Spieleautoren-Stipendium 2015/16: Praktikumsbericht von Sophia Wagner
Spieleburg Göttingen
Die Spieleburg befindet sich in bester Innenstadtlage in der Theaterstraße 17 in Göttingen. Gegründete wurde sie vor 20 Jahren vom heutigen Inhaber Arne Soltendieck und seiner Frau. Das Team besteht aus drei Auszubildenden und acht Mitarbeitern.
Die Spieleburg umfasst im Erdgeschoss einen großen Verkaufsraum, ein Büro, ein kleines Spiele-Lager, eine Küche, Kunden- und Mitarbeitertoiletten sowie einen Serverraum. Im Keller des Gebäudes befindet sich ein zweites, weitaus größeres Lager, in dem sich Türme aus Spieleschachteln neben Regalen voller Spielen und Spielzeug stapeln.
Die ehemals hauptsächlich auf Gesellschaftsspiele ausgerichtete Spieleburg hat ihr Angebot über die Jahre auch auf Spielzeug und Bücher für Kleinkinder erweitert. Der Verkaufsraum ist dem entsprechend zielgruppenorientiert in verschiedene Bereiche gegliedert. Betritt man den Laden, so befindet sich rechter Hand Spielzeug für Kleinkinder und Babys wie beispielsweise Puppen, Holzautos und Greiflinge. Links neben dem Eingang befindet sich ein Bereich mit Kinderspielen, Kinderpuzzles, Knobelaufgaben, und Bilderbüchern. Auf einem Tisch neben einer Kaffeemaschine sind immer ein paar Kinderspiele aufgebaut. Dies lädt zum gemütlichen Hinsetzen und Ausprobieren ein.
Hinter diesem Bereich schließen sich die Gesellschaftsspiele und Puzzles für Erwachsene an. Von kleinen Kartenspielen, über Mitbring- und Familienspiele bis hin zu Kenner- und Vielspielerspielen findet man hier alles. Auch Experimentierkästen, Draußenspiele, Lego, hochwertige Holzspiele und vieles mehr sprechen eine breite Zielgruppe an.
Im hinteren Teil der Spieleburg gibt es ein großes Angebot an Warhammer-Miniaturen sowie Farben zum Bemalen und anderes Zubehör zum Erbauen ganzer Welten. Dort befindet sich auch eine Ecke mit Tischen, an denen man sich in Ruhe hinsetzen und das eine oder andere Spiel aus seiner Schachtel holen kann, um sich einen besseren Eindruck zu verschaffen. Selbst der Comic- und Manga-Liebhaber kommt in der Spieleburg nicht zu kurz.
Der Raum zum Spielen ist jedoch nicht nur während der offiziellen Öffnungszeiten der Spieleburg von Bedeutung. An mehreren Tagen finden am Abend Spieleveranstaltungen statt, die für alle Interessierten offen sind. Darunter sind normale Spieleabende, Magic-Runden und Tabletop-Abende. Die Mitarbeiter selbst treffen sich meist montagabends, um aktuelle Angelegenheiten zu besprechen und selber zu spielen.
Den Gesellschaftsspielen gegenüber befindet sich der Kassenbereich, in dem sich in der Vorweihnachtszeit meist zwei bis vier Mitarbeiter aufhalten. An zwei Kassen, die mit großen Bildschirmen ausgestattet sind, werden die Artikel eingescannt. Der Mitarbeiter sieht, was die Artikel kosten, gibt ein, wie viel Geld der Kunde gibt, und sieht, wie viel Rückgeld er herausgeben muss. Auch die Kartenzahlung oder das Reduzieren von Artikeln ist mit dem System der Spieleburg recht einfach, so dass ich schon an meinem ersten Tag an der Kasse arbeiten durfte.
Schwieriger ist das Aufnehmen neuer Artikel ins System. Hierbei muss viel beachtet und fehlerfrei eingetragen werden. Neben Artikelnummer und Name gibt man eine Artikelbeschreibung ein, die Wörter beinhaltet, welche man bei einer Suche nach dem entsprechenden Artikel nutzen würde. Der Einkaufspreis und Verkaufspreis müssen unter Berücksichtigung der richtigen Mehrwertsteuersätze eingegeben werden. Wenn Ware nachbestellt wurde, wird der Bestand im System aktualisiert.
