Idealer hätte die erste Wahl für das Spieleautoren-Stipendium nicht ausfallen können. Mit Jens-Peter Schliemann hat 1995 ein Preisträger gewonnen, der nicht nur von der Auszeichnung profitiert hat, sondern über 20 Jahre hinweg an der Preisvergabe beteiligt war und den Gewinnern in einer Praktikumswoche intensiven Einblick in seine Arbeit als Spieleautor gewährt hat.
Die Idee für den Preis stammt von Friedhelm Merz, dessen Verlag das erste Preisgeld zur Finanzierung von mehreren Praktika in der Spielebranche stiftete. Den Preis übergab vor 25 Jahren Dominique Metzler. Zehn Autoren hatten sich um das Stipendium beworben, ausgezeichnet wurde der 27-jährige Bonner Mathematikstudent Schliemann für ein raffiniertes „Spinnenspiel“ und für das strategische Dreipersonenspiel „Sakkara“. Schliemann hospitierte in der Folgezeit eine Woche bei Johann Rüttinger, lernte die Vertriebs- und Marketingseite im Friedhelm Merz Verlag kennen, stellte sich hinter die Tresen in Deutschlands damals bekanntesten Spieleladen Das Spiel in Hamburg, der Claus Voigt gehörte. Außerdem war das Deutsche Spielearchiv in Marburg mit eingebunden, dessen Leiter Bernward Thole war.
Am Konzept des Preises wurde über die letzten Jahre hinweg wenig verändert. Mit dem Preis wurden Einblicke in unterschiedliche Bereiche der Spieleszene ermöglicht. Der Schwerpunkt lag dabei stets auf der Autorentätigkeit, aber auch Verbraucherperspektiven und spieltheoretisches Umfeld sollten Aspekte der Fortbildung während des Praktikums sein. So gehörte immer ein Spieleverlag zu den Anlaufstellen, meistens organisierte das die Firma Ravensburger. Seit knapp 15 Jahren bietet Jens-Peter Schliemann an, ihn eine Woche bei seiner Arbeit zu begleiten. Knapp zehn Jahre arbeitete der erste Preisträger öffentlich in einem extra angemieteten SpieleErfinderStudio in Köln-Mitte. Hinter der Schaufensterfront nahmen die Praktikanten mit Schliemann am Erfindertisch Platz und stellten sich der Öffentlichkeit. Fast durchgängig öffnete das Deutsche Spielearchiv seine Türen, zuerst mit Sitz in Marburg und nun in Nürnberg. Auch ein Spieleladen für Einblicke in die Verbraucherinteressen stand stets mit auf dem Programm. DAS SPIEL in Hamburg gibt es zwar nicht mehr, aber in Göttingen existiert seit 25 Jahren mit der Spieleburg von Arne Soltendieck einer der raren deutschen Innenstadtläden mit sehr breitem Angebot, der beratungsintensiv bisher allen Angriffen der Netzanbieter trotzen konnte.
Mit dem viel zu frühen Tod von Friedhelm Merz 1996 gab es erst einmal keinen Nachfolger für Schliemann. In Absprache mit dem Friedhelm Merz Verlag übernahm 1997 die Jury „Spiel des Jahres“ Finanzierung und Organisation der Preisvergabe. Der Jury gehörten in der Folgezeit stets der Preisträger des Vorjahres, ein Mitglied der Spiele-Autoren-Zunft (SAZ) und ein Vertreter der Jury „Spiel des Jahres“ an. Mit Jens-Peter Schliemann und Jochen Corts, die diese Aufgabe am häufigsten übernommen haben, gab es dabei über viele Jahre hinweg Kontinuität bei den Juroren.
Rückblickend auf 24 Preisträger darf dieses Stipendium, das ursprünglich mit 5000 DM dotiert war, inzwischen mit 3000 Euro finanziert wird, als Erfolgsgeschichte gewertet werden. Es ist das erste kontinuierliche Förderprojekt der Jury „Spiel des Jahres“. Deutlich später kamen die jährlichen Förderprogramme, die seit 2016 unter Themenschwerpunkten laufen, und Aktionen wie „Spielend gesund werden“ und „Spielend für Toleranz“ dazu. Inzwischen gestandene renommierte Autoren und Redakteure haben den Preis bekommen. Bis auf ganz wenige Ausnahmen haben alle Gewinner mindestens ein Spiel veröffentlicht. Autoren wie Wolfgang Dirscherl (Preisträger 2001), der zeitweise auch als Redakteur bei Haba gearbeitet hat, kann inzwischen über 70 Publikationen vorweisen. Der mehrfach prämierte Marco Teubner (2003) kommt auf knapp 60 Veröffentlichungen. Ähnlich erfolgreich waren Sébastien Pauchon (2005), Ulrich Blum (2009) und Karin Hetling (2010). Mit vier Autorinnen unter den 24 Preisträgern liegt der Frauenanteil unter den Gewinnern knapp über dem Anteil der Autorinnen insgesamt in der Autorenszene.
Unter den neueren Preisträgern zeichnen sich mit Michael Luu (2013), Sophia Wagner (2015) und Paul Schulz (2017) weitere erfolgreiche Autorenkarrieren ab. Vom aktuellen Preisträger Michael Modler war die Jury 2019 so begeistert, dass man auch bei ihm optimistisch in die Zukunft blicken kann. Er habe seine Ideen alle jetzt schon „auf den Punkt gebracht“. Modler zeige eine erstaunliche Bandbreite bei seinen Entwicklungen.
Bei diesen Erfolgen muss die auf Neutralität verpflichtete Jury „Spiel des Jahres“ Sorge tragen, dass ihr keine zu große Nähe zu ehemaligen Preisträgern unterstellt werden kann. Den Jubiläumstermin der Vergabe im nächsten Jahr und in der Folgezeit wird daher die SAZ organisieren. Finanziert wird das Stipendium weiterhin im Rahmen der Förderprojekte der Jury, die sich damit allerdings aus der Organisation und der direkten Beteiligung verabschiedet. Ein Mitglied der Jury „Spiel des Jahres“ wird nur noch den Preis überreichen. Schon 2019 saß unter den Juroren, die über die Vergabe des Stipendiums entschieden haben, kein Mitglied von „Spiel des Jahres“. Neben Richard Haarhoff, dem Preisträger des letzten Jahres, mussten sich fünf nominierte Nachwuchsautoren mit Lothar Hemme und Henning Kröpke äußerst kompetenten und erfahrenen Redakteuren stellen.
Die Erfolgsgeschichte dieses Preises wird weitergeführt und ist bei der SAZ mit ihrem Geschäftsführer Christian Beiersdorf und dem ersten Vorsitzenden Hartmut Kommerell, der in den 90er Jahren ebenfalls zu den Auserwählten gehörte, die für das Stipendium vorgeschlagen waren, in guten Händen. Im Rahmen des inzwischen ebenfalls von der SAZ organisierten Autorentreffens in Göttingen wird der 25. Preisträger und Nachfolger Michael Modlers am 6. und 7. Juli 2020 in Göttingen gekürt.