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Praktikumsberichte von Michael Luu

Praktikumsberichte von Michael Luu

Spiele-Erfinder Jens-Peter Schliemann

„Sieh mal! Was ist denn das? Ich glaub, ich sehe im Schaufenster Spiele. Bestimmt ist das ein Laden, wo man Brettspiele kaufen kann. Die Tür steht offen. Ich sehe jemanden, der mit verschiedenen Werkzeugen an etwas arbeitet. Aber was macht er denn da? Oh schau, er bastelt ja etwas. Weißt du was, ich glaube er macht gerade ein Spiel! Er macht gerade ein Spiel? Dann ist er ein Spieleerfinder! Komm, lass uns das mal aus der Nähe anschauen. Das müssen wir uns genauer ansehen.“

Wer kennt den Beruf des Spieleautors? Wie entstehen seine Spiele? Wie tüftelt er? Wie macht er seine Prototypen? Die meisten Leute werden dies wohl nur vermuten können. Verständlich. Denn der Spieleautor selbst ist in der Öffentlichkeit nicht zu finden. Sein Arbeitsplatz sind in den meisten Fällen seine eigenen vier Wände. Das Einzige, was man von ihm sehen wird, sind die fertigen Spiele, die später im Handel erhältlich sind.
Doch in Köln gibt es einen Autor, der alle Menschen in seine Welt einlädt. Er hat ein eigenes Studio, seinen Arbeitsort, in dem man ihn beim Entwickeln seiner neuen Spieleideen besuchen kann.

Das SpieleErfinderStudio von Jens-Peter Schliemann

Jens-Peter Schliemann ist ein offenherziger Spieleautor, der mit seinem ausgefallenen Ladenkonzept alle interessierten Besucher herzlich einlädt, in sein SpieleErfinderStudio in Köln zu kommen, um ihm, der sich bereits als erfahrener Autor in der Branche etabliert hat, bei der Arbeit LIVE zu zuschauen. Auf diese Weise ergeben sich immer wieder interessante Gespräche mit neugierigen Passanten, anderen Autoren oder sogar mit Spieleverlagen.
Darüber hinaus ermöglicht Jens-Peter Nachwuchsautoren seit fast einer Dekade Einblicke in seine Projekte, erzählt von seinen Erfahrungen und gibt wertvolle Tipps. Dabei ist es toll zu erleben, wie er als allererster Stipendiat (im Jahr 1995), nun andere Stipendiaten unterstützen möchte, den Beruf und die Herausforderungen des Spieleautors besser zu meistern.

Spieleautor-Kooperationen

Jens-Peter ist ein Spieleautor, der es bevorzugt, mit anderen Spieleautoren gemeinsam Spiele zu entwickeln. Der Grund hierfür ist der intensive Austausch von Ideen und Meinungen, die dann am Ende zu einem Brettspiel vereint werden. Man ist gemeinsam kreativ, kann sich gegenseitig unterstützen und vorantreiben, und jeder bringt eigene Fähigkeiten mit, die für den anderen nützlich sind. Jens-Peter ist ein qualifizierter Mathematiker und kann dadurch gut analytisch denken. Betrachtet man seine Ludografie, sind fantastische Kooperationsarbeiten entstanden: „Piranha Pedro“ (2005) mit Team Annaberg, „Nacht der Magier“ (2006) mit Kirsten Becker, „Burg Appenzell“ (2007) mit Bernhard Weber und viele weitere.

Die Praktikumswoche

In den fünf Tagen durfte ich tief in die Welt von Jens-Peter hineinblicken. Viele verschiedene Spiele in unterschiedlichen Entwicklungsstadien testeten, analysierten, kritisierten und verbesserten wir. Das war klasse, denn ich hätte nicht gedacht, dass ich so intensiv in seine aktuellen Spieleprojekte involviert werde.
Der erste Prototyp, den ich kennen lernte, war ein Kinderspiel, welches in Zusammenarbeit mit dem Autor Guido Hoffmann entstanden ist. Es entsprach bereits den Vorstellungen der beiden Autoren und stand kurz davor, an einen Verlag verschickt zu werden. Ich durfte bei einem abschließenden Test das Spiel, bei dem ein ganz besonderes Sinnesorgan der jungen Spieler beansprucht wird, auf mich wirken lassen.
Jens-Peter zeigte mir auch eine seiner derzeitigen Auftragsarbeiten. Eine Firma der Windkraftindustrie hatte ein individuelles Spiel für ihre Mitarbeiter gewünscht. Diese Form der gelenkten Spieleentwicklung war sehr interessant, denn zuvor hatte ich nur Spiele nach meinen eigenen Interessen entwickelt. Jetzt aber auf die Anforderungen und Wünsche eines Kunden einzugehen und ein Spiel zu kreieren, welches am Ende hauptsächlich ihm gefallen muss, aber nicht unbedingt dem Autoren selbst, sah ich als schwierige Herausforderung. Jens-Peter zeigte mir seine ersten Ideen, die wir dann auch gleich spielten. Ich empfand sie als eine sehr viel versprechende und gute Basis, auf der man weiter aufbauen kann. Es hat mir viel Spaß gemacht, ihn bei weiteren Ideenfindungen zu unterstützen.
An einem Tag bekam ich die Chance, Ulrich Blum, Stipendiat des Jahres 2009, kennen zu lernen. Er kam gerade von einem Treffen zwischen Autoren und Verlagen auf Mallorca zurück. Er und Jens-Peter befinden sich aktuell in ihrer ersten Kooperation für ein gemeinsames Brettspiel, welches ich testen durfte. Hier habe ich gelernt, dass es ebenfalls zu den Aufgaben eines Spieleautors gehört, sich Lektüren vorab intensiv durchzulesen und sich neues Wissen anzueignen, wenn das Spiel eine Thematik haben soll, mit der man selbst nicht vertraut genug ist.
Einer der witzigsten und eindrucksvollsten Prototypen war ein Kinderspiel von Jens-Peter, welchen er auf seinem ersten Spieleautorentreffen in Göttingen präsentiert hatte. Der Eyecatcher war hier eine große Tierfigur aus Holz, Schrauben, Gummischläuchen und Magneten. Die Aufgabe bestand darin, gemeinsam zu überlegen, wie man diese Figur einfacher darstellen könnte, ohne dabei die Funktionalität zu reduzieren.
Eines Morgens nach unserem gemeinsamen Frühstück, berichtete mir Jens-Peter, dass er eine neue Spielidee habe und er mit mir den Prototypen ausprobieren wolle. Im weiteren Gespräch kam heraus, dass er den Anreiz dazu erst am selben Tag um 8 Uhr früh gefunden hatte. Wir hatten uns um 10 Uhr getroffen. Mich hat beeindruckt, dass er so spontan innerhalb von zwei Stunden eine Spielidee in einen spielbaren Prototyp umsetzen konnte. Noch mehr hat mich aber beeindruckt, dass der Prototyp trotz der sehr kurzen Entwicklungszeit keinerlei schwerwiegende „Bugs“ hatte. Sein Spiel war nicht nur sehr gut spielbar, sondern hat auch Spaß gemacht. Dies kann aus meiner Sicht wirklich nur einem erfahrenen Spieleautoren gelingen, der bereits genau weiß, welche Regeln und Elemente ein Spiel grundsätzlich haben muss.
In der ganzen Praktikumswoche war für mich sicherlich der Freitag der schönste Tag, da wir von Martin Gil-Wünschmann, Stipendiat des Vorjahres, Besuch bekamen. Auf dem Tagesprogamm stand: das Testen von Prototypen! Wir haben uns gegenseitig unsere Spiele gezeigt, gespielt und kommentiert. Die Stimmung war super! Wir spielten ein Spiel nach dem anderen und wollten uns einfach nicht verabschieden. Doch alles hat leider irgendwann ein Ende. Bei uns war dies am Samstag um 4 Uhr morgens. Jens-Peter und Martin haben mich noch bis zur Bahn begleitet und dann verabschiedet. Dies war ein trauriger, aber auch ein schöner Moment, an den ich mich immer wieder gerne zurückerinnere.
Für mich war es eine komplett neue Erfahrung, denn bisher hatte ich mich immer nur alleine mit dem Erfinden von Spielen beschäftigt. Ein Brainstorming mit Gleichgesinnten – solch eine Möglichkeit ergab sich mir bisher nicht. Das Feedback, ob meine Ideen gut waren oder nicht, bekam ich erst, wenn ich einen spielbaren Prototyp angefertigt und ihn mit Freunden und Bekannten getestet hatte. Mit Jens-Peter hatte ich tiefgehende Gespräche, die sich allein um das Thema „Brettspiele“ drehten. Eine tolle Erfahrung.