Arne hat mir empfohlen, mein Praktikum in der Vorweihnachtszeit zu absolvieren, denn zu dieser Zeit wäre viel los. Und das kann ich nur bestätigen. Durch die vielen Kunden bleibt keine Zeit, sich zu langweilen. Ein unbekanntes Gesetz scheint allerdings dafür zu sorgen, dass Kunden nicht über den Tag verteilt in gleichmäßiger Anzahl in den Laden strömen. Statt dessen tauchen sie plötzlich in großen Mengen auf, und schon eine halbe Stunde später ist der Laden kurzzeitig fast leer, nur um dann erneut von Massen an Weihnachtseinkäufern überflutet zu werden.
An der Kasse wird auch das Einpacken der gekauften Ware angeboten. Dies erledigen die Mitarbeiter der Spieleburg in einem unglaublichen Tempo. Trotz Vorweihnachtszeit und großen Kundenzahlen sowie hohem Tempo an der Kasse bleibt die Stimmung in der Spieleburg durchweg gut und freundschaftlich. Und auch die meisten Kunden sind entspannt und freundlich. Dies liegt sicherlich auch an der einladenden Atmosphäre der Spieleburg mit all ihren Sitzecken und ansprechend präsentierter Ware, die nicht nur Kinderaugen zum Leuchten bringt.
Wenn sich Kunden orientierungslos im Laden umblicken, eilt ihnen möglichst ein Mitarbeiter zur Hilfe, fragt nach ihrem Anliegen und versucht herauszufinden, was der Kunde sucht. Das ist nicht immer ganz einfach. Da wird beispielsweise nach einem Spiel gefragt, das die 7-, 11- und 14- jährigen Enkel gemeinsam mit ihren Eltern spielen können. Oder ein ganz bestimmtes Spiel soll verschenkt werden, nur leider erinnert sich der Kunde nicht mehr an den Namen oder einen Verlag, bei dem es erschienen ist. Durch gezieltes Nachfragen können aber auch schwierigere Anliegen meist zur Zufriedenheit des Kunden gelöst werden. Das Spiel mit unbekanntem Namen kann über das Thema und markante Mechanismen doch noch ermittelt oder zumindest passende Alternativen angeboten werden.
Für mich als angehende Spieleautorin war es sehr interessant zu erfahren, welche Art von Spielen besonders gut laufen und welche den größten Umsatz bringen. Zu meinem Bedauern werden Vielspielerspiele eher wenig verkauft. Selbst Spiele, die in der Spielerszene größere Aufmerksamkeit bekommen haben, gehen selten häufiger als jährlich fünf Mal über die Ladentheke. Spiele mit der Auszeichnung „Spiel des Jahres“ erreichen dagegen besonders hohe Verkaufszahlen. Auch Karten- und Mitbringspiele laufen gut. Ich habe häufiger erlebt, dass ein Spiel unter zehn Euro spontan und ohne genauere Kenntnis des Spiels einfach mal mitgenommen wird.
Wie viel der Laden an einem verkauften Spiel verdient, ist unterschiedlich. Sofern das Spiel nicht reduziert ist, gehen etwa 40 Prozent vom Verkaufspreis an den Laden, bei reduzierten Spielen weniger. Interessant ist auch, dass die Spieleburg ihren gesamten Gewinn in der Vorweihnachtszeit erwirtschaftet. Die Einnahmen fallen in dieser Zeit etwa dreimal höher aus als im Jahresdurchschnitt. Im restlichen Jahr gleichen sich Einnahmen und Ausgaben in etwa aus, so dass ein Monat meist mit plus minus null abgeschlossen wird.
Auffällig in der Spieleburg sind große Mengen an stark reduzierter Ware. Hier widersprechen die Preise in der Spieleburg dem Vorurteil, Spieleläden seien teurer als der Onlineeinkauf. Dies liegt zum Teil daran, dass Arne gute Beziehungen zu Spieleverlagen unterhält und in der Verlags- und Spieleszene gut vernetzt ist. So bekommt er oftmals die Chance, den Verlagen ganze Paletten von guten Spielen sehr günstig abzunehmen, welche diese aus unterschiedlichen Gründen loswerden wollen.
