich nicht mehr. Die Schachtel war aber braun, glaube ich!“
Und so ging es dann ungefähr weiter. Nerven aus Stahl waren gefragt. Nicht das gleichnamige Spiel, sondern meine echten Nerven.
Der Laden ist zwar kleiner, als ich ihn mir vorgestellt hatte, aber sehr fein in seinem Sortiment. Ein kleines Antiquariat, sowie ausgesuchte Spiele vieler Kleinverlage sind lobens-wert. Da ich mit dem Zug anreiste, hatte ich nur einen kleinen Prototypen von mir in der Tasche. Das Spiel kam an einem gemütlichen Spielabend gleich mehrmals zum Einsatz. Aufgrund der Verbesserungsvorschläge wusste ich dann auch, was eine „normale“ Spielerrunde von einer „Profispielerrunde“ unterscheidet: Es ist das Repertoire an „Wissen“, das Sätze fallen lässt, wie: „Das Spiel ist ähnlich wie….“, oder „Das könntest du lösen, indem du…“ usw.
Mit Florian Herold selbst habe ich mehr als nur „einen“ Milchkaffee getrunken, und vieles von dem, was er mir erzählte, wird mir noch lange im Gedächtnis bleiben. Unvergesslich für mich ist auch Hanno Schwede, mit dem ich Spielideen austauschen konnte, welche uns beide auf angenehme Art inspirierten. Die Zukunft wird hoffentlich die Früchte unserer Zusammenkunft für alle sichtbar werden lassen.
Außer dem „Cafe Art“, wo auch die Spielabende stattfanden, und dem „Lübecker Marzipan“
habe ich leider nicht viele Sehenswürdigkeiten mitbekommen. Aber auch hier habe ich allen schon „angedroht“ dass ich wieder kommen werde. Bis dahin wünsche ich „Florian & Co“ weiterhin viel Erfolg, für die Verwirklichung ihrer Geschäftsideen und alles Gute. Vielen Dank für alles.
Historien Spielegalerie Jean du Poel; Essen (Oldb.); April 2003
Nur zwei Stunden mit dem Auto entfernt von Wuppertal (da komme ich her), liegt das kleine Dörfchen Essen (Oldb.), auf keinen Fall zu verwechseln mit dem größeren Essen im Ruhrgebiet. Hinter einem weißen, niedrigen Zaun am Ende einer ruhigen Strasse steht das nette Häuschen von J. d. Poel, der auch prompt schon davor stand, um mich zu empfangen. Sobald man das Türchen vom Zaun öffnet, kommt einem ein „ballsüchtiger“ kleiner Hund entgegen. Es klingt vielleicht unglaublich, aber dieser Hund schafft es wirklich, einem den ganzen Tag lang am Bein zu kleben und darauf zu warten, dass man sein Bällchen wirft. Dieses bringt er natürlich dann binnen Sekunden wieder zurück.
Die ehemals als Garage gedachte Räumlichkeit dient J. d. Poel nun als Werkstatt. Da stand ich nun mitten in der Ideenschmiede von Monsieur Carabande. Doch hier durfte ich es mit dem „Original Prototyp“ unter dem Namen „Avus“, mit dem Meister persönlich spielen. Ich habe es ihm zwar nicht gesagt, aber auf diesen Augenblick hatte ich mich schon lange gefreut. Das Original weist natürlich nicht die Höhenunterschiede der Verbindungen auf, da es aus einer großen Holzplatte besteht. Da alles zusätzlich mit Bohnerwachs poliert wurde, war der Spielspaß enorm.
Eine von J. d. Poel´s Philosophien ist es, sich nicht dem Massenmarkt zu ergeben und seiner Linie treu zu bleiben. Auf diese Weise stellt er nun seit über 15 Jahren Spiele her, die an Kunstfertigkeit und Arbeitsaufwand kaum zu überbieten sind. Jeder, der die Spiele kennt, weiß wovon ich rede. Jeder, der sie nicht kennt, sollte es schnell nachholen. Allein für „Mare Mediterraneum“ sind 15 Durchgänge im Siebdruckverfahren notwendig. Und das viele Holzmaterial und die Messingmünzen im Spiel lassen jedes Spielerherz höher schlagen, nachdem die edle Holzkiste geöffnet wurde. Wenn man einen tieferen Einblick in Material und Aufwand bekommen hat, dann wird es zu etwas ganz besonderem, ein solches Spiel zu besitzen. Die Preise, die J. d. Poel für seine Spiele veranschlagt, stehen in keinem Verhältnis zur Produktion. Daher nehme ich an, dass es die absolute Liebe zum Spiel und zum Siebdruck sein muss, die ihn Jahr für Jahr produzieren lässt. Das Druckverfahren selbst ist viel zu kompliziert und umfangreich, um hier darauf näher einzugehen. Ich möchte aber an dieser Stelle erwähnen, dass es für mich sehr interessant war, mehr über Siebdruck zu erfahren.
Ich möchte aber gerne einen Einblick über die Stationen, die ein Spiel bei J. d. Poel durchläuft, geben. 1. Die Idee haben, 2. spielbaren Prototyp bauen, 3. Spiel testen, 4. Grafik anfertigen, 5. Druckplatten anfertigen, 6. Materialien einkaufen (Schachtel etc.), 7. drucken, sägen, feilen, kleben… 8. nochmals testen, 9. endgültige Spielregel schreiben, 10. alles eintüten und verpacken, 11. sich um den Vertrieb kümmern, auf vielen Messen präsent sein. So gibt es natürlich immer eine Menge zu tun. Und man kann es sich kaum vorstellen, aber eine Auflagenhöhe von 300 Stück ist bei diesem Aufwand schon eine astronomische Zahl.
Ich wollte jedoch jede freie Minute nutzen, um weitere Spiele der „Historien Spielegalerie“ zu spielen. Ein Spiel hat mir dabei ganz besonders gefallen: „Mars-Odyssee 2010“. Wir verlassen das normale Spielbrett (das gibt es nämlich nicht) und steigen erneut auf in astronomische Höhen. Diesmal zum Mars. Mit einer Holzrakete a la Jules Verne versuchen wir schwindelerregende Höhen an einem vertikalen Holzstab zu erreichen. Doch immer, wenn jemand besonders schnell sein möchte, verliert er eine Raketenstufe (Treibstofftank). Das Bemerkenswerte: Man muss genau auf dem Mars landen und kann auch am Ziel vorbei schießen, so dass nicht unbedingt der erste gewinnt.
Ich möchte mich bei der Familie du Poel und ganz besonders bei Jean für alles bedanken und freue mich auf ein Wiedersehen.
Anmerkung der Redaktion:
Die vierte Station seines Spieleautoren-Stipendium absolvierte Frank Czarnetzki im Ravensburger Spieleverlag. Dies geschah so kurz vor der Veröffentlichung des obigen Berichtes in der Zeitschrift „Spiel & Autor“, dass ein Bericht über den vierten Teil nicht mehr möglich war.