Dynamik und Dramaturgie

Die meisten Spiele haben eine Geschichte, die an einen Mechanismus geknüpft ist, oder einen Mechanismus, der an eine Geschichte geknüpft ist. Eine gute Geschichte und ein guter Mechanismus müssen aus der Sicht vieler Spieleautoren am Ende auch ein gutes Spiel ergeben. Dies ist grundsätzlich richtig. Allerdings kann es passieren, dass am Ende ein Spiel entsteht, welches eine gute Harmonie zwischen Geschichte und Mechanismus aufweist, aber im Vergleich zu einem anderen Spiel mit derselben Harmonie trotzdem nur die Bewertung „nett“ erreicht, während das Vergleichsspiel mit einem „Wow“-Effekt hervorsticht. – Wie kann das sein? Dass ein Spiel generell einen Mechanismus und ein Thema haben sollte, ist für die meisten selbstverständlich. Wie viele wissen aber genau, warum ein Spiel diese beiden Elemente haben sollte? Was ist der Sinn? Was soll konkret erreicht werden? Die Antwort ist, dass der Spielmechanismus für die Spieldynamik verantwortlich ist und diese in einem Spiel entfaltet. Das Spielthema wiederum ist für die Dramaturgie verantwortlich. Es ist also sehr wichtig für den Spieleautor zu verstehen, welche Dynamik und Dramaturgie er durch Thema und Spiel erzielt, und zu überlegen, ob dies gewünscht ist.

Darauf dürft ihr euch freuen!

Das Praktikum im SpieleErfinderStudio muss man sich wie ein ganz großes Geschenk vorstellen, ungefähr 1,5 mal 1,5 Meter groß und randvoll gepackt. Dieses gigantische Geschenk überreicht Jens-Peter jedem Stipendiaten bereitwillig, denn die große Motivation, die er hat, ist das Geben. Er möchte, dass der Nachwuchs lernt, versteht und sich verbessert. Auf Themen, die man selbst auf dem Herzen hat, geht er interessiert ein. Diese einmalige Chance, die er damit Autoren gibt, ist einfach großartig! Darauf darf sich der Praktikant freuen:

  • Eure Spiele werden getestet und bewertet.
  • Prototypen von Jens-Peter können getestet werden. Euer Feedback ist dabei sehr willkommen.
  • Ihr lernt sehr viele tolle Menschen kennen.
  • Es wird gemeinsam gefrühstückt.

Hans im Glück

Hans im Glück ist ein Münchner Verlag, der auf eine stolze Geschichte zurückblicken kann. Mit dem Verlagschef Bernd Brunnhofer, der 1983 zusammen mit dem heutigen Spieleautor Karl-Heinz Schmiel den Verlag gründete, gelang es Hans im Glück als erster Kleinverlag, die bedeutende Spieleauszeichnung „Spiel des Jahres“ zu erhalten (im Jahr 1989 mit dem Spiel „Drunter & Drüber“ von Klaus Teuber). Doch dabei blieb es nicht. Im Anschluss folgten noch „Manhattan“ (1994), „El Grande“ (1996), „Carcassonne“ (2001), „Thurn und Taxis“ (2006) und „Dominion“ (2009); dies sind nur einige Spiele, die zu den größten Erfolgen des Verlages zählen.

Das Praktikum beginnt

Am ersten Tag erzählte mir Dirk Geilenkeuser vieles über die Verlagsgeschichte. Ich erfuhr, dass die Hans im Glück-Spiele im Vertrieb der Firma Schmidt Spiele sind. Daher findet sich auf den Spieleschachteln neben dem Hans im Glück-Logo auch immer das Schmidt Spiele-Logo. Ich fand, dass dies eine sehr interessante Geschäftsbeziehung ist, die mir bisher nicht bewusst war. Außerdem erklärte mir Dirk, dass Schmidt Spiele seit 1997 zur Good Time Holding (ehemals Blatz-Gruppe) gehört, einer Berliner Firma, welche bekannt ist durch Marken wie z.B. Benjamin Blümchen oder Bibi Blocksberg. Dann zeigte er mir die Lagerräume des Verlages. Dort waren alle preisgekrönten Brettspiele, Spiele der letzten Jahre, alte Klassiker, und viele Merchandise-Artikel, die über den Online-Shop angeboten werden. Während der kleinen Führung lernte ich dann auch gleich die Bedeutung des Online-Shops kennen. Der Online-Shop bietet (Stand heute) nicht so viele Brettspiele an, wie man zunächst vermuten würde. Tatsächlich wurden zu Anfangszeiten sogar ausschließlich „Fanartikel“ und Spielersatzteile vertrieben. Besonders stark vertreten sind hier unterschiedlichste Artikel rund um die Carcassonne-Welt: Becher, Sticker, Magnete, Tassen, Schlüsselanhänger und Tassenuntersetzer sind nur einige Beispiele. Worüber sich Fans im Shop noch freuen können, sind kleine Spielerweiterungen des erfolgreichen Legespiels. Dieses übersichtliche Produktangebot ist gewollt, da Hans im Glück nicht das Ziel verfolgt, wie andere Versandhäuser in Produktmassen aufzutreten und damit in eine Preisschlacht zu gehen. Der Verlag möchte allen Interessierten, die bereits begeistert Brettspiele des Verlages spielen, noch einige weitere „Goodies“ aus dem Hause Hans im Glück anbieten, die es nur dort gibt.