Bei einer solchen Lieferung von elf Paletten mit unterschiedlichen Spielen war ich dabei. Schon an den Tagen vor der Lieferung musste im ohnehin schon vollen Lager irgendwie Platz geschaffen werden. Für den Tag der Lieferung wurden dann zusätzliche Hilfskräfte benötigt. Die Paletten kamen mit einem großen Laster an und wurden zunächst in die hintere Ecke des Ladens gestellt. Dort entfernten wir die Folie und sortierten die einzelnen Kisten nach Spielen. Wir bildeten eine Menschenkette, die die Kisten von den Paletten durch den Laden, über das Treppenhaus, bis in den Keller weiterreichte. Ich selber stand am Anfang der Kette, habe die Kisten von den Paletten genommen und dem nächsten in der Kette entgegen getragen. Ab und zu kamen Anweisungen, welches Spiel oder welche Kistengröße als nächstes benötigt wird, um den Keller optimal zu füllen.
Der geschäftigste Tag meines Praktikums war der Samstag vor dem vierten Advent, das Wochenende vor Weihnachten. Auf die letzte Minute wird noch nach Geschenken gesucht, mehr Mitarbeiter als sonst wuseln durch die Kundenmengen, beraten oder schauen ob das eine oder andere Spiel noch zu haben ist. An diesem Tag muss alles reibungslos laufen, so dass ich ausschließlich im Verkaufsraum berate, da ich hinter der Kasse und beim Einpacken der Geschenke noch wesentlich langsamer bin als die Mitarbeiter. Nach einem anstrengenden Tag findet sich auch an diesem Samstag noch eine kleine Gruppe zum Spielen.
Die Arbeit im Spielwarenladen selbst unterscheidet sich nicht sehr von meinen anderen Erfahrungen im Einzelhandel. Was jedoch einen Unterschied macht, sind die Veranstaltungen rund um die Spieleburg und die Begeisterung, die alle Beteiligten dem Spiel entgegenbringen. So ist die Spieleburg in Göttingen weit mehr als ein Ort, an dem man Spiele kaufen kann.
Ravensburger
Im Rahmen des Spieleautoren-Stipendiums der Jury Spiel des Jahres war es mir möglich, ein Praktikum beim Ravensburger Spieleverlag zu absolvieren. Hier konnte ich einen Einblick in den Entstehungsprozess eines Spiels gewinnen, von der Auswahl viel versprechender Prototypen über die redaktionelle Arbeit bis hin zur Fertigung und Verpackung.
Betreut wurde ich in der Gesellschaftsspiel-Redaktion, in der André Maack, Philipp Sprick, Annette Ulmer und Daniel Greiner an ihren Projekten arbeiten. Darüber hinaus vereinbarte André eine sehr interessante Auswahl an Terminen außerhalb der Gesellschaftsspiel-Redaktion für mich, so dass ich einen umfangreichen Eindruck vom Unternehmen gewinnen konnte.
Was also ist die Arbeit eines Spieleredakteurs bei Ravensburger?
Vor allem ist sie vielfältig … Mein erster Tag startete mit dem Überprüfen von Designvorlagen. Bei Ravensburger soll ein neues Format einer Spielebox für Karten und Würfelspiele eingeführt werden. Auch ältere Spiele werden in dieses Format überführt, so dass nun die alten Designs der Schachtelseiten ins neue Format übertragen werden müssen. Die fertig gestalteten Entwürfe müssen im Verlag mehrere Hürden nehmen, bevor die Schachteln in den Druck gehen. Wir schauten uns einen Ausdruck der finalen Freigabe-Stufe an und überprüften, ob jedes Bild- und Textelement vorhanden ist, an der richtigen Stelle sitzt und ob die gedruckten Farben in Ordnung sind.
Danach setzten wir uns für ein Brainstorming zu einem Text auf einer Schachteloberseite zusammen. Dabei schreibt jeder Vorschläge auf ein Blatt Papier, legt dieses in die Tischmitte und nimmt sich ein Papier der anderen Brainstormer. Deren Vorschläge nutzt man nun als Inspiration für weitere Texte. Am Ende vergibt jeder Punkte an einzelne Vorschläge, wobei die mit mehreren Punkten in die engere Auswahl für den Schachteloberseitentext kommen.