Die Hans im Glück-Welt

Bei Hans im Glück sind die Aufgaben klar verteilt: Die einen kümmern sich um den Internetauftritt, die Bestellungen aus dem Online-Shop, Verbraucherfragen zu gekauften Spielen und Anfragen von Spieleautoren. Die anderen beschäftigen sich mit redaktionellen Tätigkeiten, Terminen, Testrunden.
Bereits hier lernte ich so manche Herausforderungen kennen, mit denen sich der Verlag auseinandersetzen muss. So kann es manchmal sein, dass der Verlag von Spielern die Nachricht erhält, dass ein gerade neu gekauftes Spiel nicht vollständig oder das Spielmaterial beschädigt ist. Ein Hinweis, der ernst genommen werden muss, denn dieses Problem kann möglicherweise während der Produktion entstanden sein und sich somit in einer ganzen Auflage wiederholt haben. Da Hans im Glück sehr großen Wert auf die Kundenbetreuung und die damit eingehende Kundenzufriedenheit legt, sorgt der Verlag dafür, dass betroffene Spieler schnell Ersatz erhalten. In einem anderen aktuellen Fall berichtete mir Dirk, dass bei Beendigung von Partnerschaftsbeziehungen auch Lizenzrechte verloren gehen können. Dies hätte dann die Konsequenz, dass bestimmte Brettspiele plötzlich nicht mehr vom Verlag produziert und verkauft werden dürfen.
Georg Wild, ein weiterer Mitarbeiter bei Hans im Glück, zeigte mir die 3D-Druckmaschine des Verlages. Dieses Gerät wurde angeschafft um, schnell Figuren sowie kleine Brettspielelemente genau nach den Vorstellungen des Verlages herzustellen. Vorher geschah dies nur über Skizzen, was oft ein langwieriger Prozess war. Es dauerte, bis der Hersteller einen Prototyp erstellt hatte, und meistens folgten danach noch Korrektur- und Verbesserungsarbeiten. Mit einer fertigen Rohversion weiß der Hersteller sofort, wie das Produkt am Ende aussehen wird.
Wie für viele Verlage ist auch für Hans im Glück die Ludo Fact GmbH der wichtigste Produktionspartner für Brettspiele. Sämtliche Produktionsschritte bis hin zur Konfektion, Verpackung und Versand werden vom Partner übernommen. Hans im Glück stellt die Illustrationsvorlagen zur Verfügung und alle Teile des Brettspiels, welche vom Partner selbst nicht beschafft werden können.
Da die Nürnberger Spielemesse vor der Tür stand, gab es noch einige Vorbereitungen zu erledigen. So half ich beispielsweise beim Erstellen von Spielkarten für eine neue Spielerweiterung, die auf der Messe vorgestellt werden sollte.
Am ersten Tag wurde sogar ein Prototyp von mir getestet! Die Rückmeldung, die ich dabei bekam, war sehr wertvoll für mich, denn ich konnte die Sichtweise des Verlages kennen lernen. Es werden hierbei nicht nur Spielregel, Spielmechanismus und Spielspaß durchleuchtet, sondern auch kommerzielle Kriterien. All diese Punkte entscheiden am Ende dann darüber, ob eine Spielidee das Potential hat, verlegt zu werden. Um also zu verstehen, warum ein Verlag eine Spielidee ablehnt, reicht es nicht aus, sich ausschließlich auf die Schwächen des Spiels zu konzentrieren, sondern es ist auch nötig, wirtschaftliche Aspekte zu berücksichtigen. Hierzu gehört beispielsweise die Frage, welche Zielgruppe das Spiel eigentlich ansprechen soll.
Im Anschluss folgten noch zwei weitere Testrunden mit Prototypen von anderen Spielautoren. Auch hier war es für mich sehr aufschlussreich zu hören, welche Eigenschaften der Prototypen beim Verlag gut ankommen und welche eher weniger.

Spiele auf dem Prüfstand

Am zweiten Praktikumstag bekamen wir Besuch von der Spielkartenfabrik ASS Altenburg GmbH, ein weiterer sehr wichtiger Partner für viele Spieleverlage. ASS Altenburg gehört heute zum weltweit größten Spielkartenkonzern Cartamundi mit Hauptsitz in Belgien. Der Vertreter kam mit einer Lösung zu einem Problem, welches Hans im Glück mit einem Spiel hatte. Die Sicherheitsnormen für Brettspielkleinteile aus Glas haben sich verschärft, und so musste eine Alternative her, welche die bereits zuvor geplanten Glassteine ersetzen kann. Der Vertreter brachte Steine aus Kunststoff mit, die eine ähnliche Form hatten, wie die ursprünglich gedachten Steine, die aber zudem auch hochwertig verarbeitet waren. Außerdem erfüllen diese Kunststoffsteine die Sicherheitsnormen der Dekra und des TÜV.

Anderes Land, anderes Design

Dirk zeigte mir verschiedene Carcassonne-Spiele, die sich in ihrem Verpackungsdesign manchmal leicht und manchmal auch sehr deutlich unterschieden. Es handelte sich hier um verschiedene Versionen für den ausländischen Markt, z.B. für die USA, Brasilien, Ungarn, Tschechien, Italien, Spanien, Portugal, Griechenland, Schweden, Finnland, Norwegen, Dänemark, Österreich, Niederlande, Frankreich, Korea, China und andere. Teilweise wurde sogar der Spielname abgeändert. In Brasilien ist das Spiel unter dem Namen „Domínio de Carcassone“ bekannt. Die chinesischen Käufer finden auf der Verpackung Schriftzeichen, die „Ka-Ka-Cheng“ gesprochen werden, was eine phonetische und sinngemäße Übersetzung des Spielnamens ist.
Auch in der Brettspielbranche spielt das „Verpackungsmarketing“ eine wichtige Rolle, um die Absatzchancen in dem jeweiligen Land zu erhöhen. Dazu ist es nötig die jeweiligen Kulturunterschiede und die Vorlieben der Verbraucher in diesem Land gut zu kennen. Diese Aspekte gilt es während der Illustration eines Brettspiels zu berücksichtigen.

Eingeschickte Spielideen 

Michael Fronia, der für den Erstkontakt mit den Spielautoren zuständig ist, gab mir zwei Regelanleitungen mit der Bitte, sie durchzulesen, das Spielprinzip zu verstehen und ihm dann anschließend Rückmeldung zu geben. Die beiden Anleitungen sind nur zwei von vielen, die bei Hans im Glück täglich eingehen und auf ihre Bewertung warten. Nachdem ich mit dem Lesen fertig war, haben wir unsere Gedanken ausgetauscht. Michael hat einige Notizen gemacht und dann als Fazit festgestellt, dass beide Spielideen mit folgender Begründung eher uninteressant für den Verlag sind: Bei dem einen Spiel schlüpfen die Spieler in verschiedene Rollen, wovon eine Rolle eine eher zuschauende Funktion mit wenigen Aktionen hat. Daher ist die Befürchtung, dass diese Rolle keinen langen Spielspaß bietet. Bei der anderen Anleitung handelt es sich um ein Taktikspiel, bei dem die Regeln so ausgelegt sind, dass alle Spieler in jeder Partie immer wieder dieselbe taktische Vorgehensweise haben könnten, da diese die einzige sinnvolle Taktik ist.
Michael versteht es, Spiele und Spielregeln sehr schnell in einzelne Bestandteile zu zerlegen, diese zu analysieren und dann schließlich zu einem zuverlässigen Urteil zu kommen, ohne das Spiel vorher gespielt zu haben. Diese Stärke von ihm habe ich bereits festgestellt, als er mir das Feedback zu meinem Spiel gegeben hat.

Auf zur Spielwarenmesse!

Das war eine tolle Idee von Dirk. Er hatte vorgeschlagen, das Praktikum mit der Spielwarenmesse in Nürnberg zu kombinieren. Und so ging es dann am Dienstag mit dem Auto nach Nürnberg. Bis zur Eröffnung am ersten Messetag musste der Stand noch hergerichtet werden. Es galt, Banner der Neuheiten aufzuhängen, Tische und Stühle aufzustellen und die Spiele bereitzustellen. Der Hans im Glück-Stand grenzte direkt an den Stand des Vertriebspartners Schmidt Spiele. Die Nürnberger Spielwarenmesse ist für den Verlag vor allem dazu da, Kunden, die Presse, verschiedene Organisationen und andere mit Informationen zu Neuheiten und Regelwerken zu versorgen. Außerdem werden bestehende Kontakte gepflegt, sowie Neuigkeiten ausgetauscht. Die Aufgabe des Vertriebes wird komplett von Schmidt Spiele übernommen.

(Bild: Hans im Glück auf der Spielwarenmesse 2014 in Nürnberg)

An jedem Abend gibt es verschiedene Treffen und Veranstaltungen in unterschiedlichen Gastronomien. Am ersten Abend war ich zusammen mit Hans im Glück im Restaurant „Kartoffel“, wo sich Redakteure unterschiedlichster Verlage getroffen haben. Am Abend danach fand traditionell eine große Veranstaltung vieler Akteure der Brettspielbranche in den Gasträumen der Lederer Brauerei statt. Seit fünf Jahren nun wird zu dieser von Schmidt Spiele und von Hans im Glück eingeladen. Dieses Jahr war ein es Jubiläumsevent, wo zeitgleich das 100-jährige Bestehen des Brettspielklassikers „Mensch, ärgere dich nicht“ vom Schmidt Verlag und das 30-jährige Bestehen des Hans im Glück-Verlags gefeiert wurden. Für beide großen Anlässe wurden, den Mottos entsprechend, jeweils zwei große Kuchenplatten organisiert. Es wurde viel gegessen, viel diskutiert und viele Spieleneuheiten beider Verlage gespielt.

Wissenswertes über Hans im Glück für Spieleautoren 

Ein Spieleautor, der überlegt, bei Hans im Glück einen seiner Spielideen unterzubringen, sollte einige Dinge beherzigen:

  • Ein häufiger Punkt, der nicht genug berücksichtigt wird, ist, ein Regelwerk einzuschicken, das verständlich geschrieben ist. Denn das Regelwerk ist der erste Eindruck, den der Verlag über das Spiel bekommt, und der sollte idealerweise sehr gut ausfallen.
  • Wird dem Verlag der Prototyp zugeschickt, muss das Spiel vollständig sein. Fehlen Elemente wirkt sich dies negativ auf die Spielbarkeit aus oder macht sogar das Spielen unmöglich. Die Gestaltung des Prototyps ist dabei nur zweitrangig und muss nicht professionell ausgearbeitet sein. Aber auch hier gilt: Das Spiel muss so gestaltet sein, dass es spielbar ist.
  • Ein wichtiger Punkt, der berücksichtigt werden muss, ist ein „Fair play“ untereinander. Sollten andere Verlage auch bereits über den Prototypen verfügen, sollte dies kommuniziert werden. Ansonsten besteht die Gefahr, dass ein Verlag vergeblich viel Zeit und Arbeit in eine Spielidee steckt, die dann woanders veröffentlicht wird.
  • Es fällt nicht immer leicht, aber der Spieleautor muss dem Verlag ausreichend Zeit geben, den Prototypen zu testen. Es gibt viele verschiedene Gründe, die dazu führen, dass die Rückmeldung des Verlages an den Autor verzögert ankommt, beispielsweise parallel laufende Projekte, Messevorbereitungen, viele Zusendungen etc.
  • Ein Spieleautor, der einer intensiven und konstruktiven Zusammenarbeit gegenüber offen ist, ist immer gern gesehen. Dabei sollte er gegenüber Ideen und Änderungsvorschlägen des Verlages aufgeschlossen sein.

Dafür stehen Hans im Glück-Spiele

Was passt mehr und was passt weniger ins Programm? Hans im Glück-Spiele sind dafür bekannt, dass sie sowohl Gelegenheitsspieler als auch Vielspieler ansprechen. Die Spieler können sich darauf verlassen, dass sie in den Spielen immer ein Mindestmaß an intellektueller Herausforderung finden. Auf ein bestimmtes Genre hat sich der Verlag nicht festgelegt. Generell kommt alles in Frage. Mittlerweile findet man im Programm Familienspiele, Erwachsenenspiele, Strategiespiele, Legespiele, reine Kartenspiele, und anderes. Nur reine Kinderspiele gehören nicht zum Schwerpunkt des Verlages. Bei den geschickten Spielideen achtet Hans im Glück darauf, dass die Spiele auf Dauer Spaß machen und keine gesellschaftskritischen Themen beinhalten. Häufige Probleme, die festgestellt werden, sind:

  • Das Spiel passt nicht ins Programm
  • Das Spiel dauert lange, bietet aber nur einen kurzen Spielspaß
  • Die Strategien des Spiels sind oft sehr schnell ausgereizt.
  • Es gibt viele Regeln für verschiedene Strategiemöglichkeiten, wovon viele nicht siegentscheidend sind

„Happy birthday, Hans im Glück!“

Darauf dürft ihr als Praktikant bei Hans im Glück euch freuen!

  • Ihr erfahrt viel Wissenswertes über den Verlag
  • Ihr bekommt einen tiefen Einblick in die Verlagstätigkeiten
  • Ihr könnt Prototypen und fertige Spiele testen
  • Eure Spiele werden getestet und bewertet
  • Ihr lernt sehr viele tolle Menschen kennen
  • Mit etwas Glück seid ihr bei Spieleabenden und kommenden Spieleevents dabei
  • Aber das wichtigste überhaupt: Ihr seid bei Hans im Glück, dem Erfinder der Meeple! Und das ist doch bereits supertoll! 😉

Ravensburger Spieleverlag

Vorwort

Die Geschichte des Ravensburger Spieleverlages beginnt im Jahr 1883. Nach seinem Gründer benannt, hieß er bis in den 50er Jahren Otto-Meyer Verlag. Der Verlag ist bis heute ein Familienbetrieb geblieben. Der Standort Ravensburg erfüllt heute mehrere Aufgaben: Er beherbergt zum einen die Zentrale und die komplette Verwaltung. Zum anderen ist dort das Warenlager, welches alle Produkte vorhält und diese international exportiert. Außerdem ist hier auch einer von zwei Ravensburger Produktionsstandorten. Der Konzern fertigt 90 Prozent seiner Produkte in eigenen Werken. Hierzu zählt hauptsächlich die Arbeit mit den Materialien Papier und Pappe, vom Druck, über das Stanzen, bis hin zur Verleimung und schließlich der Verpackung. Spritzgussarbeiten werden in Tschechien übernommen. Die restlichen 10 Prozent der Produktion übernehmen Partner in Fernost. Am Standort Ravensburg arbeiten insgesamt etwa 900 Menschen, weltweit hat der Konzern knapp 1.600 Mitarbeiter.
Der Ravensburger Spieleverlag hat sich auf verschiedene Themen der Spielewelt spezialisiert, für die es jeweils eine eigene Redaktion gibt:

  • Lernspiele
  • Ministeps (Spielzeuge und Bücher für Kinder bis 36 Monate)
  • Tiptoi (ein elektronischer Stift, der auf spezielle Bücher, Puzzles und Spiele angewendet werden kann, um unterschiedlichste Formen der Interaktion zu erzeugen)
  • Kinderspiele (bis 8 Jahre)
  • Gesellschaftsspiele (ab 8 Jahre)
  • Lizenzspiele (Umsetzung von Büchern und Filmen in ein Spiel)
  • Innovationsmanagment (u.a. Kombination von Brettspielen und Elektronik)

Der Weg der Spielideen

Jedes Jahr sitzen der Vorstand und die Geschäftsführung mit den jeweiligen Geschäftsführern der Tochtergesellschaften zusammen, um das abgelaufene Geschäftsjahr zu betrachten. Hier werden Business Reviews für jedes Marktsegment erstellt und daraus Strategien entwickelt, in denen festgelegt wird, wo Ravensburg in der Produktpolitik seine Schwerpunkte bzw. Suchfelder setzen möchte. So ergibt sich, dass beispielsweise für den deutschen Markt insgesamt 25 Neuheiten zu verschiedenen Spielegenres in Abhängigkeit von den vorhandenen Ressourcen, dem Budget und den kalkulierten Erfolgschancen für das nächste Kalenderjahr angedacht sind. Die definierten Suchfelder stellen dabei das Gerüst für die Programmarbeit dar.
Da dem Ravensburger Spieleverlag jährlich sehr viele Spielideen vorliegen (bis zu 500) und nur eine kleine Menge realisiert werden kann, durchlaufen alle Ideen einen strengen Selektionsprozess.
Die weitere Entscheidungsfindung geschieht im Rahmen der Ravensburger Programmklausur. In dieser Programmklausur werden die am meisten favorisierten Spiele gezeigt. Diese werden zusammen mit dem internationalen Produktmanager für Spiel, Tiptoi und Ministeps, dem Redakteur aus der Abteilung International, und dem Geschäftsführer für den Bereich Programm und Marketing gespielt. Hier wird entschieden, ob die Spielidee in das neue Programm des Verlages aufgenommen wird. Ist dies der Fall, kommt es zum Vertragsabschluss mit dem Spieleautor.

Aufgaben des Redakteurs

Der Redakteur hat die wichtige Aufgabe, eine Spielidee in allen Phasen ihrer Umsetzung bis hin zu einem fertig produzierten Spiel zu führen, und muss sich darüber hinaus um eine angemessene Marketingstrategie kümmern, damit das Spiel am Ende den gewünschten Umsatz erreicht. Er initiiert Meetings mit anderen Teams, beispielsweise der Designentwicklung, dem Einkauf oder der Produktion, wo die nächsten Schritte der Umsetzung festgelegt werden. Er ist daher vergleichbar mit einem Projektleiter. Zu seinen Aufgaben gehören:

  • Marktbeobachtungen
  • Suche nach potentiellen und passenden Spielideen für die Programmklausur (beispielsweise durch den Besuch von Messen)
  • Auswahl des Themas bzw. „der Welt“ für das Spiel
  • Titelnamen des Spiels finden
  • Festlegung von Spielausstattung und –material sowie Optimierung der Kostenkalkulation
  • Definition und Entwicklung des Designs
  • Einbindung des Qualitätswesens (Gewährleistung der europäischen Sicherheitsnorm)
  • Spielanleitung und Verpackungstexte schreiben
  • Unterlagen für die Herstellung von Katalogen und Prospekten bereitstellen

Fünf Tage, fünf Highlights

Der erste Tag – Willkommen im Ravensburger Spieleverlag
Mein erster Praktikumstag begann damit, dass mich der Spieleredakteur Lothar Hemme an der Rezeption abholte. Ihn konnte ich bereits beim 32. Spieleautorentreffen in Göttingen kennen lernen. Er war es auch, mit dem ich gemeinsam den Praktikumstermin geplant habe und der mich bezüglich Anreise und Unterkunft viel unterstützt hat.
Um 10 Uhr durfte ich bereits am ersten „Timeline-Meeting“ teilnehmen. Vertreten waren neben Lothar Hemme auch Kolleginnen und Kollegen von der Absatzplanung, Designentwicklung, Produktionsplanung, Einkauf, Druckervorstufe / Herstellung und der technischen Produktionsentwicklung. Jedes Spiel, welches Ravensburger veröffentlichen möchte, durchläuft diese Meetings, wo geklärt wird, was genau vom Spiel bis wann umgesetzt werden soll. Hier war ein Erscheinungstermin festgelegt, der eingehalten werden musste. Als Redakteur hat Lothar Hemme die verantwortungsvolle Aufgabe, das Spiel in seiner Entwicklungsphase voranzubringen und dafür zu sorgen, dass gesetzte Termine von allen Beteiligten eingehalten werden.

Der zweite Tag – Führung durch die Druckerei und Produktionsstätte
Auf dem Unternehmensgelände hat Ravensburger seine eigenen Fertigungshallen. Pappelemente sämtlicher Produktlinien werden dort gefertigt. Es stehen große Druckmaschinen zur Verfügung, welche in hoher Geschwindigkeit Druckbögen für Spielpläne, Puzzlebilder und Schachteln ausdrucken. So ist es beispielsweise möglich, in einer Stunde 10.000 Bögen auszudrucken, was hier noch nicht einmal die Höchstauslastung darstellt. Die Druckaufträge kommen direkt von der Produktionsplanung und können somit schnell bearbeitet werden.
Schachteln werden angefertigt, indem vollautomatisierte Stanzmaschinen Formen aus dem unbearbeiteten Graukarton herausstanzen und Faltmaschinen diesen dann in Form bringen. In diesem Schritt werden gleichzeitig die Druckbögen auf Deckel und Boden aufgebracht und verleimt. Es werden aber nicht nur Schachteln gestanzt, sondern auch Puzzles in allen Größen. Nachdem Mitarbeiter alle Teile eines Spiels oder die eingetüteten Puzzleteile am Förderband in den Schachtelboden gelegt haben, setzen Maschinen den Deckel auf den Boden, verschweißen die fertige Schachtel und stapeln sie auf Euro-Paletten. Danach kommen die Paletten ins Hochregellager, welches direkt an die Fertigungshalle angrenzt.
An diesem Tag hat mir Lothar Hemme sehr detailliert den Weg eines Spiels beim Ravensburger Spieleverlag von der Idee bis hin zum fertig produzierten Spiel erklärt. Vielen Dank noch mal hierfür!