(v.l.n.r.: Daniel Gack, Philipp Sprick, Sophia Wagner, André Maack)
Jeder Redakteur betreut mehrere Spiele, für die er oder sie hauptverantwortlich ist. Bei den meisten Arbeitsschritten arbeiten die Redakteure jedoch eng zusammen. Spielregeln und Designvorlagen werden von möglichst vielen Personen auf Verständlichkeit und Fehler überprüft. Auch die Beurteilung von Prototypen erfolgt gemeinsam.
Die Ravensburger Gesellschaftsspiele-Redaktion erhält Prototypen einerseits von einer Agentur, die bereits eine Vorauswahl trifft, andererseits bekommen sie Prototypen direkt vom Autor, wenn ihr Interesse an einem Spiel auf Veranstaltungen wie dem Spieleautorentreffen in Göttingen geweckt wurde. Autoren, von denen bereits ein Spiel veröffentlicht wurde, können sich direkt an die Redaktion wenden, ohne den Weg über die Agentur zu gehen.
In der Regel werden täglich ein bis zwei Prototypen von einem Redakteur vorbereitet und im Team getestet. Jeder Mitspieler wird nach seinem Eindruck befragt, und auf einem vorgefertigten Testblatt werden Merkmale des Spiels festgehalten. Hier wird auch entschieden, ob das Spiel eine Aussicht auf eine Veröffentlichung bei Ravensburger hat.
Viele Spiele fallen bereits bei den ersten Tests aus der Auswahl. Diejenigen, die gut angekommen sind, kommen in eine zweite Runde und werden in weiteren Spielrunden getestet. Wer es in die dritte Runde geschafft hat, muss auch noch bei der Geschäftsführung Zustimmung finden.
Dieser Auswahlprozess kann schon einige Monate in Anspruch nehmen. Allerdings wird darauf geachtet, abgelehnte Spiele zügig und mit aussagekräftigem Feedback zurückzugeben. Welche Art von Spielen aktuell gesucht ist, entscheiden nicht allein die Redakteure. Eine nach vielen verschiedenen Kriterien vom Produktmanagement erstellte Suchfeldliste unterstützt die Redakteure bei ihrer Suche.
Sobald der Entschluss bei Ravensburger gefallen ist, ein Spiel herauszugeben, wird ein Vertrag mit dem Autor aufgesetzt. Geregelt ist darin nicht nur die Vergütung des Autors, sondern auch noch das Verfahren bei einer Veröffentlichung im Ausland, der Umgang mit digitalen Produkten, die aus dem Spiel entstehen könnten, Werbung und vieles mehr.
Ist all das geklärt, wird das Spiel redaktionell weiterbearbeitet. Dies erfolgt in enger Zusammenarbeit mit der technischen Produktentwicklung, die für Material und Stanz-Zeichnungen verantwortlich ist, sowie mit der Designabteilung. Ravensburger achtet dabei stark darauf, dass neu erscheinende Spiele auch für Farbenblinde gut zu spielen sind.
In der Abteilung für Kinder- und Lernspiele hatte ich die Möglichkeit, ein paar Spiele des aktuellen Programms kennen zu lernen und zum Teil auch zu spielen. Auch elektronische Spiele werden hier redaktionell betreut. In Zusammenarbeit mit der technischen Produktentwicklung werden dreidimensionale Umsetzungen für Prototypen entwickelt.
Besonders wichtig ist es bei Kinderspielen, auf die Sicherheit wie zum Beispiel die Verschluckungsgefahr von Spielmaterial zu achten. Dafür wird jedes Teil in ein Schlundmaß für Dreijährige gesteckt und muss aus diesem noch herausragen. Zusätzlich wird das Spielmaterial noch weiteren Tests unterzogen. Beispielsweise wird ein Gewicht von einem Kilogramm aus einer gewissen Höhe auf die Spielfiguren fallen gelassen, ohne dass diese zu Bruch gehen dürfen.
Mir wurde klar, dass in einem solchen Kinderspiel sehr viel mehr Gedanken und Arbeit stecken, als man es dem fertigen Produkt ansieht. Wichtig ist auch, dass der Aufwand, den der Kunde beim Aufbau des Spiels hat, möglichst gering sein soll. Ravensburger bringt pro Jahr alleine in Deutschland circa zehn bis 15 neue Kinderspiele heraus.
Am Dienstag bekam ich eine Führung durch die Produktion. Hier wurde mir bewusst, wie viele Arbeitsschritte in der Fertigung von Puzzeln, Stanzbögen und Spieleschachteln stecken: Papier wird bedruckt, muss exakt auf Karton geklebt werden und 24 Stunden bei einer bestimmten Luftfeuchtigkeit ruhen, bevor es gestanzt oder geschnitten werden kann. Für jedes Spiel oder Puzzle werden Stanzen in mühsamer Handarbeit hergestellt.
Auch das Falten von Spieleschachteln, das Befüllen von Puzzleschachteln, das Einschweißen in Folie und das Verstauen auf Paletten konnten wir mitverfolgen. Die Führung endete auf einem Balkon in einem eindrucksvollen Hochregallager, in der ganze Paletten automatisch in riesige Regale befördert und herausgeholt werden.
Während eines weiteren Termins bekam ich einen Einblick in die Absatzplanung. Hier werden für jeden Artikel, den Ravensburger im Programm führt, Statistiken erstellt und ausgewertet. Für jedes Spiel und ganze Produktgruppen werden Prognosen abgeleitet, wie sich das Produkt verkaufen wird. Dabei werden auch die einzelnen Märkte in den verschiedenen Absatzländern analysiert. Auf Grundlage dieser Analysen werden Mengen und Zeitpläne an die Fertigung gegeben. Die Absatzplanung versucht möglichst effektiv, eine Überproduktion, die die Lagerhallen belastet und zusätzliche Kosten verursacht, sowie eine Unterproduktion zu verhindern.
Einen ganzen Tag nutzten wir, um ausschließlich Prototypen zu testen. Dafür trafen wir uns mit Stefan Brück von alea, der Vielspielermarke von Ravensburger. In zwei Gruppen testeten wir rund ein Dutzend Prototypen, deren Spielregeln wir uns zuvor auch noch erarbeiten mussten. Auch wenn es sich größtenteils um eher weniger komplexe Spiele handelte, war es manchmal eine Herausforderung, die Spielregel so zu interpretieren, wie es der Autor wohl beabsichtigt hatte.
Am letzten Tag meines Praktikums konnte ich bei einer Führung durchs Archiv die Geschichte des Verlags anhand seiner Produkte kennen lernen. Auch das erste von Ravensburger 1884 veröffentlichte Brettspiel „Reise um die Erde“ wurde von uns ehrfürchtig ausgepackt und betrachtet.
Am Ende des Praktikums durfte ich mir noch einen großen Karton mit Spieleschachteln und Material für Prototypen packen: Dinge, die ein Spieleautor gut gebrauchen kann.
Das Praktikum bei Ravensburger hat mir einen großartigen Einblick in die Welt der Redakteure eröffnet und darüber hinaus viel Spaß gemacht. Ich konnte neue Kontakte knüpfen und sehen, welche Schritte ein Prototyp bis zum fertigen Spiel durchlaufen muss, nachdem die Arbeit des Spieleautors getan ist. All dies wird mir sicherlich bei meiner weiteren Spieleautorentätigkeit helfen.
Deutschen SPIELEmuseum, Chemnitz
Das Deutsche SPIELEmuseum wurde 1986 in Hamburg gegründet und hat seit 1995 seinen Sitz im Technologie- und Gewerbepark solaris in Chemnitz. Anlässlich des Umzugs entstand dort der erste private Museumsneubau Ostdeutschlands. Der gemeinnützige Verein Deutsches SPIELEmuseum e.V. ist Träger des Museums und hat sich der Förderung des Kulturguts Spiel verschrieben. Die gemeinnützige solaris-Stiftung stellt dem Museumsbetrieb die zugrunde liegende und über 35.000 Spiele umfassende Sammlung sowie die Immobilie zur Verfügung.