Tag drei – Ein Treffen mit dem renommierten Autorenpaar Inka und Markus Brand
Am dritten Tag durfte ich dann gleich morgens am Jour Fix teilnehmen, wo sich einmal im Monat Redakteure aller Abteilungen (Familienspiel, Kinderspiel, Ministeps, etc.) treffen, um sich über Neuheiten, Strategien und Arbeitsprozesse auszutauschen.
Mein persönliches Highlight an diesem Tag war sicherlich der Besuch von Inka und Markus Brand, die u.a. durch ihre sehr erfolgreichen Spiele „Der verzauberte Turm“ (Kinderspiel des Jahres 2013) und „Village“ (Kennerspiel des Jahres 2012) bekannt sind. Trotz ihres gefüllten Terminplans fanden sie Zeit, ihre Erfahrungen mit mir zu teilen.
Einen ganzen Nachmittag durfte ich dann bei der Redakteurin Anne Lenzen in die Redaktion Kinderspiele hineinschnuppern. Sie hatte sich die Zeit genommen, mir ihre Aufgabenbereiche und Prototypen zu zeigen und mein Kinderspiel zu testen. Als Emely und Lukas, die beiden Schützlinge von Inka und Markus Brand, dazu kamen, konnten wir gleich zusammen mehrere Kinderspiele spielen und testen.

Tag vier – Besuch der Seesporthalle in Kressbronn, Ferienbetreuung / Tagesbetreuung
Gleich am Morgen durfte ich zusammen mit Lothar Hemme und Anne Lenzen zur Kindertagesbetreuung in der Seesporthalle in Kressbronn fahren, wo viele Kinder im Alter von 6 bis 12 Jahren sehnsüchtig auf uns, aber vor allem auf die Brettspiele warteten. Dies war ein spannender Moment für mich, denn Lothar Hemme schlug vor, zwei meiner Prototypen dort von den Kindern spielen zu lassen. Bisher hatte ich nicht die Möglichkeit gefunden, meine Spiele auch von Kindern testen zu lassen. Ich war sehr angespannt, da ich die Reaktionen der Kinder auf meine Spiele nicht einschätzen konnte. Umso glücklicher war ich, als beide Spiele gut angenommen wurden und ich die Begeisterung in den Kinderaugen sehen konnte. Dies hat mich noch einmal darin bestätigt, dass ich ein gutes Hobby gewählt habe, was mich erfüllt.

Tag fünf – Das Ravensburger Spielearchiv
Der Ravensburger Spieleverlag verfügt über ein eigenes Spielearchiv. Dort sind alle Brettspiele und Bücher seit der Firmengründung gut sortiert und aufbewahrt. Von seiner Funktion her versteht sich das Archiv als eine große Brettspielbibliothek. Mitarbeiter von Ravensburg haben jederzeit die Möglichkeit, über den Archivar Brettspiele auszuleihen, um sich bestimmte Thematiken, Materialen, Illustrationen und andere Informationen einzuholen, die ihnen bei ihrer Arbeit nützlich sind.

 

 

 

 

 

 

Darauf darf sich der / die Stipendiat /-in freuen:

  • Interessante Meetings, die einen guten Einblick in die Planungen und Strategien des Verlages geben
  • Teilnahme an Testspielrunden von verschiedenen Spielen in unterschiedlichen Entwicklungsstadien, mit anschließender gemeinsamer Auswertung
  • Brainstorming-Sitzungen zu Brettspielen, in denen Ideen und Vorschläge des Praktikanten sehr erwünscht sind
  • Prüfung von Spielanleitungen und Druckvorlagen, die einem helfen zu verstehen, worauf unbedingt geachtet werden muss
  • Viele tolle Ausflüge beispielsweise in Kindertagesstätten, ins Spielearchiv, in die Produktionsstätte, ins Remi (Mitarbeitershop) etc.
  • Gemeinsame Spieletestrunden der eigenen mitgebrachten Spiele und anschließendes Feedback
  • Mit etwas Glück auch Treffen mit Stars und Prominenten
  • Eine komplett durchgeplante Praktikumswoche
  • Supernette Ravensburger Redakteure und Kollegen, die bereitwillig so viel wie möglich erklären und zeigen

Spieleburg Göttingen

Die Spieleburg in Göttingen

Die Spieleburg öffnete ihre Pforten 1995 in Göttingen. Damals noch in der Burgstraße, ist sie dann zwei Jahre später in die Theaterstraße gezogen.
Dort blieb sie dann viele Jahre am selben Ort. Nachdem aber dem Geschäftsführer Arne Soltendieck die Räumlichkeiten nicht mehr ausreichten, um das gewünschte Spielesortiment zu präsentieren, fasste er den Entschluss, ein weiteres Mal umziehen, um langfristig attraktiv zu bleiben. Diesmal war es aber nur ein kurzer Weg, denn er konnte mit seinem Laden ein paar Häuser weiter in eine größere Örtlichkeit umziehen. Seit Mai 2014 präsentiert er die Spieleburg nun in neuem Glanz mit einem noch größeren Angebot. Das aktuelle Team besteht aus acht Mitarbeitern: eine Angestellte, zwei Auszubildende und fünf Aushilfskräfte.

Mit seinem Konzept kommt Arne bei seinen Kunden sehr gut an. Ob nun Gelegenheits- oder Vielspieler, Brettspielneulinge oder Erfahrene, Erwachsene oder Kinder: Alle fühlen sich immer sehr gut beraten und werden am Ende fündig. An manchen Tagen werden nach Ladenschluss Brettspielaktivitäten angeboten. Dabei kann jeder Interessierte verschiedene Brettspiele ausprobieren, Sammelkartenspiele spielen, an Turnieren teilnehmen oder sich von anderen ausgewählten Spielemottos begeistern lassen.

Die Verkaufsfläche der Spieleburg ist hell beleuchtet, modern und wirkt sehr einladend. Jeder Artikel wurde seiner Zielgruppe und/ oder seiner Marke entsprechend gruppiert und hat einen eigenen Platz gefunden. In verschiedenen Bereichen finden die Besucher Brettspiele sowie Spielzeug zum Ausprobieren, was besonders für die Kinder sehr anziehend ist. So gab es während meiner Praktikumszeit frei verfügbar eine Murmelbahn, einen Tipp-Kick-Tisch und den Tiptoi Stift vom Ravensburger Spieleverlag. In den Brettspielregalen findet der Besucher außerdem häufig bereits geöffnete Schachteln. Damit hat er die Möglichkeit, sich den Inhalt anzuschauen und das Spiel in einem separaten Bereich der Spieleburg anzuspielen, bevor er eine Kaufentscheidung fällt.

Die Spieleburg – Vorbereitung auf die Messe

Wie beim Hans im Glück-Praktikum auch, habe ich mich wieder für die Kombination Praktikum und Messe entschieden. Das bedeutete in diesem Fall vier Tage Praktikum in Göttingen in der Spieleburg, danach fünf Tage Messeaufbau und –präsenz auf der Spielemesse in Essen. So konnte ich zum einen die Kunden beobachten und mir ein Bild von der Spieleburg verschaffen, zum anderen konnte ich miterleben, wie sich Arne und sein Team auf die Messe vorbereiten.