Mein Praktikum im Deutschen SPIELEmuseum begann mit einer Führung durch die Räumlichkeiten. Das eigentliche Museum befindet sich im Obergeschoss. Hier werden neben historischen Spielen aus allen Teilen der Welt auch Spiele im Rahmen wechselnder Sonderausstellungen vorgestellt. Zur Zeit meines Praktikums befand sich der Bereich der Sonderausstellung im Umbruch. Die Sonderausstellung „Der Blick ins Lexikon – 155 Jahre Holzbaukästen aus Blumenau“ wurde abgebaut und weicht der ab Mai 2016 zu erlebenden Exposition „Unterwegs im SPIEL – unterwegs in der Welt“ zum Thema Mobilität und Reisen im Spiel.
In der Mitte des großen Dauerausstellungsraums befinden sich Schaukästen in den Formen Herz, Karo, Pik und Kreuz. Hier im Bild werden der Spieleautor Michael Schacht und seine Werke näher beleuchtet.
Die Dauerausstellung „Historische SPIELE“ ist nach Brian Sutton-Smith’s vier Spielprinzipien gegliedert: a) Spiele der Fähigkeiten und Fertigkeiten, b) Glücksspiele, c) Strategiespiele sowie d) gemischte Spiele, die sich aus einer Mischung der ersten drei Spielprinzipien ergeben.
Zum ersten Spielprinzip werden beispielsweise Baukästen und Blockpuzzles gezeigt, während sich im Bereich der Glücksspiele Lotterien, Würfelspiele und Laufspiele, wie etwa das weit verbreitete „Gänsespiel“, befinden.
Auch die Ursprünge des Spiels „Mensch ärgere dich nicht“ werden beleuchtet. Auf einem Teppich ist der Spielplan des indischen Spiels „Pachisi“ abgebildet, das sich in vereinfachter Form ab dem 17. Jahrhundert in Europa unter dem Namen „Ludo“ verbreitete. In Deutschland entstand daraus „Mensch ärgere dich nicht“, das unter vielen verschiedenen Namen und mit unterschiedlichsten Spielbrettern ausgestellt ist.
Im Bereich der Strategiespiele befinden sich unter anderem Spiele wie „Schach“ und „Go“, bei den gemischten Spielen ist wohl „Monopoly“ das bekannteste. Im Museum lässt sich auch ein Reprint des „Monopoly“-Vorgängers „The Landlord’s Game“ von Elizabeth Magie betrachten, dessen eigentliche Intention interessanterweise darin bestand, vor den Gefahren einer monopolistischen Verteilung von Landbesitz zu warnen. Einen weiteren Sammlungsschwerpunkt bilden zudem Spiele aus der ehemaligen DDR.
Im Obergeschoss gibt es noch weitere Räume, die für Seminare, Workshops oder andere Veranstaltungen genutzt werden können inklusive einer so genannten „T-Wall“, einem interaktiven Trainingsgerät für Reaktionsfähigkeit, Kondition, Beweglichkeit – und nicht zuletzt für den Spaßfaktor.
Im Untergeschoss befindet sich neben den Mitarbeiterräumen und dem Eingangsbereich des Museums mit Kasse, Shop und Getränketheke der Spieleraum, der von gefüllten Spieleregalen gesäumt ist. Von Klassikern bis hin zu aktuellen Spielen, von Kinderspielen bis zu Expertenspielen findet sich hier alles. Sogar einen Tischkicker und eine Playstation gibt es.
Die Spiele können auf im Raum verteilten Tischen gespielt werden. So wird das SPIELEmuseum gerne von Schulklassen genutzt, die nach einer Führung durchs Museum zusammen spielen, sich besser kennen lernen und den Zusammenhalt stärken.
Für mehrere solcher Gruppen bereitete ich Spiele vor, die ich den Kindern erklärte. Erwähnenswert in dem Zusammenhang ist auch das in zweiter Auflage durchgeführte Projekt „Wir SPIELEN immer“, das benachteiligten Kindern auf Workshopbasis kulturelle Bildung näher bringt.
Einmal im Monat findet eine lange SPIELEnacht statt, bei der auch Vielspieler bis weit in die Nacht hinein spielen. Hier konnte ich ein paar meiner Prototypen vorstellen und Feedback bekommen. Besonders ein lustiges Kartenspiel, in dem man versucht, während einer Kneipenschlägerei möglichst wenig Schaden zu erleiden, kam sehr gut an. Aber auch „Goblin Gold Rush“, eins der beiden Spiele, mit dem ich mich zum Spieleautorenstipendium beworben hatte, gefiel den Testspielern.
Das Deutsche SPIELEmuseum ist auf vielen externen Veranstaltungen und Messen vertreten. Eine Auswahl an Spielen wird für den jeweiligen Zweck zusammengestellt. Beispielsweise werden für die aktuelle Sonderausstellung des benachbarten Sächsischen Industriemuseums Spiele mit Fahrrad-Bezug herausgesucht, und auch bei der beliebten Chemnitzer Lesenacht ist das Deutsche SPIELEmuseum mit einem Stand vertreten, an dem gespielt werden kann.
Aus seinem reichen Fundus schickt es zudem im Rahmen von Wanderausstellungen Spiele zu bestimmten Themenbereichen auf die Reise. Auch international sehr erfolgreich ist hier die Spiel- und Mitmach-Ausstellung „LernSpielWelten“ mit Lernspielen in- und ausländischer Verlage für alle Generationen. Als einer der Initiatoren von „Stadt.Land.SPIELt!“ ist das Deutsche SPIELEmuseum in Chemnitz zudem verantwortlich für die jährlich im September bundesweit stattfindenden Tage des Gesellschaftsspiels.
Das Archiv des SPIELEmuseums ist im benachbarten und weithin sichtbaren „Solaristurm“ untergebracht. Bei einem Besuch dort konnte ich mir einen Eindruck davon verschaffen, wie viele Spiele hier bereits gesammelt und archiviert sind. In mehreren Räumen stapeln sich Kisten in Regalen, in denen Spiele nach unterschiedlichsten Kriterien zusammengefasst sind, beispielsweise zum Thema Essen und Trinken. Es stapeln sich aber auch neu ankommende Spiele, die noch dokumentiert und in das Archiv einsortiert werden müssen.
Das Deutsche SPIELEmuseum profitiert von privaten Sachspenden, oftmals Spiele aus Dachbodenfunden, und ist auf die Unterstützung von Verlagen angewiesen, von denen viele fördernde Mitglieder des Vereins sind. Das ständig wachsende Archiv sowie die kontinuierlich steigende Besucherzahl des Museums mit der längsten Verweildauer überhaupt zeigen, dass viele die Idee des Deutschen SPIELEmuseums gern unterstützen.
Bei Spiele-Autor Jens-Peter Schliemann
Mein viertes Praktikum durfte ich mit dem erfahrenen Spieleautor Jens-Peter Schliemann verbringen. Jens-Peter, der 1995 das allererste Spieleautoren-Stipendium gewann, hat sich hauptberuflich dem Erfinden von Spielen verschrieben. Hauptsächlich sind dies Kinderspiele, doch auch abstrakte Spiele faszinieren ihn. Die meisten seiner Spiele entstehen in Kooperationen, so ist beispielsweise „Burg Appenzell“ im Team mit Bernhard Weber entstanden, „Das Geheimnis der Zauberer“ mit Guido Hoffmann, die „Nacht der Magier“ mit Kirsten Becker. In seinem „Fire and Ice“ merkt man Jens-Peter die Faszination für Mathematik an, aus der heraus dieses abstrakte Spiel entstand.
Für mich ist sowohl der Bereich der Kinderspiele, als auch das Arbeiten in Kooperationen mit anderen Spieleautoren Neuland. Umso interessanter war es, eine Woche lang einen Einblick in den Erfinderalltag von Jens-Peter zu bekommen, der mich auch zu ein paar Treffen mit anderen Spieleautoren mitnahm. Als ich in Köln ankam, konnte ich gleich zu einem Treffen mit einer Spieleerfinderin dazukommen, die Spiele für alte Menschen und zum Spielen in Altenheimen entwickelt. Die Anforderungen sind ganz andere als für Kinderspiele oder Familienspiele – ich hatte diese Zielgruppe bislang kaum wahrgenommen. Auch im Angebot der Spieleverlage scheint sie keine große Rolle zu spielen, obwohl unsere Gesellschaft doch immer älter wird.