Klar war für mich, dass die Messevorbereitung oben auf der Tagesordnung stand. Als ich am Donnerstag, meinem erster Praktikumstag, ankam, sah ich bereits hinten im Laden fünf vollgestapelte Paletten. Vier weitere sollten in den nächsten Tagen noch vorbereitet werden. Arne bringt jährlich über 1000 Spiele zur Messe mit, die dann auf mehreren Ständen unter dem Namen „Spieleburg“ verkauft werden. Dieses Jahr sollten es insgesamt vier Stände werden. Die Messespiele kommen aber nicht ausschließlich aus dem Lagerbestand der Spieleburg, sondern es wurde auch ein großer Teil extra für den Messeverkauf bestellt.

Welche Spiele in welcher Anzahl mitgenommen werden, entscheidet Arne mit seinem Team. Dabei achten sie auf eine gute Mischung zwischen Neuheiten, Verkaufsschlagern, Klassiker und Schnäppchen.
In den ersten Tagen half ich dabei, die Paletten für den Transport vorzubereiten. Jede Palette war dabei einem bestimmten Messestand zugeordnet und entsprechend sichtbar gekennzeichnet.

Neben den ganzen Brettspielen mussten aber auch Regale mit nach Essen transportiert und dann vor Ort aufgebaut werden. Mietregale des Messeveranstalters zu nutzen wäre zwar möglich gewesen, hätte die Standkosten aber deutlich gesteigert. Nachdem die Paletten mit den Spielen fertig verpackt waren, mussten also als nächstes die Regalteile für die Stände zusammengestellt werden. Auch diese wurden auf Paletten verpackt und gekennzeichnet, damit später eine schnelle Standzuordnung möglich war.

Ein Treffen mit den Spieleautoren Reinhold Wittig und Hilko Drude

Während meiner Zeit in Göttingen ergab sich die Chance, zwei ganz besondere Spieleautoren zu treffen. Ich wurde von Hilko Drude zu einem Treffen mit ihm und Reinhold Wittig eingeladen. Der Ort des Treffens war die Wohnung von Reinhold Wittig. Ich hatte bereits das eine oder andere von Reinholds kunsthandwerklichem Geschick gehört. Doch was sich mir in seinen vier Wänden anbot, übertraf all meine Vorstellungen. Einfach unglaublich! Die Wohnung war ein einziges Kunstmuseum. Egal, wo man hinsah: Überall waren selbst angefertigte Skulpturen und Marionetten. Reinhold besitzt das Talent, in scheinbar nutzlosen Schrottgegenständen die Umrisse oder Körperteile von Tieren und Wesen zu erkennen. So nutzt er beispielsweise den Benzintank eines Motorrads als Korpus für einen Ochsen. Das Lieblingsmaterial von Reinhold ist aber das Holz, woraus viele seiner Spieleprototypen bestehen.

Nach dem kleinen Rundgang haben wir dann natürlich gespielt. Die ersten drei waren Spiele von Reinhold Wittig. Die Spiele zeichneten sich neben der brillanten Umsetzung auch durch ein klares und einfaches Regelwerk aus, das die Spieler trotz allem ins Grübeln bringt. Den Abend beendeten wir mit dem ersten veröffentlichten Spiel von Hilko, „Pari“ hieß es. In „Pari“ geht es darum, durch geschicktes Legen seiner Handkarten mathematische Gleichungen zu lösen und dadurch Punkte zu ergattern. Ein wirklich schöner Abschluss.


Der neue Spieleburgmitarbeiter

Samstag gab es viel zu tun. Nicht nur, weil wir uns immer noch in der Messevorbereitung befanden, sondern auch weil sehr viele Kunden in den Laden kamen. Dabei waren die meisten Kunden auf der Suche nach Geschenken oder neuen Unterhaltungsmöglichkeiten für die Kinder oder sich selbst. Ich wurde mit der Kasse vertraut gemacht, so dass ich hinter der Theke kassieren konnte. Aufgrund des Barcode-Scanners und des eingesetzten Kassensystems war es sehr einfach, und so konnte ich schnell alleine die Stellung halten, während sich die Spieleburg-Kollegen vorne um die Kundenbetreuung kümmerten. Nun war ich für einen Tag der neue Spieleburgmitarbeiter. Das hat mir richtig viel Spaß gemacht.

Mir wurde noch gezeigt, wie angelieferte Waren im Computer erfasst werden. Die Spieleburg arbeitet dabei mit einer sehr hilfreichen Software, mit welcher stets der aktuelle Warenbestand des Ladens angezeigt werden kann. Neue Artikel müssen im System neu aufgenommen werden. Darüber hinaus sind auch wichtige Informationen zu jedem Artikel hinterlegt, wie beispielsweise Hersteller, Artikeltyp, Artikelbeschreibung, Lagerbestand, Einkaufspreis, Verkaufspreis und so weiter. Schnelle Artikelabfragen sind möglich. Das freut nicht nur die Mitarbeiter, sondern auch die Kunden, die nach einem bestimmten Spiel suchen.

Der letzte Tag in Göttingen

Am Sonntag kamen viele Helfer, um bei der LKW-Beladung zu helfen, darunter auch Florian Herold. Von Florian erhält Arne bereits seit neun Jahren tatkräftige und unentbehrliche Unterstützung. Zusammen mit Arnes Ex-Mitarbeiterin Steffi kümmert er sich um das komplette Messemanagement. Dies beinhaltet die Beladung, den Transport, den Standaufbau, die Mitarbeiterorganisation, die Logistik, den Verkauf, den Abbau und den Rücktransport. Florian selbst hat in Lübeck auch einen Spieleburg-Laden gehabt, ihn aber aus persönlichen Gründen aufgegeben und in andere Hände übergeben. Aufgrund der vielen Helfer konnten schnell alle Paletten auf die zwei gemieteten LKW geladen werden, so dass man sich nachmittags verabschieden konnte.

Der Messeaufbau

In den ersten drei Tagen in Essen ging es darum, die vier Messestände schnell aufzubauen und die Waren vernünftig zu präsentieren. Ich wurde für den größten Stand in Halle 2 eingesetzt. Die Theke war auf 20 Quadratmetern o-förmig angelegt.
Neben den in Göttingen vorbereiten Paletten kamen immer wieder bestellte Spielelieferungen am Stand an. Ich stand oft hilflos vor dem großen Berg an Brettspielen und war immer wieder froh, wenn Florian mir sagte, wo und wie sie am besten am Stand aufgestellt werden sollten. Von ihm lernte ich viel über die Warenpräsentation und Marketingstrategie. Neuheiten und Verkaufsschlager wurden in Massen übereinander gestapelt und vor der Theke aufgestellt.

Außerdem kamen von jeder Neuheit jeweils einige Exemplare auf die Regale, die sich zwei bis drei Meter über dem Stand befanden und dadurch von weitem bereits gut zu erkennen waren. Stark reduzierte Waren, die Sonderangebote, bekamen einen eigenen Platz. Unter der Theke – nur für die Mitarbeiter sichtbar – wurde ein kleiner Lagerbestand für den Stand geschaffen. Dabei mussten wir uns wegen des Platzmangels auf eine begrenzte Auswahl an unterschiedlichen Spielen beschränken. Allerdings befanden sich draußen vor der Messehalle ja noch die zwei LKW, auf denen viele Paletten Brettspiele lagerten und alle Spieleburg-Stände versorgten.