In seinen kölner Arbeitsräumen zeigte mir Jens-Peter einige seiner bereits veröffentlichten Spiele. Viele zeichnen sich durch einen sehr aufwendigen, dreidimensionalen Aufbau aus. Während ich bisher davon ausging, dass die technische Umsetzung, die Wahl der Schachtelgröße und die Größe der einzelnen Teile eher Sache des Verlags ist, konzipiert Jens-Peter seine Spiele so, dass schon der Prototyp perfekt auf eine bestimmte Schachtel zugeschnitten ist. Mehr noch, seine Prototypen beziehen die Schachtel mit ein, so dass sie zum Teil des Spiels selbst wird. Jede Umdenkarbeit, die man den Redakteuren erspart, erhöht die Chance das Spiel bei einem Verlag unterzubringen, davon ist Jens-Peter überzeugt. Dementsprechend nimmt die technische Seite der Produktentwicklung auch einen großen Teil der Erfinderarbeit ein, zumal der perfekte Aufbau das Spielerlebnis unterstützt. Und gerade darum geht es in vielen seiner Spiele, das Erleben und die Faszination, die auch durch die Verwendung verschiedenster Materialien und ungewöhnlicher Aufbauten hervorgerufen wird. Während „Nacht der Magier“ im Dunkeln gespielt wird, schauen wir in „Glupschgeister“ durch durchsichtige, gummiartige Linsen, die das, was darunter vorbeizieht leicht verzerren, als würden wir in ein Aquarium schauen, in „Das Geheimnis der Zauberer“ hingegen wird mit Spiegeln gearbeitet. Interessant war es auch, zu sehen, welche Entstehungsschritte ein Spiel durchlaufen hat, bevor es veröffentlicht wurde und was sich die Autoren dabei gedacht haben.
Bei einem Treffen mit Bernhard Weber konnte ich direkt bei der Weiterentwicklung eines Prototyps dabei sein. Hier zeigten sich mir die Vorteile einer Kooperation: Ideen werden hin und her geworfen, das Spiel kann schnell mal angetestet, wieder abgebrochen und mit anderen Regeln erneut versucht werden. So etwas kann man nicht jedem außenstehenden Testspieler zumuten. Auch bringt jeder Spieleautor unterschiedliche Talente und Herangehensweisen mit, die sich in Kooperationen gut ergänzen können. Jede Kooperation ist anders, was ich bei einem Treffen mit zwei Lehrern merkte, die zusammen mit Jens-Peter an Lernspielen arbeiten. Den Kindern einen spielerischen Zugang zu Zahlen, Längen und Mengen zu ermöglichen ist eine ganz besondere Herausforderung, bei der man sich zunächst einmal in die Kinder hineinversetzen muss, um zu verstehen, welche Probleme es im Umgang mit diesen zunächst abstrakten Dingen geben kann.
Während des Praktikums spielten wir auch ein paar meiner Spiele, sprachen darüber und über andere, noch nicht verwirklichte Ideen. Dazu trafen wir uns auch mit dem Bonner Spieleautor, Rezensent, leidenschaftlichen Sammler und Leiter von Großgruppenspielen Christwart Conrad. So konnte ich auch zu meinen eigenen Spielen wertvolles Feedback mit nach Hause nehmen und Christwarts beeindruckende Spiele – Sammlung anschauen.
Das Praktikum bei Jens-Peter war für mich eine großartige und wichtige Erfahrung. In vielen Gesprächen könnte ich mehr über die Brettspiel-Branche und das Erfinden von Spielen erfahren. Ich erhielt Einblick in eine ganz andere Arbeitsweise eines Spieleautors und konnte mitbekommen, wie sich die Arbeit an Kinderspielen zu der an Spielen für Vielspieler unterscheidet. Sie ist anders, aber nicht weniger herausfordernd. Darüber hinaus bin ich ermutigt es vielleicht selbst einmal mit einer Kooperation mit anderen Spieleautoren zu versuchen.