Von allen Spielen wurde jeweils ein Exemplar bepreist. Damit die Kunden nicht nach dem Preis fragen mussten, sollte an die Messekunden nur unbepreiste Exemplare verkauft werden, es sei denn, es handelte sich bereits um das letzte Exemplar. Bei jedem Verkauf musste die Theke wieder mit demselben Spiel oder einem anderen aufgefüllt werden, damit der Stand immer gut sortiert aussah. Parallel dazu musste ein Bestellzettel von jedem Stand geführt werden. So konnte sich jeder Stand Spiele vom LKW liefern lassen, die am Stand nicht mehr verfügbar waren. Für die Warenauslieferung wurde ein Team zusammengestellt, das die ganze Zeit über bei den LKW blieb. Einige benötigte Spiele, die selbst in den LKW nicht vorhanden waren, konnten sogar kurzfristig von Lieferanten der Spieleburg innerhalb der Messezeit auf den Stand geliefert werden. Für mich war das ein rundes Konzept, bei dem die Aufgaben klar verteilt waren.

Das Kaufverhalten der Messebesucher 

Die „normalen“ Käufer habe ich unterschiedlich wahrgenommen. Es kamen Familien mit Kindern, spielebegeisterte Teenager, Lehrer, internationale Spielfreunde und bekannte Gesichter der Spielebranche. So hatte ich beispielsweise viele Mitglieder der Hamburger Spielkultur und des Hamburger Spielwerks sowie den freien Journalisten Sebastian Wenzel, der unter anderem für die Zeitschrift spielbox tätig ist, und Matthias Nagy getroffen, den man von „What’s Your Game“, „spielbar“ und „Bretterwisser“ kennt. Die Mehrheit der Käufer hat sehr gezielt eingekauft und wusste sofort, wonach sie suchte. Teilweise hatten sie sich Einkaufszettel gemacht, die sie nun abarbeiten wollten. Nur einmal habe ich eine Mutter beraten, die für ihren 8-jährigen Sohn ein Strategiespiel kaufen wollte.

Unglaublicherweise waren die internationalen Messebesucher sehr stark vertreten, so dass meine Englischkenntnisse immer wieder zum Einsatz kamen. Vom Gefühl her würde ich vermuten: 60 Prozent deutschsprachiges und 40 Prozent nicht deutschsprachiges Publikum. Dies führte bei mir dazu, dass ich längere Zeit im Englischmodus blieb. Natürlich habe ich mich dadurch manchmal versehentlich mit einem deutschen Kunden auf Englisch unterhalten. Ansonsten waren, soweit ich das zuordnen konnte, Franzosen, Spanier, Belgier und Niederländer stark vertreten. Zwei Mal kam bei asiatischen Käufern sogar meine Muttersprache zum Einsatz.

Eins war bei den Käufern sehr auffällig: Alle, die ein Smartphone besaßen, verglichen im Internet die Preise. So wussten sie ganz genau, ob sie wirklich ein Schnäppchen in den Händen hielten oder nicht. Im rasanten Wandel des technischen Fortschritts ist dies für den Käufer sehr praktisch geworden, für den Verkäufer hingegen eine eher unangenehme Entwicklung. Dabei stellt der Vergleich die Onlinehändler überwiegend in einem besseren Licht dar, da diese oft bessere Konditionen von den Lieferanten erhalten als der klassische Einzelhändler im Laden. Außerdem muss der Onlinehändler keine Kosten für den Auf- und Abbau und die Standmiete tragen.

Trotzdem sind die Messepreise deutlich attraktiver als die im Handel, da dies von den Messebesuchern erwartet wird. Es wird viel gefeilscht. Häufig fordern die Käufer bereits ab zwei bis drei Spielen einen Mengenrabatt ein. Ob dieser zusätzliche Rabatt gewährt wird, musste von Fall zu Fall entschieden werden. Dies war eine Herausforderung für mich. Ich wollte ja nicht der Spieleburg Verlustgeschäfte bescheren. Daher habe ich weitestgehend versucht, dem Käufer freundlich zu erklären, warum ein Rabatt in seinem Fall nicht möglich war, und hoffte dabei auf sein Verständnis.

Außerhalb des Verkaufstandes

Während meines Aufenthaltes auf der Messe nutzte ich auch die Chance, dem einen und anderen Verlag einen Besuch abzustatten und bekannten Gesichtern „Hallo“ zusagen. Wenn es passte, zeigte ich noch meine Prototypen. Am Freitag, dem letzten Praktikumstag, wollte ich eigentlich abends noch zum alljährlichen Spieleabend gehen, welcher von Spiel des Jahres veranstaltet wird. Leider musste ich aufgrund des Lokführerstreiks kurzfristig absagen und früher als geplant meine Heimreise antreten. Andernfalls hätte ich wohl am Bahnhof übernachten müssen. Diese Planänderung war zwar sehr traurig für mich, aber leider unvermeidbar.

Das erwartet euch als Stipendiat in der Spieleburg:

  • ein Spieleschlaraffenland
  • ein guter Einblick in den Einzelhandel
  • besseres Verständnis für die unterschiedlichen Käufergruppen und deren Kaufverhalten
  • Aufgaben, die einen fordern und bei denen das Brettspielwissen häufig zum Einsatz kommt
  • organisierte Spieleabende im Laden
  • tolle Zusammenarbeit mit dem Team

Mein persönliches Fazit zum Stipendium 

Vier Praktika, die unterschiedlicher nicht sein konnten, die mir aber trotzdem ein großes klares Bild der Welt der Brettspielbranche gegeben haben. All die vielen Eindrücke und Erlebnisse haben mich in meiner Kreativität und Entwicklung als Nachwuchsautor weit nach vorne gebracht. Vor allem schätze ich jedoch die tollen Menschen hinter den „Kulissen“. Der Austausch über das Thema Brettspiele war ein unbeschreiblich schönes Gefühl und hat mir außerordentlich viel Spaß bereitet. Es war wirklich ein einmaliges Erlebnis, welches mir als Highlight in meinem Leben in schönster Erinnerung bleiben wird.

Traurig darüber, dass jetzt nach einem Jahr alles schon vorbei ist, bin ich nicht. Denn für mich ist dies nur das Ende des ersten Abschnitts, der gleichzeitig ein neues Abenteuer eröffnet. In diesem einen Jahr habe ich einige neue wertvolle Erkenntnisse gewonnen, die mich noch weiter darin bestärkt haben, dass Gesellschaftsspiele eine der schönsten Unterhaltungsformen der Welt sind: „Brettspiele müssen nicht unbedingt gespielt werden, um Freude an ihnen zu haben. Es reicht schon, wenn man über sie redet.“

Vielen herzlichen Dank an den Verein Spiel des Jahres, an die Verlage, Autoren und allen anderen großartigen Menschen für diese Chance!